Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Erzsébet Király: Der Maler der „düsteren Schönheit". Skizze zum romantischen Mystizismus Mednyánszkys

universellen Pessimismus und der neuen Apokalypse über ganz Europa verbreiteten. Diese weiteren Namen dürften für Mednyánszky genauso viel bedeutet haben, wie Baudelaire und die in seine Fußtapfen tretenden französischen Symbolisten. Es wäre auch nicht schwer, den Einfluss von Schopenhauer, Tolstoi, Nietzsche, Eduard von Hartmann und Dostojewski auf den Maler in seinen Tagebüchern anhand einzelner Anmerkungen nachzuweisen. Wichtiger ist jedoch, dass Mednyánszky nicht nur einer von Koryphäen hochgehaltenen Tradition folgte, sondern sich in das Erlebnis und die intellektuelle Tiefe der Erscheinung selbst hineinwagte. c) Das Dämonium Auch Mednyánszky stellte sich die Frage nach dem, was hinter der bedrückenden irdischen Welt, was darüber hinaus ist. Die Frage tauchte auf, als er über die Bedeutung des Wortes Stimmung nachdachte. Mit diesem Begriff öffnete er die Tore der Daseinsinterpretation so weit, wie es ihm nur möglich war. Wir wollen dazu eine aussage­kräftige Textstelle aus dem Jahr 1898 zitieren, sozusagen als Teil seiner Selbstinterpretation: „Mit einem Wort, die Stimmung ist nichts anderes, als die Schwermut der physiologischen Auswirkung gewisser Dissonanzen, die uns an den Zerfall erinnern. Die Stimmung ist das bewusste oder unbewusste Gefühl der Vergänglichkeit. Dieses intime Gefühl ist das Privileg verfeinerter Organismen. Es regt unwillkürlich dazu an, dass wir an die Ewigkeit denken. Denn wenn wir täglich die Mauer sehen, die unseren Augen den Weg verstellt, und wenn wir diese Mauer dicht in unserer Nähe spüren, dann müssen wir uns unvermeidlich fragen, was wohl dahinter sein könnte. Daher rührt das sonderbar erscheinende Phänomen, dass aus dem gestrigen Materialismus eine Generation auferstehen konnte, die wieder eifrig nach dem Jenseits fragt." 58 Die Melancholie verkörperte sich nach Mednyánszky in so beunruhigenden Stimmungselementen und Dissonanzen wie rau, schwarz, süßsauer, bittersüß. Alles zusammen bildete eine Synthese des Lebensgefühls. Dazu ordnete er verschiedene Farben, was nichts anderes war, als die aus der Kunst und der Theorie des aus­gehenden 19. Jahrhunderts gut bekannte Synästhesie, die Verschmelzung mehrerer Sinneseindrücke. 59 Ihre Kombinationen waren nur scheinbar technischer Art. Sie verraten etwas über Methode, Anschauung und ideelle Orientierung, es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie Mednyánszky während des Malens bewusst wurden. Auch werkpsychologisch ist lehrreich, was der Künstler an anderer Stelle über die Physiologie der Farben ausführte: „Es gibt ein rostrotes, bräunlich-schmutziges Rot, das die Nerven in höchstem Maße reizt. In dieser Farbe liegt etwas Bedrohliches, vor allem, wenn sie von anderen, schmutziggrauen und warmen Farben umgeben ist. Diese Farben sind verworren. Unwillkürlich erinnern sie an die bekanntesten tierischen Stoffe, und zwar an solche, die sich im ersten Stadium der Gärung befinden. [... ] Das Rostrot und die Farbe von getrocknetem oder geronnenem Blut lässt die schon gärenden Gefühle aufflammen. Die meisten Raubtiere haben diese Farbe." 60 Mednyánszky nannte auch ein Beispiel für das rote, furchterregende riesige Raubtier: „Csorsztin mit dem Berg", „im Hintergrund der warme, graue, regnerische Himmel". 