Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Erzsébet Király: Der Maler der „düsteren Schönheit". Skizze zum romantischen Mystizismus Mednyánszkys

Monate zusammengetroffen. Das war eine kurze, aber unsagbar schöne und glückliche Zeit," 69 vermerkte der Maler 1880. Vielleicht dachte er auch 1898 an ihn, als er schrieb: „Der nächstliegende Ersatz von (A) verbirgt sich in der Auffassung ( *P) der gleichen Beziehungen. Das Ideal lebt in diesen einfachen Menschen. Es ist in seiner Entfaltung anzuregen und zu bestärken." 70 Wenn A die Bezeichnung für den Körper, das Körperliche ist, das dem Ideal gegenübersteht, dann können wir hier die Verwendung eines klassischen philosophischen Gegensatzes voraussetzen, der in den hellenistischen, platonisch-neoplatonischen, gnostischen, christlichen und buddhistischen Lehren gleichermaßen eine wesentliche Rolle spielt. Das Zeichen 4* müssen wir also in diesem Begriffsbereich lösen. Und was könnte es anderes sein als die Abkürzung des griechischen Wortes psyche, also die vom Körper getrennt gesehene Seele, die immaterielle, unsterbliche Seele, der Geist. Mednyánszky konfrontierte das geistige Prinzip nicht mit dem griechischen Begriff soma (Körper), sondern mit etwas viel aktuellerem. Hinter diesem neuen Antagonismus ist nämlich wieder nur ein kulturell vorgebildeter, charakteristischer Vorstellungsbereich und Motivschatz vom Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen. Mednyánszkys Kontext lässt die Schlussfolgerung zu, dass A die Versuchung des Körperlichen, den Teufel im Körper, oder einfacher ausgedrückt, den Teufel, das Böse, den Satan, also den Dämon bezeichnet. Das altgriechische Wort daimon war eine Gottesmacht, die auch Glück bringen konnte, in neuzeitlichem, erweitertem Sinne aber eher Unglück und Verhängnis. Der Dämon ist auch der Schatten der Toten und ganz allgemein der böse Geist. Baudelaire beschreibt den Dämon in einem Gedicht. Die unerwarteten Erscheinungen des Bösen wurden in den schwarzen Zügen der Romantik und in der dekadenten französischen Romanliteratur zu Allegorien der modernen Verdammnis und erinnerten an gotteslästernde Praktiken, schwarze Messen, okkulte Wissenschaften, Magien, Astrologie, Alchimie, Zauberei und Hexerei aus dem Mittelalter, all das Weltgeheimnisse, die der Verstand erfas­sen wollte. Wenn Mednyánszky tatsächlich dort verkehrte, wo diese „unglaublichen" Glaubensvorstellungen und Ketzereien als historische Vorbilder für die sich selbst zerstörende Gegenwart zu literarischem Rang erhoben wurden, 71 dann könnten die in seinem Tagebuch zu Papier gebrachten Ängste und Phantastereien eine ernste Bekräftigung erhalten haben. Der Kampf des Körpers mit der Seele ist bei Mednyánszky in der Reihe der Dualismen der letzte und qual­vollste. „Das Problem, die naturwissenschaftliche Definition des Lebens ist der Kampf zwischen den auseinan­derstrebenden und verbindenden Kräfte. Es ist gleichzeitig so, dass einmal die eine Kraft die Oberhand hat und ein andermal die andere," 72 schrieb er 1908. Der alternde Mednyánszky war - ob bewusst oder unbewusst - von der Meditation über das universelle Gute und das grundlegend Schlechte gefesselt, was ihn manchmal auch von der Kunst entfernte. Die Unlösbarkeit der beiden Begriffe führte ihn zu den letztendlichen Fragen der Schöpfung, und daraus erwuchs die heute noch unerschlossene Mystik seines reifen Alters (Der Fluss