Veszprémi Nóra - Jávor Anna - Advisory - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2005-2007. 25/10 (MNG Budapest 2008)
STUDIES - Miklós MOJZER: Der historische Meister MS sive Marten Swarcz seu Martinus Niger alias Marcin Czarny, der Maler des Krakauer Hochaltars von Veit Stoß II. Teil. Krakau und Nürnberg im Jahr 1477 und davor
Meisterrecht waren in Nürnberg keine Seltenheit. Die klangliche Verwechselbarkeit der beiden Varianten des Namens Martin Marten-Martein - macht den Beinamen des einen Kollegen wahrscheinlicher. Wer seinen Namen aus der Werkstatt in so großem Format und mit so viel Geschick gestaltete und verschleierte, war wohl von stolzer Freude erfüllt. Klang da vielleicht auch schon einige Hoffnung auf eine gute Fortsetzung mit? Wenn der Maler der beiden äußeren Rückseitentafeln aus der Fremde kam und ein „Gast-Unternehmer" war, konnte er sich in Nürnberg nicht wie ein Herr fühlen, wie etwa dreißig Jahre später Dürer während seiner zweiten italienischen Reise in Venedig? (O wy wirt mich noch der sunen friren. Hy pin ich ein her, doheim ein Schmarotzer ? è ) Der junge Krakauer konnte angesichts seiner Tafeln, zusammen mit der Werkstatt, zu Recht das Gefühl haben, als hätte er zusammen mit seinen Werkstattgenossen ein außerzünftiges (in Nürnberg gab es keine Malergilde!) Meisterwerk geschaffen. Fühlte er sich etwa wie eine Berühmtheit, die sein Inkognito bewahrte? Er hat auch wohl schon gewußt, welche Aufgabe auf ihn daheim wartete, deshalb hatte er zuvor in Nürnberg auch nicht allein gearbeitet. Zur selben Zeit, sogar im selben Bereich, in der deutschen Kunst, gab es einen anderen Maler namens Martin Schwartz (sic!), der außer in seiner engeren schwäbischen Heimat wohl auch in Franken wirkte: Er war ziemlich genau ein Zeitgenosse Martens. Er machte eine beachtliche Karriere und war, urkundlich gesichert, der Faßmaler mehrerer Figuren Riemenschneiders. In seiner einzigen, bis 1740 noch vorhandenen Signatur am einstigen (vernichteten) Schrein des Altars der Rothenburger Liebfrauenkirche (Flügelbildcr: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum) nannte er sich „frater Martinus Schwartz" (geboren um 1455, gestorben nach 1506, spätestens 1511), er war Guardian der dortigen Franziskaner. 37 Auch er kannte gründlich die Werke Schongauers, befolgte dessen Beispiel und hinterließ ein bleibendes Oeuvre. Er trat als erfahrener Maler und Meister in den Franziskanerorden ein, wo er anscheinend seine Werkstatt weiterhin betrieb, denn er hat zahlreiche seiner späteren Werke im Kloster ausgeführt. Vom Ende der 1470er Jahre bis in die 1480er Jahre befand er sich in Villingen. Hat er sich vielleicht auch bei Wolgemut aufgehalten? Es ist jedenfalls ein Zufall, daß die Laufbahn der beiden Schwartz in vieler Hinsicht parallel verlief. Schongauers Kunst hat beide grundlegend beeinflußt, und beide sind Faßmaler geworden: der eine neben dem großen Würzburger, Tilmann Riemenschneider, der andere bei Veit Stoß. Es lohnt sich aber festzuhalten, daß ihr Name nur zum Schein übereinstimmte. Der Krakauer Marten hieß Martin/Martinus mit Vornamen, während sein schwäbischer Kollege den Namen Martin erst beim Eintritt in den Orden erhielt und seinen Taufnamen ablegte. Was nun den Familiennamen Schwartz betrifft, ist es durch Dokumente belegt, daß der Franziskaner aus der ortsansässigen Familie Schwartz stammte, während bei Marten der Name Swarcz sein angenommner Beiname war, der daheim weder von ihm selbst, noch von seinen Familienmitgliedern, und unmittelbar nach seinem Tod auch von der örtlichen Administration nie gebraucht wurde. 