Veszprémi Nóra - Jávor Anna - Advisory - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2005-2007. 25/10 (MNG Budapest 2008)

STUDIES - Miklós MOJZER: Der historische Meister MS sive Marten Swarcz seu Martinus Niger alias Marcin Czarny, der Maler des Krakauer Hochaltars von Veit Stoß II. Teil. Krakau und Nürnberg im Jahr 1477 und davor

men, im Dokument vereint, und mit dem Namen des Herrschers, der das Wappen verlieh, als authentisch. Derartige Kartuschen, Banderoles sind auch als Epigraphien zu betrachten, denn sie wur­den nach ihrer idealen Absicht für Gegenwart und Zukunft, als Zeugen von Verdienst (Dienst) und Belohnung geschaffen. Ihre Erscheinung ist zwangsläufig kompliziert. Das sind Kunstwerke hohen Ranges, durch die der damit Beschenkte als privilegiert und eingeweiht erschien, von dem die Ämter und die Öffentlichkeit annahmen (wurde doch der Inhalt öffentlich verkündet), daß der Wappenträger lateinisch verstand und den Brief auch lesen konnte, der ja lateinisch geschrieben war, und daß er sich über den Gebrauch seines Wappens im klaren war, denn er durfte es nur in der hier festgelegten Form, mit diesen Farben und mit die­sem Beiwerk gebrauchen. Da aber die Prunkschrift und die Kal­ligraphie nicht unbedingt, und später immer weniger zu entziffern war, wurde zu jeder Urkunde von Anfang an auch eine authenti­sche Kopie in alltäglicher Schrift ausgefertigt. 41 Die Achtung für diese Art Kunstwerke innerhalb der Familie oder des Geschlechts war von einem unschuldigen und zeremoniellen Okkultismus um­geben, trugen sie doch die ursprüngliche Verkündigung des Na­mens der Ahnen durch einen Herrscher. Auch die einfachsten Namen haben für ihre Träger mehr oder weniger magische Be­züge oder konnten solche haben, und erst recht die Namen, die wegen der Verdienste ihrer Träger unwiderruflich und zur Aus­zeichnung - für die Uneingeweihten nur mangelhaft verständlich, aber für ihre Träger erblich - verewigt wurden. Im bürgerlichen, städtischen Milieu versuchte man dies mit bürgerlichen Wappen nachzuahmen, bei denen die heraldischen Regeln ebenfalls ein­gehalten wurden. Dazu war aber der Name der Familie oder des Geschlechts nötig. 42 Der mitgebrachte Name des Malers Marten gehörte freilich nicht zu den Adelsprädikaten oder Familiennamen. Die vermö­gende Familie Schwarz, die der Stadt früher Konsuln gab, wurde von der Administration durch den Gebrauch ihres Familienna­mens konsequent ausgezeichnet, bei den Einträgen mit dem Vor­namen des Malers kommt es aber erst 1497, zwanzig Jahre nach seiner Aufnahme in die Bürgerliste vor, daß zur Unterscheidung angegeben wird, daß (auch) er Schwarz war: „Martinus Niger" (Ptasnik Nr. 1289) und dann 1499: „Martinus Swarcz". Damals muß es also in Krakau einen anderen Maler namens Martin gege­ben haben: 1474 wurde einer erwähnt - auch dieser kann ja noch am Leben gewesen sein (?) -, aber wohl eher Martinus de Bod­zow, der 1487 als Maler das Bürgerrecht erwarb. Johannes war ein häufigerer Name als Martin. Der Maler Jan Wielky (der Große), der älter als Marten war, mußte von einem jüngeren Jan unterschieden werden, einem Raufbold, der sein Epitheton (Jan Waligora = Berge erschütternde) verdiente, und diese beiden wur­den in die städtischen Dokumente fast immer mit ihren unter­scheidenden Attributen eingetragen. 43 Der Farben-Name des Malers Marten konnte (sofern er sich ein bürgerliches Wappen oder ein Zeichen, das auf seinen Namen hinwies, wählen wollte) nicht verdinglicht werden, da er ein Ei­genschaftswort ist. Dürer konnte den Namen seines Geburtsortes in Ungarn (Ajtós = „Türer") in Form einer Tür sehr gut auf seinen Namen anwenden, wie auch Schäuffelein das Motiv der Schaufel und Cranach d. Ä. das Wasserungeheuer („Krake"), wenn sie etwas Wappenartiges auf ihre Person beziehen wollten. 