Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)
László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Erzsébet Király: Der Maler der „düsteren Schönheit". Skizze zum romantischen Mystizismus Mednyánszkys
b) Das Erwachen des ästhetischen Bewusstseins Justh lernte Mednyánszky wohl erst in den 1880er Jahren kennen. Die „Fertigkeiten" des Malers und des Menschen, die sich im obigen Tagebuch abzeichnen, dürften stark und dauerhaft gewesen sein und mögen die Grundlage für eine beginnende Freundschaft gebildet haben. Der Autor von Fuimus wollte in jedem Fall diesen Fertigkeiten ein Denkmal setzen, wenn er in seinem Roman den neun Jahre älteren Künstler mit der Rolle „einer Art Fürsorge" 34 bedachte. Während Mednyánszky der ideelle Inspirator war und im Justh-Kreis noch mit seinem früheren Ego wirkte, ging er tatsächlich bereits den Weg seiner eigenen schöpferischen Bewusstwerdung. Sehr wahrscheinlich legte er diesen Weg allein zurück, und von dem Zeitpunkt an hatten immer weniger Personen Einblick in seine Dinge. Die nächsten uns zugänglichen Tagebuchaufzeichnungen datieren aus dem Jahr 1892. Das ist eben die chronologische Mitte seines Schaffens. War die vorangegangene Periode die geistige Vorbereitung, so ist dies die Zeit der Reife. Das 1960 veröffentlichte Tagebuch, 35 das von den Quellenforschern 2000 mit Anmerkungen versehen wurde, 36 ist eine umfangreiche Schrift und reicht zusammen mit der ausgewählten Korrespondenz in der Berichterstattung zeitlich fast bis zum Tode des Künstlers. Daraus entfaltet sich - wenn die pauschale Behauptung erlaubt ist - ein Weltbild, das in der Tendenz dramatischer ist als das vorausgegangene. Die Ars poetica des Tagebuchautors können wir mit den eigenen, etwas enigmatischen Worten des Künstlers wiedergeben: Umwandlungen und Kreuzungen. Mit diesen beiden Begriffen bezeichnete Mednyánszky seine Erfahrung mit der Erscheinungswelt, die er als zwiespältig empfand, und das Kunstgestaltungsprinzip, das er aus dieser Erscheinungswelt als Muster ableitete. „Diese Frage beschäftigt mich sehr, denn ich muss eine Regel, ein Gesetz finden, wonach bestimmte Dinge umgekehrt oder wonach in der Ideenwelt bestimmte Dinge gekreuzt werden." 37 Da Mednyánszky 1892 bereits im Besitz dieses „Gesetzes" arbeitete, können wir vorläufig nichts über den Ursprung desselben sagen. Sicher ist jedoch, dass er auf eine beständige und umfassende Sache gestoßen war. Unter Umwandlungen und Kreuzungen verstand er Gegensätze, entgegengesetzte polare Werte, Verkehrtheiten, Widersprüche, Dichotomien, Paradoxa, auseinanderstrebende Kräfte und Dualitäten, aus denen sich die Dynamik des menschlichen Lebens oder der kosmischen Existenz ergibt. Kontrapunktische Entsprechungen finden sich in seinen Tagebüchern zuhauf. „Heiter und traurig", „ruhig und gespannt", „kalt und warm", „bewusst und unbewusst", „konkret und allgemein", „außen und innen", „Licht und Schatten", „menschlich und tierisch", „endlich und unendlich", „Mensch und Maschine", „Vernunft und Gefühl", „Winter und Sommer", „Frühling und Herbst", „Sonne und Bewölkung", „klare Luft und Nebel", „Morgen und Sonnenuntergang", 38 „Himmel und Erde", „Materie und Geist", „hell und dunkel", „Leben und Tod" - waren Mednyánszkys wiederkehrende Begriffspaare. Sie beziehen sich sowohl auf die wahrnehmbare als auch auf die übersinnliche Welt. So schreibt nur jemand, der methodisch denkt und als Künstler bewusst aufbaut. „Das moderne Leben muss mit großen und malerischen Gegensätzen wiedergegeben werden." 