Veszprémi Nóra - Jávor Anna - Advisory - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2005-2007. 25/10 (MNG Budapest 2008)

STUDIES - Miklós MOJZER: Der historische Meister MS sive Marten Swarcz seu Martinus Niger alias Marcin Czarny, der Maler des Krakauer Hochaltars von Veit Stoß II. Teil. Krakau und Nürnberg im Jahr 1477 und davor

füllt" (Schenkendorf, Der Berggeist.) Vgl. J. und W. Grimm: Deutsches Wör­terbuch, III, 1862, 1433. Weiters: feien = schützen (durch vermeintl. Zaubermittel, gebräuchlich ist u. a. das Partizip „gefeit". Meyer's Enzyklopädisches Lexikon, VIII. Mannheim­Wien-Zürich 1973, 579, 605. Auf der Bahn der Ideen, Objekte und Symbole, die zur Signatur von Veit Stoß - und dann zum Blatt der Heiligen Familie - führte, stand wohl noch ein Werk in Bild und Wort bereit, ein Heftchen von Johannes Geiler von Kaysersberg: Ein heylsame lere und predig, illustriert durch einen einzigen Holzuschnitt. (Strass­burg 1489 (1490), herausgegeben von Peter Attendorn in Köln. Vgl. G. Bauer: Sämtliche Schriften, Johannes Geiler von Kaysersberg. Berlin 1989 (Ausga­ben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, T. Vi, 20-25). In der Illustration laufen die Zweige und Blätter des Baumes des Alphabets in 23 Buchstaben aus (sämtlich Minuskeln), um sich im Text in devisenartigen Mah­nungen fortzusetzen, deren erstes, maßgebliches Wort jeweils zu einem Buch­staben gehört. So läßt sich das Schriftzeichen, zusammen mit seiner Stelle am Baum, leicht merken, und der Schreiber oder der Redner selbst haben (als Vor­läufer der modernen PCs) „key words" zu den Maximen zusammengestellt. Der Redner tut dies, indem er Zacheus als Vorbild anfuhrt, der auf den wilden Fei­genbaum kletterte, um Jesus zu sehen und erinnert daran, daß auch der Fürst der Vögel, der Adler den Rest seiner Beute anderen überläßt: „also wenn er sein speiß genympt darnach läßt er all fögel geniessen das im überbeliben ist" usw. Dieses Bild ist mit seinem poetischen Inhalt auch heute bezaubernd, obwohl es sich „nur" um einfache Prosa handelt, zauberhaft erhaben und alltäglich zu­gleich. Israhel van Meckenem und Marten Swarcz, d.h. Czarny haben die Gren­zen der Möglichkeiten von Laub und Buchstaben erweitert (nicht zu vergessen: auch der Hausbuchmeister), aber der Text und das Bild Johannes Geilers könn­ten dürften dem Meister nochmals auffallen und ihn mit dazu veranlassen, nach den Zwickauer Tafeln und der (bereits fertigen!) Krakauer Altarkonstruktion darüber nachzudenken, wie er sich selbst als einen stillen, aber hochrangigen Mitwirkenden an der Heilsgeschichte nennen sollte. Vielleicht gefiel ihm die Aufforderung, „Prauch frembd schaden, und stoss dich daran, was du siehest", wobei er mit seinem Namen angesprochen wurde. Oder die Mahnung beim Buchstaben f: „Füge dich zu guter geselschafftc, nymme die zu geferten auff dem wege die ir angesicht gerichtet habent mit wercken. weysen und Worten, gegen dem vaterland dahin du mute hast, der selben wandel fleisse dich und wandel als sy wandeint." Der zauberhafte Buchstabenkreis des Laubs regt den Suchenden, der etwa danach forschen möchte, was für eine „Maynung" oben in der Mitte (zu beiden Seiten reihen sich je 11 Buchstaben aneinander) ver­borgen ist, zur Anwort an (in der in Marmor gehauenen Signatur auf dem Grab­mal ist das Zeichen aus Schild und Doppelkreuz die „inhaltliche Mitte"). Genauso beim 18. Buchstaben: Vom Buchstaben S unterscheidet sich das f an gleicher Stelle der anderen Seite kaum, nur durch einen kleinen Strich (auch das ist ziemlich