Mikó Árpád – Sinkó Katalin szerk.: Történelem-Kép, Szemelvények múlt és művészet kapcsolatáról Magyarországon (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2000/3)
GESCHICHTE - GESCHICHTSBILD - Einführung in die Ausstellung
ral Hentzi und Königin Maria Theresia verweisen darauf, daß nach der symbolischen oder tatsächlichen Vernichtung des Denkmals und seines Standortes die Fragmente als Dokumente der Ereignisse sowie als eigenartige Reliquien des Talents des einstigen Künstlers zuweilen in den Museen, den Sammelstätten des nationalen Gedächtnisses Zuflucht finden. XV. Antihistorismus: Die Befreiung der Vergangenheit aus der Gefangenschaft der Geschichte Die europaweit aufgekommenen Kunstbewegungen der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts verwarfen nicht nur die akademischen Traditionen, sondern auch den Historismus selbst. Das Weltbild der Vertreter des Realismus, des Naturalismus oder des Impressionismus war gleicherweise von entschiedenem Antihistorismus gekennzeichnet. Sie wiesen nicht nur die Befolgung alter Beispiele zurück sondern auch jede Form der Heraufbeschwörung der Vergangenheit: das Spiel mit den alten Stilen durch Kostümierung, die Vorführung historischer Ereignisse in der Art von lebenden Bildern, aber vor allem die Vergegenwärtigung der Geschichte als eine Realität der Ideen, die Allegorisierung der Geschichte. Mit Antihistorismus bezeichnet man die umfassende Tendenz, die die meisten Künstler ergriff und seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts auch in Ungarn auftrat, die für all jene Richtungen die Grundlage bildete, die man je nach ihren Zielen unter den Namen Realismus, Naturalismus oder - einschließlich der künstlerischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts - Modernismus zusammenfaßt. Diese künstlerischen Bewegungen verkündeten ihre Akademiefeindlichkeit als Programm, aber das war nur eine der Manifestationen der umfassenderen und tieferen Tendenz der Geschichtsfeindlichkeit. Ihr Antihistorismus kam in der völligen Verwerfung historischer Themen und der Ablehnung der Wiederbelebung alter Stile gleicherweise zum Ausdruck. Andere haben die Bearbeitung historischer Themen nicht vermieden, nur die Geschichtsauffassung des 19. Jahrhunderts, die Idee des historischen Fortschritts und die eng damit zusammenhängende Historisierung. Die Zweifel am Sinn und an der Deutbarkeit der Vergangenheit warfen aber einen drohenden Schatten auf die Gegenwart selbst, die ohne die Vergangenheit ihr Gewicht verlor und fast völlig zusammenschrumpfte. Für die modernen Künstler, die mit den Daseinsproblemen des modernen Menschen konfrontiert wurden, ist das Verhältnis zur Vergangenheit zu einer persönlichen und existentiellen Frage geworden. Auf diese Fragen fanden sie von den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts an, und finden sie auch heute unterschiedliche Antworten: Einige konzentrieren ihren Blick statt auf die entkräfteten Traditionen bewußt auf das Kommende und schaffen ihre Werke unter dem Bann der Zukunft, für andere bedeuten hingegen die aus der kollektiven Vergangenheit ausgewählten Gegenstände Bestandteile ihrer verinnerlichten persönlichen Welt und das Terrain der künstlerischen Schöpfung. Die ersten Keime des vorsätzlichen Antihistorismus lassen sich bereits in den ersten Münchner Bildern mythologischen Themas von Pál Szinyei Merse entdecken. Seine Faun-und-Nymphe-Szenen, seine Heidentumbilder, sind keine Illustrationen mythologischer Geschichten - diese Bilder haben eigentlich keine nacherzählbare Geschichte -, sondern gleichsam nur bildlich geformte „Hülsen" von Vorstellungen über das menschliche Dasein, die Freude, die Geburt und den Tod, die Macht der Gefühle. Das allgemein menschliche an diesen Bildern brachten Szinyei, wie auch seine Zeitgenossen und Nachfolger, mit dem Akt zum Ausdruck. Aus diesem Grunde sind diese Werke von kaum identifizierbarem Thema entstanden, die die Mythologie nur als Kostüm tragen, bei denen aber von Fall zu Fall auch der Titel den existentiellen Sinn andeutet. So ein Werk ist zum Beispiel Bertalan Székelys Fries-Folge von spielenden Putten, die der Künstler einfach Leben nannte. Die Aktkompositionen späterer Generationen, von Károly Ferenczy, Bertalan Pór, Károly Kernstok oder Erzsébet Korb, tragen oft ebenfalls derartige Titel, die auf das menschliche Schicksal im allgemeinen hinweisen, zum Beispiel Sehnsucht nach reiner Liebe oder Vision. Für Darstellungen der Vorzeit, für Bilder mythischer Zeiten konnte aber nicht nur die griechische Mythologie einen Rahmen geben, sondern auch die ungarische Vorgeschichte, die mythische Welt der hunnisch-skythischen Herkunft. Der Künstler der lahrhundertwende suchte seine Identität in diesen Geschichten oder in imaginären Landschaften, in umgedeuteten Visionen. Das paradiesische Bild der hunnisch-skythischen Urheimat wird bei Tivadar Csontváry Kosztka zu Visionen stilisiert, die im Licht des Orients aufleuchten: er schuf in seinen Zedern und im Bild von Baalbek eine eigenartige Einheit der Welt des kollektiven und persönlichen Mythos. Diese Auffassung der Vergangenheit ist bei aller persönlichen Note - gerade wegen der Entfernung von den kollektiven Vergangenheitsbegriffen - oft auch fragmentarisch. Die Geschichte als ganzes, als „kollektive Narrative" hat zwar keine Gültigkeit mehr, aber ihren erhaltenen Objekten, ihren Torsos von rätselhafter Bedeutung, werden im Laufe der künstlerischen Bearbeitung neuartige Werte zugesprochen. Daraus wird eine neue Gattung geboren: die als Torso angelegte Skulptur. Aus der Reihe dieser Werke wollen wir Dezső Bokros Birmans Ulysses erwähnen. Für den modernen Künstler ist die Vergangenheit keine Art kostümierter Triumphzug - wie sie im 19. Jahrhundert erlebt und auch gestaltet wurde -, sondern eine durch überlieferte Bruchstücke erlebbare Wirklichkeit: archäologischer Fund, eigenartige und exotische Landschaft, Erinnerungsbild imaginärer innerer Fahrten. Für diese geheimnisvolle Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart könnte Károly Ferenczys Bild Archäologie (1896) - ein Dokument seines endgültigen Bruchs mit dem Historismus - als Schlüsselwerk verstanden werden.