61 An anderer Stelle wieder schrieb er der rostig-rotbraunen Farbe eine besondere, „schrecklich böswillige" Wirkung zu und hielt sie passend für „ein grausames, brutales Thema". 62 Und schließlich notierte er: „Rostfarben ist das verwunschene Schloss, wie ein Geier, als hätte das Blut der Riesenbeute es so gemalt. Rostfarben ist der Wald, rostfarben sind die Schatten der Gehetzten, rostfarben sind die dahinfliegenden Wolken." 63 Hier spricht nicht mehr nur der mit dem irdischen Sein, mit dem realen, alltäglichen Leben konfrontierte Mednyánszky. Die immer wiederkehrenden und auch verbal lebendigen Vorstellungen von Zersetzung, Verwesung und Gärung in Zusammenhang mit den Raubtieren und dem Anblick von Blut lassen erkennen, dass sich der Künstler auch über die stoffliche Grundlage der qualvoll empfundenen Wirklichkeit und über den Stoff als solchen Gedanken machte. Dieser Stoff, von dessen spürbarer, in Farben, Duft und Geschmack gegenwärtiger Sinnlichkeit er sich als geborener Maler keinen einzigen Augenblick befreien konnte, wurde von den 1890er Jahren an sein zentrales Problem. Aus dem organischen Urprinzip, der organischen Materie formte sich scheinbar zusammen mit der Poesie des Elends auch die Poetik der Verdammnis. Worin sie bestand, darüber geben die bisher noch nicht behandelten Teile der Mednyánszky-Tagebücher Auskunft. Das beabsichtigte Geheimnis der nachfolgenden Tagebucheintragungen würde ich gern bewahren, aber die Besprechung lässt sich nicht umgehen, denn die Stellen ziehen sich wie ein roter Faden durch Mednyánszkys Leben, der zwischen künstlerischen, ethischen und religiösen Momenten der Erkenntnis und Selbstfindung hin und her gerissen wurde. Am häufigsten verwendete der Maler im frühen Tagebuch, aber auch noch später das Zeichen À aus dem grie­chischen Alphabet. 64 Entweder steht es zwischen alltäglichen Banalitäten, ist mit Tageszeiten oder Tagesereignissen verknüpft, oder es findet sich in Verbindung mit Modellen. Die Modelle sind immer Männer, und es ist anzuneh­men, dass Mednyánszky es für die Bezeichnung einer erwachenden körperlichen Neigung zum eigenen Geschlecht benutzte. Die Fachliteratur wertete es zumindest seit der ersten Quellenforschung so. Von diesem an sich nicht sehr ergiebigen biographischen Tatbestand könnten uns womöglich die Textstellen, in denen der verdammungswürdige, zu bekämpfende Charakter der A-s deutlich wird, zu Mednyánszkys Kunst weiterbringen: „Der Einfiuss von A ist auszuschalten ..." 65 , „auf A ist zu achten" 66 , „Auf jeden Fall müssen die A-Dinge ein Ende haben" 67 . Während diese Ermahnungen nur von moralischem Charakter sind, gibt es auch eine Textstelle, die das ominöse A in eine größere, weltbildliche Dimension setzt: „Das griechische Ideal und das christlich-buddhistische Ideal. Die Griechen ken­nen nur ein Ideal: den Höhepunkt der Entwicklung im Bereich der körperlichen Prokreation. (Meinerseits erkenne ich es unumgänglich durch [A].) Die Christen und die Buddhisten kennen nur ein Ideal, das Ideal der reinen geisti­gen Prokreation. Meinerseits erkenne ich es unumgänglich durch das Fehlen aller (A) (Sexualität)." 68 Es wäre gut zu wissen, ob es sich hier um eigene Gedanken oder um Übernahmen handelt. Die Annmerkungen in Klammern scheinen auf jeden Fall Kommentare zu sein. Die Behauptungen können aber aus Mednyánszkys Feder durchaus nicht überraschen. Denken wir an die Verbindung des Malers zu dem Kutscher János Dinda: „In meiner Vorstellung sind Ideal und Wirklichkeit nur in J, einmal in meinem Leben und auch dann nur für einige

Next

/
Thumbnails
Contents