Hernád, Kat. 83). Nach seiner „Höllenfahrt", dem Weg in die niederen Schichten der Gesellschaft, stieß Mednyánszky auf den Begriff der Sünde und suchte nach Möglichkeiten der Erlösung. Dem Erlebnis der Tiefe sollte das Erlebnis der Höhe folgen. Seinem Tagebuch entnehmen wir, wie sehr er seit den 1890er Jahren auch in der Formgestaltung um eine stärkere Abgrenzung zwischen der materiellen und der geistigen Welt und um eine Zurückdrängung der ersteren bemüht war. „Die Ausstrahlung des Geistes, der bei der jetzigen allgemeinen materiellen Richtung zur Geltung kommt, ist für jede wahre geistige Existenz ein tödliches Gift." 73 Leugnung der Sinnensfreuden, Enthaltsamkeit, Askese, zunehmende Einsamkeit, Kontemplationen und die wörtliche Erwähnung oder Umschreibung der „höheren Moral" sind stimmungsmäßig die Vorbereitung auf die schmerzlichen Monologe, die der Maler ab 1906 bis zu seinem Lebensende an den toten Freund, den Bauernjungen aus Vác, Bálint Kurdi, richtete. Darin betet der noch die Last des Körpers tragende Sünder zu dem, der sich von der Verdammnis des Körpers schon befreite, und auf seine Gebete antwortet stets die Natur. Eine wiederkehrende Anrede ist: „Reine, gute Seele, mein Führer, meine Hoffnung!" Die reine Seele ist nichts anderes als die textliche Auflösung von Das ist das aus der Jugendzeit gut bekannte Ideal, das ihn in die Höhe hebt, weil es selbst aus göttlicher Sphäre kommt. „Nur mit dir, nur durch dich kann ich mich von dem Bösen befreien, nur durch dich kann ich mit der Zeit reiner und besser werden, um dir zu dienen. Jetzt muß ich alle Fehler wiedergutmachen, die ich - zwar gutgläubig, aber verblendet durch Egoismus - begangen habe." 74 Nach dem Verderben und der Sittenlosigkeit der Welt benennt Mednyánszky nun auch die letzt­endliche Ursache, das Böse, und das ist das im Körperlichen durchlebte, schwache Irdische, die am Schnittpunkt der Antike und des Christentums in Frage gestellte schlechte Materie an sich. Der in Mednyánszky erstarkenden Weltfremdheit, seiner „Esoterik" dürfte tief verborgen ein heute noch nicht umrissenes religionsphilosophisches System oder eine sittliche Überlegung zugrunde gelegen haben, womöglich gar das Wissen eines religiös Eingeweihten. An diesem Punkt müssen wir aber einhalten. Nach 1889 wurde Mednyánszky allgemein nur als Buddhist apostrophiert, wenngleich wohl kaum jemand hätte sagen können, worin sein Buddhismus bestand. Eine Theosophie, eine geheime Lehre erwähnte er selbst in seinen Tagebüchern, das Geheimnis aber hütete er. Doch ist dies ja nicht das einzigste Geheimnis, das uns László Mednyánszky hinterlassen hat! ANMERKUNGEN 1 Das bedeutet soviel wie: Die Zügellosigkeit ist nur eine Vermessenheit unseres Geistes, im Leben sind wir fromm. - Eine Weisheit, die in Verbindung mit den beiden bedeutenden Vertretern der französischen dekadenten Literatur Ende des 19. Jahrhunderts, Joris-Karl Huysmans und Barbey d'Aurevilly, zitiert wurde. Damit suchte man sie vor dem Vorwurf der Blasphemie, der satanischen Leidenschaften und Sakrilegien in Schutz zu nehmen. Siehe: Praz, Mario: Liebe, Tod und Teufel. (Die schwarze Romantik). München 1963. 218. 2 Die Geschichte der zusammenfassenden Erforschung der Manuskripte durch Csilla Markója sowie eine Auswahl der neues­ten Mednyánszky-Dokumente siehe in der Zeitschrift Enigma, No 24/25. 28, 29 und 34.

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