39 Diese Dualität wird in seinen Aufzeichnungen mit persönlichem Bezug besonders anschaulich und interpretierbar: „Die Jugend hat die frische Stimmung des Blaulila, an der eine andere, gegensätzliche Stimmung, der Krieg, vorbeizieht. Für mich hat das geradezu prophetischen Charakter, da der Kontrast zwischen dem friedlichen alltäglichen Leben und den Aufregungen des Krieges das Wesen meines Lebens ausmacht.'" 40 Das obige Zitat stammt vom Januar 1894, als Mednyánszky Sewastopol von Tolstoi las. Auf das Werk kommt er auch am nächsten Tag zurück. Er bewundert die auf dem Feld liegenden Verwundeten und Toten, die Bombe, die in den friedlichen Frühstücksraum der Offiziere hineinexplodiert, den Pulverstaub, der die Fenster verdunkelt, und das die Friedlichkeit störende Durcheinander als schönen Anblick. Aus den wenigen Zeilen, die er dem Lektüreerlebnis hinzufügt, erhellt, dass er eigentlich die Ausdruckskraft des großen Vorbilds Tolstoi, seine Konsequenz in der Wahrheitssuche bewunderte und dass er in seiner Phantasie das schriftstellerische Bild schon in ein malerisches Bild umwandelte. „Das Gefühl, das er in mir weckte, ausgedrückt in spezieller, klarer, doch sonnenloser Milchigkeit, mit naiver Natürlichkeit, ist weit entfernt vom konventionellen Realismus, etwas in der Art der altdeutschen Meister, die Liebenswürdigkeit selbst und Melancholie. Die freundliche, liebenswürdige Art des Leidens, unter Vermeidung aller brutalen Züge. In grünem Gras lila Schatten. In der physiologischen Wirkung einiger Farben liegt eine unbewusste (sadistische) Vertraulichkeit, so wie ein Kind empfinden würde, das neben der Kirche im Gras spielt und sich plötzlich an der Ecke einer feuchten, dunklen Mauer in einer Krypta wiederfindet." 41 In dem Wunsch, das selbst erleben zu wollen - „Hätte ich in jungen Jahren am Krieg teilgenommen!" - tritt uns ein Mednyánszky der mit eiserner Konsequenz zu Ende gedachten Paradoxa entgegen. Die friedliche Landschaft, die anmutige Natur werden von nun an häufig zu verdächtigen Bereichen der Gleichmütigkeit und Teilnahmslosigkeit, damit sich darin die Qualen des Menschen überzeugend aufheben {Gefallener russischer Soldat, Kat. 275). Den kühnen Versucher der feuerspeienden Berge Siziliens, den Bewunderer des „schönen" Anblicks der Hochwasser der Waag lockten die Naturgeheimnisse auch dann, wenn er sich aufmachte, einen Menschen zu retten. Und vorausschauend erblicken wir in diesen Zeilen auch schon den eigentlich zu alten, freiwilligen Kriegsmaler, der 1916 die Geschichte als „eine neue Welt auf alten Ruinen" 42 apostrophiert. Die Texte sind wichtig, denn sie helfen uns, die vermeintliche Widersprüchlichkeit des sich selbst erziehenden altruistischen 43 bzw. permanent mit Schreckensvisionen und Katastrophen ringenden Mednyánszky, den Privatmenschen in seinem nie aufhörenden Bezug zu den „malerischen Interessen" klarer zu sehen. Wir sollten nicht vergessen, dass der Künstler des 19. Jahrhunderts, ganz gleich, wo er auch ist, ein „Weltauge" sein muss. Aus der Reihe der schöpferischen Paradoxa sei noch eines hervorgehoben. Die Bemerkung stammt ebenfalls von 1894: „Das Unabhängigwerden ist das neue Leben. Das Elend und seine Poesien. Ihre Auswirkung auf die Kunst und die Literatur." In dem Vorschlag, den Mednyánszky Gyula Pékár unterbreitete, gewann dies an Form: „hingehen und so leben wie die armen Arbeiter [...] einfach eine Wohnung nehmen, irgendwo in der äußeren Vacistraße, und eine Zeitlang dort so leben und herumgehen, als würde man Arbeit suchen (dabei schauen und füh-