nah verwandt mit der Anordnung der Veit-Signatur). „Nennen solt du dich unnd schäczen." sagt der Spruch bei „n", nach dem „m". Das Zet - 3 ist der letzte Buchstabe im Alphabet auflateinischer Grundlage. Bei Johannes Geiler heißt es dazu: „Zucht hab in weysen Worten und gebärden. Es sey heymlich oder offenlich. unnd also halt dich so du allein bist, als ob alle weit gegenwärtig wäre, behaltet einen menschen vor grossem übel. Amen." Dann folgt das Datum des Manuskripts, zur Hälfte lateinisch, zur Hälfte deutsch: „Anno d[omi] ni.M.ccc und in dem L xxix. jare". Im Geist der „ewigen Gegenwart" der „heylsamen 1ère" müssen wir hier etwas präzisieren. Plinius empfahl den Künstlern das praeteritum imperfectum, d.h. „faciebat"; dies wäre in der Gegenwartsform „facit". Der Prediger ermahnt dazu folgendermaßen: „Thun als ob yeglicher tag dein ganzes leben wäre"; im Fall von Stoß sieht das so aus: Der Träger des Namens konnte seinen Namen (auch bildlich) so interpretieren: Wenn das Verb feien bewappnet, (aus)rüstet, schildet, dann bewappnet ihn sein Name trotz der fünf Buchstaben mindestens zweifach und ständig. Um bei den Anfangsbuchstaben zu bleiben: der Name Stoss beginnt mit einem Schild und endet mit einem anderen als letztem, am Ende sogar verdoppelt! Daß dieses Sprach- und Buchstabenspiel ernst zu nehmen ist, dafür erbringt die Bedeutung des Namens Stoß im Turnierwesen den Beweis. Er leitete seinen Namen näm­lich nicht vom Verb stoßen her (wie es Dinglinger 1933 versuchte, in: Veit Stoß. Beiträge zu einer Lebensgeschichte und seinem Werk. Münchener Jahrbücher der Bildenden Kunst, NF X, 1933, 9-26), sondern aus der ersten Bedeutung des Substantivs Stoß, dem der Name zweifach, sogar dreifach „geschuldet", also gewappnet, Stand halten muß. Dieser Satz wäre Karl Oettingers empathischer Charakterdarstellung des Stein- und Marmorbildhauers Stoß noch hinzuzufügen (K. Oettinger: Die Schüler des Veit Stoß, Jahrbuch für fränkische Landesfor­schung, XIV (1954) 181-189). Was also auf der Marmoroberfläche des Kra­kauer Königsgrabmals zu sehen ist, könnte so in Worte gefaßt werden: Das Zeichen des Doppelkreuzes mit dem Schild feyt Stvos 1492 Der Zaubergeist des oberen steckt im Schild, der Beschützte ist der Künstler selbst. Die Berufung auf das ungarische Wappen mit dem Doppelkreuz - letztendlich auf das Kreuzreliquiar - im Meisterzeichen von Stoß ist tatsächlich einmalig: Unter dem Baldachin der königlichen Tumba wendet er sich und schaut gegen Himmel und tut dies hinter dem litauischen Doppelkreuz, gleichsam als Paral­lele dazu, zu Füßen des Königs durch sein „Form-Geständnis" und wohl „ge­wappnet", aber gerade durch die Aspiration nach dem allerhöchsten Protektor steht diese Signatur dennoch nicht ganz alleine da. Zwar erhielt Fra Guido di Pietro, d.h. Giovanni da Fiesole (fl455) erst durch den um seine Person ge­sponnenen Künstlerkult nachträglich den Namen Fra Angelico (also engelhaft); ähnlich wurde der Spanier Luis de Morales (f 1586) „il divino" (also göttlich) bezeichnet, und der kretisch-venezianische Künstler von Toledo, El Greco ("I" 1614), führte stolz seinen väterlichen Familiennamen Theotokopoulos (etwa mit dem Göttlichen verwandt). Das Zeichen von Veit Stoß war aber nur einige Jahre älter als die Signatur Michelangelos, seiner einzigen, die er hinterließ: Diese steht an seiner Pietà in der Peterskirche von Rom, in lateinischer Sprache: MICHEL'A/N/GELVS'BVONAROTVS'FLORENTIN/VS/FACIEBA/T/' (aus dem Jahr 1498/99). Darin zeichnet er sich mit dem Namen des Erzengels