Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)
László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Zsófia Kiss-Szemán: László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums
Ähnlich wie viele andere hielt sie den schriftlichen Nachlass des Malers für den wichtigsten Ausgangspunkt für ihre Interpretation. Der Artikel dient vor allem als wichtiges Quellenmaterial: er beinhaltet einige Zitate (samt deren Deutung von Tagebüchern und Skizzenheften), die im Zusammenhang mit der Ausstellung Mednyánszkys im Jahr 1969 in Szolnok ins dortige János-Damjanich-Museum gelangten. Egri charakterisierte zuerst ausführlich die Tagebucheinträge, im zweiten Teil des Artikels konzentrierte sie sich auf die einzelnen Notizbücher und zitierte selektiv einige interessante Passagen, unter anderem einige von Mednyánszkys bemerkenswerten Überlegungen über die Individualität und deren Notwendigkeit für den Maler/' 4 In ihrer Studie ging sie etwa von Mednyánszkys Gedanken zur „Physiologie der Farben" aus, fand dazu möglichst viele Gemälde, die die Thesen des Malers untermauerten, um auf diese Weise die Konsequenz in der Anwendung seiner theoretischen Erwägungen zu demonstrieren. Umstritten aber ist die methodische Haltung der Autorin. Mit Ausnahme der Anfangszeit (ungefähr bis Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts) wollte sie keine Entwicklung im Schaffen Mednyánszkys erkennen, d. h., sie war der Überzeugung, dass die reifen Kunstwerke Mednyánszkys ohne jede Stilentwicklung wären. Seine Bilder unterscheiden sich voneinander höchstens durch die Qualität des Malens selbst. Gerade deshalb erforschte die Autorin das Werk nicht in chronologischer Reihenfolge. Dadurch wird die bei Mednyánszky immer wichtige Frage nach der Datierung seiner Werke irrelevant. Egri befasste sich mit dem Werk nach rein malerischen Problemkreisen: So etwa löste der Maler auf den Gemälden Anstehende (Brot, Kat. 270) und Straßenversammlung (neunziger Jahre, Kat. 85) ihrer Meinung nach dasselbe Problem der Gruppierung einer großen Menschenmenge durch die Steigerung des Leidenschaftseffekts mittels suggestiver Kraft der Farben, der Platzierung sowie des Bewegungsmotivs. Egri kam zu dem Schluss, dass die Landschaftsmalerei Mednyánszkys sowie dessen figürliche Kompositionen durch ein totales inneres Erleben gekennzeichnet sind. In diesem Punkt schließt sich die Autorin der Interpretation Kállais an. 65 Anfang der siebziger Jahre wurde in der Slowakei anlässlich des 120. Geburtstages des Malers 66 ein Artikel von Ladislav Saucin veröffentlicht. Dieser zählt zu den konventionellen Berichten über den Maler mit der Andeutung einer gewissen Stilentwicklung. Die einzige Ausnahme bildet der zwar relativ allgemeine, aber treffende Gedanke, dass „Mednyánszkys Bilder menschlicher Köpfe in ihrer Bedeutung über die Zeit und den Ort ihrer Entstehung hinauswachsen. Sie sind eine ausgesprochen philosophische Antwort auf die Frage, was ein Mensch ist und sein könnte". 67 Mit dieser Frage beschäftigte sich auch der Dokumentarfilm des Ungarischen Fernsehens, der dem Schaffen Mednyánszkys gewidmet war. Er wurde später auch in Form eines Artikels mit sämtlichen gezeigten Gemälden veröffentlicht. 