Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Erzsébet Király: Der Maler der „düsteren Schönheit". Skizze zum romantischen Mystizismus Mednyánszkys

Dichterin Minka Czóbel. Zu seinem Anhängerkreis gehörten auch noch der ebenfalls jung verstorbene Graf Lajos Széchényi, Graf Géza Batthyány und Graf István Csáky. 13 Der in Fuimus als Poldi auftretende Mednyánszky erhielt seine Romangestalt durch die typisierende Absicht des Autors und die reflexive Selbstbetrachtung dieser kleinen intellektuellen Elite. Diese Elite erwartete von der auf ihre Erbansässigkeit stolzen, aber historisch erschütterten Klasse einen klugen, westlich gebildeten, zu den Seinen hingegen stets zurückkehrenden, romantisch empfindenden „homo novus". Sein Weg verlief pragmatisch: von einem geborenen Aristokraten zu einem freien Aristokraten des Geistes. Doch war es unmöglich, die Zeit zu überleben, über sie hinauszugehen und das Rad der Geschichte ein für allemal zurückzudrehen. Nicht weniger eitel war die Illusion, „die Einbettung in die Rasse" zu bewahren und sich gleichzeitig mit individueller Anarchie dagegen zu wehren. Notwendigerweise wird Lipót Czobor im Roman zu einer einsamen Figur. Er sagt von sich selbst: „Ich bin aus festem, undurchdringlichem Material, mich kann keiner durchschauen." 14 Es hat keine Bedeutung, dass Mednyánszky in diesem Werk als Maler auftritt, und er wird auch nicht beim Malen beschrieben. In Wahrheit könnte er seine literarische Rolle ebenso gut erfüllen, wenn er zufällig Dichter wäre. Wichtig ist nur, dass dieser Maler-Dichter mit Rousseau'scher Andacht einsam durch die Natur wandelt und hier die an die menschliche Gesellschaft gerichteten dunklen, herbstlichen Zeichen entziffert. „Wir sind alt, Junge ... die Letzten, begeben wir uns zu den Ruinen, dort ist unser Platz. Der Frühling ist feucht, die Blüten werden welk, und wohin wir gehen, da öffnen sich welkende Blüten in unseren Herzen." 15 Das erfasste Justh aus der lebenden Kopie seines Modells, das hielt er für charakteristisch, aber er schöpfte es in seinem Werk nicht aus. Denn er war schon vor Jahren zu der Ansicht gekommen, dass der Mednyánszky, den die Kunstgeschichte verzeichnete, in Wahrheit eine nicht zu enträtselnde Erscheinung war. „Er ist der am tiefsten schöpfende und auch am schwierigs­ten zu verstehende ungarische Maler. Er breitet seine ganze Seele vor uns aus, aber wer sieht schon in den tiefsten Winkel der Seele? Viele sind es bestimmt nicht. Wir spüren, dass dieser Mensch träumt und etwas in der Welt der Träume sucht, das er im Leben nicht gefunden hat. Wir spüren, dass dieser Mensch leidet, mehr als die anderen, und deshalb auch besser als die anderen zu trösten vermag. Wir spüren, dass dieser Maler anders ist als die meisten und seine Bilder deshalb aller Deutlichkeit zum Trotz immer und ewig mystisch bleiben werden." 16 So schrieb Justh in der Zeitschrift A Hét und bewertete zusammenfassend die Landschaftsbilder Mednyánszkys als Ausdruck der Vergänglichkeit und seine figürlichen Bilder - die er Genrebilder nannte - als Träger der Leidenschaft. Auch die besten Freunde Mednyánszkys behaupteten nicht, den Künstler vollkommen zu kennen und wirklich zu verstehen. Das literarische Erbe von Zsigmond Justh ging zusammen mit Mednyánszky an seine Schüler Dezső Malonyay und Gyula Pékár. Ersterer widmete Mednyánszky 1905 eine Monographie, in der er der schriftstelle­rischen Methode nach Taine und dem erstarkenden Nationaldarwinismus wenigstens ebenso huldigte wie dem Gegenstand seines Werkes. Die persönliche Bekanntschaft und freundschaftliche Beziehung zu Mednyánszky bewirkte bei Malonyay und Pékár nur so viel, dass sie die Legende des Malers und sein künstlerisches Prestige auf­rechterhielten und weitergaben. Nicht umsonst wird in Fuimus auf die „feste Undurchdringlichkeit" des Malers ver­wiesen. 