44 Schwarz gehört zwar zu den heraldischen Farben und wird auch verwendet, aber physisch (die schwarze Farbe läßt das Licht weder durch noch verschlingt sie es) fehlt es aus dem Spektrum - es ist das „Fehlen des Lichts". Nach Auffassung der Renais­sancezeit war jedoch in der Typologie der Temperamente Schwarz die Grundfarbe der Melancholiker, der Kinder Saturns, und somit die Farbe des Persönlichkeitstyps, der sich zur Ausübung von Kunst am besten eignete. 45 Es wäre leicht möglich, daß der Maler Marten davon etwas gehört (eventuell auch gelesen?) hatte, als er das Symbol (eher des Wortes als) der Farbe für sich akzeptierte, aber vorerst scheint kein Grund vorzuliegen, diese Frage auf schwachen Beinen überhaupt aufzuwerfen. Allerdings hat Phi­lipp Schwarzerd (1497-1560) seinen ursprünglichen deutschen Namen als Melanchthon (etwa „Schwarzerd") übersetzt. 46 Was für eine Farbe war hier wohl gemeint? - Bis zu dieser Frage darf man sich vielleicht vorwagen. In Krakau wurde Marten in Dokumenten zuerst 1497 Marti­nus Niger und erst zwei Jahre später Martinus Swarcz genannt, und dazwischen 1498 zum ersten Mal Czarny. Kann das als ein Argument dafür eingesetzt werden, daß er sich in deutschem Mi­lieu, auf deutschem Boden mit vollem Recht als Swarcz schrieb, aber im Winter 1477 dennoch als Niger in Krakau eintraf? Da­heim wurde freilich weder Swarcz noch Niger schriftlich ernst ge­nommen (und vorerst auch mündlich nicht). Aber er mußte zu Hause damals und auch später gute Gründe gehabt haben, Swarcz in Niger oder gar in Czarny zu verwandeln. Wann tat er dies wohl oder mag dies getan haben? 47 Der beinahe gleichaltrige (in Böh­men geborene deutsche) Prediger und Theologe, der Dominikaner Petrus Schwartz, der in Ungarn wirkte, verfuhr genauso und machte seinen Namen als Petrus Niger berühmt (f 1483). 48 Mehr Anhaltspunkte zu dieser „Schwarzfärberei" haben wir nicht. Aber eine weitere Möglichkeit, sogar Wahrscheinlichkeit muß gerade in diesem Zusammenhang noch in Betracht gezogen werden. Einzig die lateinische Sprache kennt mehrere Bedeutungsnu­ancen des Adjektivs schwarz. Die eine, niger, bedeutet schönes, glänzendes Schwarz, und schöne, edle Oberfläche (nigra sum sed farmosa, Hoheslied 1,5), die andere, äter, bezeichnet traurige, un­glückliche, gefährliche, matte Dunkelheit, die Farbe der Trauer, der Unklarheit, und überhaupt Unheil verkündendes, schlechtes Schwarz. Es wäre übertrieben, auf dieser Grundlage den Zwik­kauer schwarzen Hintergrund des versteckten Namenszuges - die­ser Hintergrund hob sich auch ursprünglich nicht glänzend schwarz von den Blumen und Blätterbuchstaben ab - als eine An­spielung auf Unheil verkündendes, schlechtes Schwarz zu verste­hen. Aber das magische, altertümliche Phantasiespiel mit den Namen und Farben war zu jener Zeit besonders aktuell. Die Mit­glieder der zeitgleichen humanistischen Gesellschaften übersetz­ten ihre deutschen, polnischen, ungarischen oder sonstigen Namen in der Absicht spielerischer Tarnung und als außerordentliches Unterscheidungsmerkmal ins Lateinische. 49 Für einfache Außen­stehende mag diese neue Onomastik mehr universal, kultiviert, und zugleich geheimnisvoll und hauptsächlich vornehm erschie­nen sein - zumindest in den Städten. Gegebenenfalls konnte der angenommene Name auf das nicht Alltägliche, sogar auf das un­nachahmbar eigenartig Individuelle hinweisen. Schwarze Klei­dung bedeutete bei manchen Laien in langen Perioden letztendlich Verpflichtung für einen Beruf oder gesellschaftliche Zugehörig­keit. Kirchenkleidung verwies bei Priestern auf das Mysterium, im 15. Jahrhundert brachten die schwarzen Kleider von Wissen­schaftlern und Künstlern bei Ereignissen um die Universitäten und im höfischen Leben sendungsbewußte Haltung, den Blick auf

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