Mikó Árpád – Sinkó Katalin szerk.: Történelem-Kép, Szemelvények múlt és művészet kapcsolatáról Magyarországon (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2000/3)
GESCHICHTE - GESCHICHTSBILD - Zusammenfassungen der Beiträge
liches. Die Geschichte des Reichs Gottes (der civitas Dei) hat einen Ablauf wie das Menschenleben: Nach dem Säuglingsalter, der Kindheit, der Pubertät, dem Jünglingsalter, dem Mannesalter, dem Altern und dem Greisenalter gelangt sie zum Jüngsten Gericht. Darauf folgt die selige Zeit des Tausendjähringen Reichs Christi und die Ewigkeit. Der Protestantismus machte sich die Geschichtsauffassung des heiligen Augustinus eigen - Luther war ja zu Beginn selbst ein Augustinermönch. Es ist daher verständlich, daß der Bewegungsraum des geschichtlichen Denkens in Ungarn zur Zeit der Renaissance und des Barock zum überwiegenden Teil von dieser Tradition bestimmt war. Es ist bekannt, daß die literarischen Werke aus dem Bereich der protestantischen Kirchen - eine unendliche Reihe von Kommentaren zu den Offenbarungen Johannis und Beschreibungen des Himmels größtenteils an das unerschöpfliche Thema des Jüngsten Gerichts anknüpfen, aber auch die katholische Literatur und sogar die weltliche Lyrik blieben nicht unberührt von diesem Gedankenkreis. In der ungarischen Geschichtsschreibung wurden die Ebenen der profanen, „nationalen" Geschichte und der „heiligen", auf der Bibel begründeten Universalgeschichte von Beginn an miteinander verwoben. Die „nationale" Geschichte hat sich allmählich sakralisiert, fügte sich also in das historische Weltbild der Bibel und des Christentums ein. Zugleich füllte sich die „heilige" Geschichte mit „nationalen" Inhalten auf. In den Predigten wurden die Bibelworte immer aktualisiert. Die klassische Interpretation (interpretatio classica oder interpretatio romána) bemühte sich, die Nationalgeschichte an das von vornherein verzerrte Geschichtsbild der klassischen Antike anzupassen. Hinter den Bemühungen, die Vergangenheit auf Hochglanz zu polieren, und in rhetorischen Umdichtungen nach ruhmreichen Ahnen zu suchen, standen immer ganz bestimmte politische Absichten, das Ziel war immer von Interessen bestimmt, es galt nicht, die Wahrhrheit aufzuzeigen. Die einfachste und am meisten verbreitete Methode der Umgestaltung der Geschichte war die figürliche Geschichtserzählung durch historische Allegorien. Die jüdischen Propheten verwendeten seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. Allegorien von großer poetischer Kraft, sie unterstrichen ihre Aussage durch historische Gleichnisse. „Ninive" stand zum Beispiel für Juda und Israel. Aus dieser Deutungstechnik sind die aufeinander aufbauenden Bedeutungsschichten der jüdischen und der christlichen Exegese hervorgegangen. Durchtränkt durch diese symbolische Sprechweise der Propheten, bestimmte die Geschichtsauffassung der Reformation auch die apokalyptische Betrachtungsweise der ungarischen Geschichte. Zur protestantischen Umformulierung der ungarischen nationalen Tradition bot die ursprünglich jüdische Idee der „Auserwähltheit" die Grundlage. Der ungarische Protestantismus, der sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entfaltete, sagte der bildlichen Darstellung den Kampf an. Im Instrumentarium der Reformationspropaganda trat an die Stelle der Biblia pauperum, also der Bilder, das Wort, also die aufkommende Belletristik in der Muttersprache. Das „Weib, bekleidet mit der Sonne", das zuweilen auch in der Dichtung der Reformation auftaucht, ist zum Beispiel nichts anderes als die mystische Braut Christi, der am Ende der Zeiten wiederkommt, das heißt die Gemeinschaft der Gerechten, Ecclesia, Verus Israel. In den nomadisierenden Reitervölkern, die an den Grenzen des Römischen Reichs immer häufiger auftauchten, wurden immer wieder die „Satansvölker" vom „Ende der Zeiten" erkannt. So sah das eingeschüchterte Europa auch in den von Osten her mit Pfeilen angreifenden Ungarn eines der biblischen „unbarmherzigen Völker". Geschichten über die apokalyptischen Reitervölker waren in fast allen Gebieten Europas wohl bekannt, aber dafür findet sich kaum ein zweites Beispiel, daß eine Nation die Identität mit dem „Feind der Endzeit" in sein „nationales Bewußtsein" integriert hätte. Dies war aber zu jeder Zeit ein bestimmender Faktor der historischen Selbstkenntnis der Ungarn. In der von Sündenbewußtsein gequälten protestantischen Geschichtsbewußtsein des 16. lahrhunderts symbolisierten die mit satanischen Farben gestalteten Gog und Magog - Attila und seine hunnischen Horden - immer mehr die Türken. Die protestantischen Autoren sympathisierten meist mit den gequälten Opfern Attilas. Ungarn und Türken waren in ihren Augen gleicherweise Mittel des göttlichen Willens: Sowohl Attila als auch der türkische Sultan galten als Geißel Gottes gegen die Sünden. Die Gestalt des Hunnenkönigs mit dem teuflischen Gesicht wurde allmählich mit der fürchterlichsten Figur der Apokalypse, mit dem Antichristus verwischt. Im 16. Jahrhundert wurde in Ungarn die gleiche, aus dem zweiten Makkabäerbuch wohlbekannte Geschichte vom Märtyrertod des Schriftgelehrten Eleasar und der sieben jungen Bekenner und deren Mutter gleich dreimal in gereimten biblischen Historien bearbeitet: Sie erlitten während der Judenverfolgungen unter dem Seleukidenherrscher Antiochus Epiphanes, 167 v. Chr. den Heldentod. Der tyrannische König wollte sie vom Gesetz Mose abbringen und sie zunächst mit guten Worten, dann unter Bedrohung zum Verzehren von Schweinefleisch überreden. Da sie dies der Reihe nach zurückwiesen, wurden sie so lange gefoltert, bis sie alle gestorben waren. Zuletzt wurde die Mutter der sieben Jünglinge vor den König geführt, die ihren Jüngsten hätte retten können, falls sie ihn von seinem Glauben abgebracht hätte. Die Frau sprach ihm aber Mut zu, dem Beispiel seiner Brüder zu folgen, worauf beide hingerichtet wurden. Wie konnte wohl aus dem original jüdischen Topos ein unverfälschtes protestantisches Gleichnis werden? Die Antwort liegt in der eschatologischen Symbolik der Geschichte. Nach mittelalterlicher christlicher Auffassung symbolisierten die Makkabäer-Märtyrer die Gesamtheit der Märtyrer und die Gesamtheit der durch sie beschützten Gemeinschaft. Antiochus Epiphanes, der „letzte Tyrann", wird in den mittelalterlichen Kodizes als Antichristus dargestellt, in seinen Opfern tritt hin-