Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)
Das Leben und die Kunst von László Mednyánszky, mit besonderer Rücksicht auf die Periode vor - Orsolya Hessky: Zeichnen muss man können. Über die Münchner Studien und Zeichnungen von László Mednyánszky
konkretere Faktoren eine Rolle dafür, dass ungarische Studenten so gerne und so zahlreich die Akademie besuchten. Einer dieser Faktoren war die Zusammensetzung des Lehrstuhls, in dem Karl von Piloty, der ab 1856 Professor der Akademie war, die Zugkraft bedeutete. Außer ihm unterrichteten drei ungarische Professoren: Gyula Benczúr, Sándor Liezen-Mayer und Sándor Wagner - das Trio der Meisterschule für historische Malerei, von dem sich die angehenden Künstler aus Ungarn viel erwarteten. Der zweite Grund war die 1869 zum ersten Mal veranstaltete Internationale Ausstellung der bildenden Künste. Diese wurde ein Jahr nachdem die Münchner Gesellschaft für bildende Künste gegründet worden war, als Opposition zum Historismus, als „Demonstration der neuen Kräfte" 7 ins Leben gerufen, und zwar hauptsächlich auf Initiative von Eduard Schleich d. Ä. (1812-1874), der Leitfigur der zweiten Generation der Münchner Landschaftsmaler. Die Ausstellung, die zu den wichtigsten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in München gehörte, zeigte dank zahlreich eingeladener Künstler aus dem Ausland die modernsten Tendenzen der europäischen Malerei. 8 Es waren natürlich hauptsächlich französische Maler - Courbet, Corot, Millet, Daubigny, Rousseau, Manet -, deren Werke mit durchschlagender Kraft auf die Münchner historistische Atmosphäre wirkten, denn die Naturbetrachtung und künstlerische Freiheit der Franzosen stand in strengem Gegensatz zum strengen, präzisen Zeichnungsstil der Akademie, der bislang im Zauber des von Piloty vertretenen Historismus stand. Die Wirkung der Ausstellung wurde dadurch verstärkt, dass Courbet München persönlich besuchte und Freundschaft mit den jungen angehenden Künstlern knüpfte. 9 Die Wirkung der modernen französischen Malerei zeigte sich bei den damals anwesenden ungarischen Studenten in der Kunst von Pál Szinyei Merse am anschaulichsten. Der Eindruck, den die Ausstellung auf ihn gemacht hat, äußert sich in einer Niederschrift, in der er Piloty und seinen Historismus gegen das Erleben des persönlichen Erbauens in der Natur aufwog und daraus die Konsequenz zog: „Ich beschloss demzufolge aus der Piloty-Schule auszutreten, und nur einem Lehrer zu folgen, der mich führen wird, und dieser Lehrer ist die Natur." 10 Die Ausstellung hatte auch zur Folge, dass Wilhelm Leibi (1844-1900) und sein Kreis, deren reiner, naturalistischer Stil den Münchner Studenten schon lange als Vorbild gedient hatte, endlich den offiziellen Durchbruch erlangte. Als der junge, kaum 20jährige Mednyánszky 1872 nach München kam, erwartete ihn demnach ein lebendiges musisches Leben voller gegensätzlicher Ansichten und Richtungen. Entsprechend der Fachliteratur der vergangenen 80 Jahre verbrachte Mednyánszky nach seiner Immatrikulation kaum anderthalb Semester in München, das heißt, bislang war man der Meinung, er habe die Stadt bereits im Frühling 1873 wieder verlassen. Diese Vermutung ist jedoch zu revidieren, denn Mednyánszky war an der Münchner Akademie auch für das Studienjahr 1873/1874 inskribiert, wie aus den Unterlagen dieser Institution hervorgeht" (Abb. 1). Die Forschung von Mednyánszkys Leben begann vor der Mitte des 20. Jahrhunderts, wobei zunächst Mária Schanzer in ihrer 1935 erschienenen Dissertation behauptete, Mednyánszky wäre 1873 bereits nach Paris aufgebrochen. Allerdings schrieb Schanzer den Münchner Studien Mednyánszkys überhaupt keine Bedeutung zu. Sie sah den Grund, warum Mednyánszky nach kaum anderthalb Semestern nach Paris ging, auch in der Kunst des Cornelius-Schülers Strähuber und in den „dumpfen" Lehrmethoden der Akademie. 12 Basierend auf dieser Information schrieb auch Ernő Kállai in seiner 1943 erschienenen Monographie, dass „der junge Mednyánszky im September 1873 nach Paris ging". 13 Ernő Kállai lehnte sich in seiner Monographie - als erster - an die Memoiren der Schwester des Malers an, 14 die später noch erwähnt werden sollen. Sich Kállai weitgehend anschließend, legte Ilona Brestyánszky, die erste Herausgeberin des Tagebuchauszuges, im „Monographieentwurf' fest - dabei die Immatrikulation im Jahr 1872 und den Besuch der Antik-Klasse nicht erwähnend -, dass Mednyánszky 1873 die Schule von Seitz besucht (die also keine eigene Institution, sondern eine Klasse an der Akademie war), und später wegen der in der bayerischen Hauptstadt ausgebrochenen, bis 1875 dauernden Choleraepidemie München verlassen habe, um mit seinen Eltern im italienischen Pegli zu verweilen. 15 Mihály Sarkantyú widmete in seiner Monographie den zwei Semestern in München lediglich zwei Zeilen. 16 Auch andere, die Kunst des Malers behandelnden Werke 17 folgen dieser Tradition, wobei sich zeigt, dass die Quellen dazu eindeutig in den Memoiren der Schwester des Künstlers, Margit Mednyánszky Czóbel (Miri) mit dem Titel László - Brouillon zu finden sind; das Manuskript ist heute im Datenarchiv der Ungarischen Nationalgalerie aufbewahrt. 18 Dieses Werk, das - lediglich im Bereich der Kindheit Mednyánszkys gekürzt - auch gedruckt erschienen ist, 19 versucht den Werdegang des Malers genau zu rekonstruieren, mit größtenteils präzisen Daten und Jahreszahlen, allerdings wurde die Chronologie an manchen Stellen eindeutig „verschoben". Nichtsdestotrotz ist es eine sehr wichtige Quelle, wenn man den Lebenslauf des Künstlers kennen lernen möchte. Hinsichtlich der früheren Studien können wir uns jedoch nicht auf sie verlassen, da laut dem Dokument, das aus dem Czóbel-Nachlass stammt, und in der Dauerausstellung des Mednyánszky-Schlosses in Strázky (Nagyőr, Nehre) zu sehen ist, ließ sich Mednyánszky in München auch für das Jahr 1873/1874 einschreiben. Wie wir wissen, konnte man in München Ende Oktober, Anfang November für das Herbstsemester inskribieren. Wenn also der Maler - wie es in der erwähnten Fachliteratur steht - im September auch in Paris gewesen war, ist es möglich, 2 Eduard Schleich: Wildwechsel an der Isar, 1858. Öl auf Holz, 36,8 X 88,3 cm (Privatbesitz)