17 Nach der Jahrhundertwende wäre die Erforschung Mednyánszkys nicht mehr Aufgabe der Schriftsteller und Kulturpolitiker, sondern der Kunstwissenschaft gewesen. Doch mehr Bücher oder größere Synthesen sind zu Lebzeiten Mednyánszkys nicht erschienen. Es blieb bei der Kunstkritik, die im allgemeinen die eilig aus der deutschen ästhetischen Schule des 19. Jahrhunderts gewonnene psychologisierende Methode nach den funktionellen Anforderungen der Tagespresse ausrichtete. Unter den flüchti­gen Werkkritiken, die in der Vorausvergabe der „faculté maîtresse" des Meisters und der schwermütigen Stimmung fast übereinstimmten, fanden sich nur wenig beachtenswerte. Unserer heutigen Interpretation kommen jedoch ein-zwei Kritiken etwas näher. Zum Beispiel einige Zeilen von József Yartin [Nyitrai], die 1898 in der Zeitschrift Uj Idők erschienen und in denen ich eine kleine Kostprobe der „einfühlenden" bzw. sich mit dem Werk rezeptiv identifizierenden Methode von München Ende des 19. Jahrhunderts sehe. Mednyánszkys Gemälde Dämmerung (Kat. 101) lobt Yartin wie folgt: „Nur ist es keine Dämmerung, und er empfindet es auch nicht so. Als er diese gespaltene Felswand und die bis unter das Wasser reichende Höhle erblickte ... brachte diese stumme Einsamkeit, dieser Vorahnungen weckende Anblick in seiner schwermütigen Seele eine Saite zum Klingen, Gedanken beweg­ten ihn, die er auf der Leinwand zum Ausdruck brachte ... wozu? Wer vermag es zu sagen?" 18 Der gleiche Autor schrieb 1903 in A Hét: „Die große Natur und er. Er allein unter den Lebewesen. Das ist sein großes Recht, an dem wir nicht rütteln können, mit dem wir uns abfinden müssen ... obwohl auch zutrifft, dass es so etwas wie seine imaginäre Welt in der Natur nicht gibt, diese stumme, geräuschlose, unheimliche Welt. Denn so ist sie in der Tat! Wenn mich plötzlich eine solche Dämmerung im Sumpf, inmitten endloser Stille umfangen würde, wie sie den Betrachter seiner Leinwand erfasst, dann würde ich vor Schreck erstarren und beklommen zum Horizont schauen, ob das Himmelszelt nicht von einer positiven, mir vertrauten Helligkeit durchbrochen würde, um möglichst schnell das um mich herum aufsteigende, braune Zwielicht zu verjagen, in dem unbekannte Mahre, Hexen und verwun­schene Geister einer sagenhaften, nie gesehenen, schwefligen Welt mich umfliegen und umschwirren, und einem unbekannten Schicksal entgegentreiben." 19 Das ist auch in seinem bewussten Subjektivismus eine klare Sprache, die der Auftakt zum folgenden Kapitel sein könnte. Sie signalisiert uns, dass wir in Mednyánszkys Werken auf eine von innen heraus umgeformte Wirklichkeit stoßen und dass seine Bilder einen gewichtigen Inhalt haben, eine Bedeutung tragen. Die ungarische künstlerische Öffentlichkeit mag diesen Bedeutungsgehalt vielleicht geahnt haben, die Entschlüsselung überließ sie jedoch der analysierenden Fachliteratur. Das wichtigste Forum wäre seinerzeit die von Károly Lyka herausge­gebene Zeitschrift Művészet gewesen. Dort gab es aber für derartige Analysen nicht wirklich Raum. Lyka selbst - der übrigens in der Zeitschrift Új Idők noch unmittelbarer Arbeitskollege von Yartin und in jungen Jahren sein Reisegefährte in Italien gewesen war, zudem für Mednyánszky und das ganze ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert die höchste Autorität darstellte - hätte zu der Zeit Ähnliches über Mednyánszky nicht mehr geschrie-

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