Michael aus („wer ist wie Gott", „prineeps aetherius") und gibt auch seinen künstlerischen Rang mit „ideal rund" („buonarotus") und als Florentiner an. Vgl. Michelangelo 1475-1564, Complete Works, ed. F. Zöller-Chr. Thoenes­Th. Popper (B. Taschen). Hong Kong-Köln-London-Los Angeles-Madrid­Paris-Tokyo 2007, 409, und aus der Literatur: A. J. Wang: Michelangelo's Signature, The Sixteenth Century Jounal XXXV/2, (2004) 447^73 mit weit­erer Literatur. Vasari hat es in der zweiten Ausgabe seiner „Lebensbeschreibungen" (1568) hinzugefügt, daß Michelangelo diese Signatur später selbst anbrachte, damit „der Schöpfer mangels einer Bezeichnung ja nicht für einen Lombarden ge­halten werde", aber er tat dies, ausnahmsweise, auch deshalb, weil er mit die­ser Arbeit „sehr zufrieden war". Wir dürfen wohl annehmen, daß es auch Stoß in Krakau mit der seinen so erging. 126 Zu Lorenz Katzheimer vgl. A. Stange: Deutsche Malerei der Gotik, IX, Mün­chen 1958,105-108. „... die Farbe [ist ] das vornehmste Element. Ein Maler von höchsten Qualitäten ist er nun: eine strichelnd arbeitende Lasurtechnik hat er ausgebildet. Edelsteinhaft leuchten die kräftigen, satten Farben" usw. 127 Es ist wohl ein Zufall, daß die Vorbereitungen zum Entwurf und zur Errichtung des Zwickauer Altars und der Krakauer Altäre im selben Jahr, 1473 begonnen werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt gab Mathias Opoczko 60 Gulden „pro nova tabula ... alias tablicza ad summum altarem in eadem ecclesia comperanda et erigenda" in Krakau und Martin Römer „vennachte dem Rate der Stadt Zwik­kau ein bei der Stadt Nürnberg stehendes Kapital zu seinem Seelgeräte", und somit zum Altar, den er bei Wolgemut wohl selbst in Auftrag gab. Es ist ja be­zeugt, daß „er sich in den Jahren 1 375-77 in Nürnberg aufgehalten hat." (Flech­sig 1928,1, 47) Was nun Stoß angeht, er dürfte um 1473/75 zuerst in Nürnberg eingetroffen sein, irgendwann nach Niclas Gerhaerts' Tod (1473), (unmittel­bar?) von Wiener Neustadt kommend, wo er in der Marmorbildhauerei einige Praxis erworben haben könnte. 128 Mit dem Krakauer Altar schuf Stoß im Vergleich zu den Riesenaltären ein in Ausmaßen und Wirkung ebenbürtiges Werk, und schuf ein Programm, das für einen Marienaltar elementar bewegt ist, aus großen bildhauerischen Einheiten besteht und gewissermaßen übertrieben männlich anmutet. Es ist auch schwie­rig, dieses Werk mit den etwa zeitglcichcn Arbeiten zu vergleichen, besonders mit dem etwas früheren Zwickauer Altar, dessen Prinzip und Erscheinung ebenso weiblich wirken wie auf dem späteren Altar die Apostel in ihren bibli­schen Rollen, sowie das Subjekt, die Herren und Diener der Passion titanenhaft wirken. Über den Krakauer Altar siehe Kahsnitz 2005, 134-163 - mit syste­matischen, vielseitigen Würdigungen und vollständiger Literatur. 129 Kahsnitz 2005, 9-39. Den Schnitzer des Zwickauer Altars betrachtet auch er vorsichtig als „Meister des Zwickauer Hochaltars". S. Roller: Nürnberger Bild­hauerkunst der Spätgotik. Beiträge zur Skulptur der Reichstadt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. München-Berlin 1999, 199-122 - „Die Werkstatt des Zwickauer Hochaltarretabels": Er hält den Meister für einen sehr guten Schnitzer, der unter oberrheinischen Einflüssen arbeitete, der sich dem Nürn­berger Milieu anpaßte, betont und ergänzt sogar den grundlegenden Umstand, daß er unter dem Einfluß der Stiche des Meisters ES stand. Auch Kahsnitz reiht diese Werke in eine Gruppe mit dem St. Michael der Nürnberger Lorenzkirche

Next

/
Thumbnails
Contents