Mikó Árpád – Sinkó Katalin szerk.: Történelem-Kép, Szemelvények múlt és művészet kapcsolatáról Magyarországon (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2000/3)

GESCHICHTE - GESCHICHTSBILD - Einführung in die Ausstellung

Wie es Oscar Wilde in seinem Werk Die Wahrheit der Masken. Bemerkungen zur Illusion formulierte: „Die Kunst, und nur die Kunst, vermag die Archäologie zu einem erhabenen Ding zu machen. .. Ihr Wert hängt einzig da­von ab, welchen Nutzen sie hat, und nur der Künstler kann sie nutzen. Um Material wenden wir uns an die Archäologie, um ihre Benutzung an den Künstler". Für die Künstlergenerationen nach der Jahrhundertwende bestimmte den Wert der Gegenstände aus der Vergan­genheit nicht ihr angenommener Stellenwert in der Ent­wicklung, sondern einzig ihr ästhetischer Wert für die Gegenwart. Obwohl die Verneinung des Kanons des Historismus zu einer Art Eklektizismus führte, meinte diese Generation, daß unabhängig von der Entstehungs­zeit und dem Entstehungsort der Denkmäler früherer Kunst alles wahrhaft Schöne miteinander harmoniere. Die fremdartige, fragmentarische Schönheit der aus der Vergangenheit überlieferten Gegenstände definierte Wil­de in seinem angeführten Werk als „Wahrheit der Mas­ken", und damit waren auch so manche ungarische Künstler einverstanden. Denken wir nur an Lajos Gulá­csys Rosenkavalier, an die grotesk-schönen Werke von János Vaszary oder Adolf Fényes, in denen die Vergan­genheit als ernsthaft-spielerische Maskerade begriffen wird. „Alles, was schön ist, stammt aus einer Zeit" ­spricht Oscar Wilde das eigenartige künstlerische Axi­om des Fin de Siècle aus. XVI. Fundbergung aus dem Labyrinth der Vergangenheit Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts begannen sich mehrere ungarische Künstler mit der Welt der zu­vor von der modernen Kunst programmatish zurück­gewiesenen Geschichte zu beschäftigen. Sie bemühten sich um die „Erschließung" von als verloren geltenden Funden alter Zeiten, sie malen die Ruinen von Kirchen unbekannter, alter Städte, Romanische Christusfiguren und deren Fragmente, nicht entzifferte Inschriften, wie Lili Ország, locken den Betrachter durch Tore mit verrenk­ten Flügeln in Spiegelwandsäle der Vergangenheit, wie Erzsébet Schaar. Die „Labyrinthkunst" bringt auch seit­dem immer neue Kunstwerke hervor. Man begegnet in den Ausstellungsräumen „Überbleibseln" unenträtselter, eigenartiger Gegenstände und nie gewesener Kulte. So manche scheinen aus vorgeschichtlichen Zeiten aufge­taucht zu sein, wie auf den Bildern der Folge Wachsende Stadt von István Geller B., andere beschwören Ornamen­te, Themen oder allgemein bekannte Werke alter Zeiten herauf, wie László Lakner in seiner Rembrandt-Studie. Sie huldigen den Großen der ungarischen Kunst und Lite­ratur mit Werken von persönlichem Ton, wie Miklós Melocco dem Dichter Endre Ady mit seiner Plastik, die den Titel von dessen Gedichtband Den Toten voran trägt, oder Béla Kondor dem Rokoko-Dichter Csokonai in Kon­versation mit der Muse der Dichtung. Diese Art der Beschäftigung mit der Vergangenheit unterscheidet sich aber von Grund auf von der im Hi­storismus gewohnten. Keine Spur von der Herauf­beschwörung der angenommenen ideellen Wirklichkeit der Geschichte, von der allegorisierenden Darstellung der Vergangenheit. Diese Welt bleibt fremd, wie eine exotische Gegend, aus der uns der Künstler seine schmerzlichen, nostalgischen oder auch ironischen Auf­zeichnungen zuschickt. Seine Ironie ist berechtigt, denn die Geschichte des gesamten 20. Jahrhunderts bezeugt, daß sich im Hintergrund der historisierend-repräsenta­tiven Geschichtsbildern, meist kaum verhüllt, die amo­ralische Welt der Machtspiele des Jahrhunderts, das den Untertanen eingedrillte Geschichtsbild der Totalitaris­men auftut. Aus dem Instrumentarium der Symbole der letzteren versetzen einige Künstler das eine oder das andere in einen neuen Kontext, um die unerträgliche Fremdartigkeit der Rhetorik der erlebten Welt zum Aus­druck zu bringen (Sándor Pinczehelyi: Die Waffen des Proletariats. Sichel und Hammer). Nach der Auffassung anderer Künstler sind hingegen die vertrauten, auf uns gekommenen Bilder der Geschichte nur alter Kram, der jedoch unsere Welt gemütlich macht. Es gibt auch Künstler, die uns die Augenblicke der gegenwärtigen Welt als Vergangenheit vorführen. Ihre Momentaufnahmen scheinen die tiefe Kluft zwischen Gegenwart und Vergangenheit außer acht zu lassen: Was sich eben ereignete, wird als vor hundert Jahren gewe­sene dargestellt, dafür werden aber alte Requisiten als heute gebräuchliche Gegenstände eingesetzt. Es hat den Anschein, als hätte sich im Vergleich zu früheren Epo­chen das Verhältnis von Geschichte und Kunst umge­kehrt. Während im 19. Jahrhundert die Geschichte die Kulisse abgab, vor der die künstlerische Phantasie ihre sich wandelnden Bilder spielen ließ, ist heute einzig die Kunst dazu fähig - so behaupten jedenfalls die Künst­ler, die das Labyrinth durch wandelten -, die Vergangen­heit mit der Gegenwart tatsächlich zu verbinden; nur der Künstler vermag für uns die versunkene Welt der Ver­gangenheit zu erschließen, aber auch so können wir nur Fragmente daraus kennenlernen. Eine Rekonstruktion ist nicht möglich, oder wenn doch, so nur eine persönliche.

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