68 István Solymár führt hier eine tiefgründige Analyse des Werks durch, die weit über die Grenzen einer popularisierenden Deutung hinaus geht. Sie führt zu einem meditativen Nachdenken über die Problematik und findet dabei einige versteckte Zusammenhänge mit Werken aus der Geschichte der Weltkunst, vor allem das Motiv eines meditierenden Menschen (z. B. Michelangelo: Jeremias der Prophet; Rodin: Der Denker, usw.). Solymár macht bei der Analyse vom Begriff „musikalischer Kontrapunkt" Gebrauch, der seiner Meinung nach am prägnantesten das Schaffen sowie die Persönlichkeit Mednyánszkys charakterisiert. Es handelt sich dabei um die Verbindung von Gegensätzen, bei der der Maler komponiert bzw. mit dem Rhythmus arbeitet. Die Verwendung des Terminus „Kontrapunkt" halte ich für außerordentlich treffend. Er beinhaltet nämlich das Prinzip des Schaffens Mednyánszkys: das Dramatische und das Dynamische zugleich. 69 Vom Gesichtspunkt der Methodologie erforschte und resümierte zum ersten Mal Nóra Aradi in ihrer Studie A Mednyánszky-kutatás néhány kérdése [Einige Fragen der Mednyánszky-Forschung] die Problematik der Persönlichkeit und des Schaffens Mednyánszkys. 70 Die Autorin dieser Studie verwies auf einige erforderliche Aufgaben und Möglichkeiten der weiteren Forschung. Das Hauptanliegen dieses Beitrages bestand in der Formulierung der mit der Datierung verbundenen Fragen. 71 Gleichzeitig äußerte sie jedoch auch Bedenken hinsichtlich des Erfolges solcher Bemühungen. Die Datierung setzte ihrer Meinung nach eine historisch-philologische Forschung voraus. Der essayistische Stil der bisherigen Aufarbeitung des Schaffens Mednyánszkys helfe in diesem Bereich nicht weiter, da er über faktographisches Wissen zuweilen großzügig hinwegsieht. Aradi betonte dabei das Bedürfnis nach einer auf hohem professionellen Niveau und umfangreich gestalteten Ausstellung. Diese würde ein aufschlussreiches Studium der Originalquellen ermöglichen, zumindest derjenigen, die sich in Ungarn und in der Slowakei befinden. Als zweites wichtiges Problem sah Aradi die Frage der Interpretation, bei der die Forscher die relative innere Autonomie des gesamten Werkes vor Augen haben sollten. Eine solche Interpretation sei nicht auf der Grundlage einiger Gedanken aus den Tagebüchern des Malers oder ausgehend von seinem Schicksal 72 zu machen. In ihrer bebilderten Monographie 73 ging die Autorin darüber hinaus auf einige mögliche Probleme bei der Einordnung in die ungarische und europäische Kunstgeschichte ein. Sie führte z. B. die Parallelen mit den Haltungen Csontvárys und Gauguins an (ohne diese jedoch näher zu analysieren) und argumentierte dabei mit ihrem „Ausstieg", d. h. ihrer bewussten Herauslösung aus den damaligen gesellschaftlichen Klischees. Sie wies auch auf die feinen Unterschiede sowie auf das Bedürfnis nach einer präziseren ikonographischen Bestimmung der „Vagabundenbilder" hin. Diesen eingebürgerten Terminus hielt sie mit Recht für unzureichend. (Dazu ist anzumerken, dass ihn zum ersten Mal der Maler selbst in seinem Tagebuch verwendete). Das bis heute komplexeste Bild über Mednyánszky und seine Zeit schuf Mihály Sarkantyú in seiner Monographie. 74 Das Schaffen des Malers betrachtete er unter dem Gesichtspunkt breiter historisch-gesellschaftlicher Beziehungen. Dabei bestimmte er seinen Platz in der Geschichte der europäischen, der mitteleuropäischen und der ungarischen Kunst. Er erhob dabei keinen Anspruch auf eine komplexe Verarbeitung des Themas in Form einer entsprechenden Monographie, sondern er bemühte sich lediglich um eine Problemskizze. Dabei wies er auf die besondere Rolle des Genius loci hin, auf den Geist und das historisch-gesellschaftliche Milieu der Habsburgermonarchie, und machte diese Faktoren zum Ausgangspunkt für seine Interpretation. In diesem Zusammenhang untersuchte er unterschiedliche gesellschaftliche sowie psychologische Einflüsse auf die Ausformung des Schaffens und die künstle-