10. DER NAME DES „MALERS MARTEN", GENANNT „SWARCZ" - IN KRAKAU Die städtische Administration von Krakau war nicht so leicht geneigt, angenommene (selbstgewälte) Beinamen zur Kenntnis zu nehmen und niederzuschreiben. In der polnischen Hauptstadt war es relativ leichter, in eine Zunft aufgenommen zu werden als einen Familiennamen eintragen zu lassen. Es genügt, auf die Handwerker des Hochaltars hinzuweisen. Der Name Stoß wurde im Fall von Veit bei etwa neunzig Erwähnungen nie (!), bei seinem Bruder Mathis ein einziges Mal bei seiner Ankunft in der Stadt und dann nie wieder schriftlich festgehalten. Bei dem Namen des Tischlers Ladislaus (Lassei tischer. Laslo tischer) wurde einmal angegeben, daß er ein Ungar war (vengrzyn), bei Bernhard aus Breslau, daß er ein Opitzer war (dies aber zu einer Zeit, als er sich nicht mehr in der Stadt aufhielt, und wo es eben darum ging, auf seine Heimatberechtigung in Breslau hinzuweisen). 38 In den Jahr für Jahr angelegten Listen der Zunftältesten mußte der Amtsträger - sofern die Zunft noch ein Mitglied mit demselben Vornamen hatte - genau identifiziert werden. So entstanden die einfachsten Unterscheidungen wie der Ältere, der Jüngere, und wenn das nicht ausreichte, trug man bekannte oder angenommene Beinamen (vulgo) ein, allerdings nur im Notfall. Für den häuslichen Gebrauch war der städtische Bürger mit seinem Taufhamen und seinem Beruf eindeutig bezeichnet. Auswärts mußte seine Stadt hinzugefugt werden, und in der Steuerliste war noch die Straße angegeben, in der sein Haus stand. Zum städtischen Gebrauch daheim genügte das. 39 Der Erwerb eines Familiennamens hing bei Handwerkern von der Ambition, dem Talent und dem Glück des Einzelnen ab. In Mitteleuropa und zum Teil in Nordeuropa über seine engere Heimat bzw. Wirkungsstätte hinaus berühmt zu werden, war ziemlich schwer. In einer Hauptstadt oder einem Landesteil einen Künstlernamen zu führen, kam mit der Erhebung in den Adel gleich (oder wäre damit gleichgekommen). Aber für ein, zwei höfische Aufträge wurde man nicht geadelt. Eine derartige Auszeichnung hätte an sich schon die Erlangung eines „Namens", eines Sippennamens, und eine mit der künstlerischen Unsterblichkeit in gewisser Hinsicht verwandte (wiewohl fiktive) historische Zukunft bedeutet. Mit diesem Namen ging auch ein Adelswappen einher. Anderswo gab es auch eine (nicht vererbbare) Variante dieses Rechts, die auf den Einzelnen, auf Lebenszeit, und nur für seine Person gültig war. Städtische Handwerker wurden aber von den Höfen kaum auf diese Weise erhoben. Es gehört freilich zur Wahrheit, daß in der ständischen Gesellschaft adelige keine „Handwerkerberufe" wählten. Die sozialen Trennlinien waren in dieser Hinsicht - besonders im Norden und in den mittleren Gebieten Europas hermetisch geschlossen. 40 Aber es ist eine natürliche historische Merkwürdigkeit, daß die Riesensignatur des Malers „Martin des Schwarzen" und die Wappenbriefe eine gemeinsame Wurzel haben. Die feierlich ausgestatteten Dokumente wurden an den Höfen seit Jahrhunderten in Prunkschrift geschrieben und kalligraphiert. In den Wappenbriefen wurden die Wappen ausführlich beschrieben und auf demselben Blatt auch von sachverständigen Buchmalern dargestellt. Bild und Schrift bildeten den Inhalt der Wappenführung gemeinsam ab; Buchstaben und „Waffenzeichen" (arma) beanspruchten gleicherweise höchste Kunstfertigkeit. Die geschriebenen Worte und das Bild haben sich gegenseitig erläutert. Sie galten nur zusam-