Király Erzsébet - Jávor Anna szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1997-2001, Művészettörténeti tanulmányok Sinkó Katalin köszöntésére (MNG Budapest, 2002)

TANULMÁNYOK / STUDIES - ENDRŐDI Gábor: Kommentárok Pál mesterhez

GÁBORENDRÖDI Kommentare zu Meister Paul Das Hochaltarretabel der Jakobskirche zu Leutschau (slow.: Levoca, ung.: Lőcse), das einzige quellenmäßig belegte Werk des in dieser Stadt tätigen Bildschnitzers Meister Paul, wird nach einer seit den 1930er Jahren gebildeten Forschungstradition zwischen 1508 und 1517 datiert. Als kunsthistoriographi­sche Meinungsbildner dürfen die damals jungen ungarischen Kunsthistoriker András Péter (Geschichte der ungarischen Kunst, 1930) und v. a. Antal Kampis (mehrere Bücher und Aufsätze von 1932 bis 1940) gelten, die nicht nur Grundsteine legten zur Auslegung der relativ zahlreichen Quellen über diesen Altar, sondern auch die Datierung der vermeintlichen Vorbilder der einzelnen Schnitzfiguren als vorrangiges Argument in die Diskussion einführten. Die in diesem Zusammenhang aufkom­menden Schwierigkeiten einer Deutung der Schriftquellen wur­den schon 1934 in einer Notiz von György Gombosi ablesbar. Gombosi war der Meinung, daß die Schnitzarbeiten des Altars bereits 1508 vollendet waren und in diesem Jahr das Retabel auch aufgestellt wurde. Damals soll es aber noch holzsichtig gewesen sein, frühestens 1517 sei es gefaßt worden. Obwohl sich die Anhaltspunkte für die von Kampis vorgeschlagene Datierung später noch verdichteten, scheint ihre hier vorgenom­mene Revision die Ansicht Gombosis zu unterstützen. Für die Datierungsfrage ausschlaggebende Vorbilder werden traditio­nell im Umkreis des Veit Stoß - als dessen Nachfolger Meister Paul begründet gilt - gesucht, v. a. in dem 1508 aufgestellten Hochaltarretabel zu Schwabach. Anzuzweifeln ist jedoch die Prämisse, daß die motivischen Übereinstimmungen zwischen Schwabach und Leutschau Erfindungen seien, die anläßlich der Arbeiten am Schwabacher Altar entstanden; zu hinterfragen ist auch die Annahme, daß es sich bei diesen Motiven ausschließ­lich um Werkstattgut des Veit Stoß handeln soll. Die Argumente für eine Spätdatierung des Leutschauer Altars werden damit in Frage gestellt. Thema der nachstehenden Überlegungen bil­den aber vielmehr die Voraussetzungen der Entstehung dieser Forschungstradition. Ein zweites Beispiel lenkt die Aufmerksamkeit in eine ähn­liche Richtung. Die Schreinfigur des inschriftlich 1503 datierten Nikolausaltars von Großschlagendorf (slow.: Vel'ky Slavkov, ung.: Nagyszalök) wurde von Erich Wiese (1938) Meister Paul zugeschrieben und von Jaromir Homolka für ein Werk unter dem Einfluß desselben Bildschnitzers gehalten. In der ungarischen Fachliteratur gilt sie aber seit Kampis (1940) bis heute als ein Zeugnis für die Einwirkung des Stossischen Stils in der Zips noch vor der Ankunft Meister Pauls, sozusagen als eine Art Bindeglied zwischen zwei Epochen der Zipser Skulptur. Demgegenüber wird auch im vorliegenden Beitrag die Ansicht vertreten, die Großschlagendorfer Figur sei in der Werkstatt Meister Pauls entstanden. Die deskriptive Analyse, die diese Ansicht untermau­ern soll, stellt das vor allem aus Physiognomie und Haartracht der Figuren abgeleitete stilistische Charakteristikum des Komplexes „Meister Paul" als ein raffiniertes, in seiner Gesamtheit ein­drucksvolles System von mehr oder weniger einfachen, teilweise auch ohne hervorragendes schnitzerisches Können ausführbaren Einzelformen dar, das demgemäß auch verhältnismäßig leicht zu erlernen ist: Als einen Stil, der für eine massenhafte, rationalisier­te Produktionsweise besonders geeignet gewesen sein sollte. Aus diesem Blickwinkel stellt sich auch der 1509 datierte Barbaraaltar in der Pfarrkirche zu Neusohl (slow.: Banská Bystrica, ung.: Besztercebánya), für den die ungarische Forschung traditionell eine völlige Unabhängigkeit von Meister Paul erwägt, als ein Produkt dieser Werkstatt dar. Großschlagendorf wie Neusohl wurde bei Kampis durch die Desattribution quasi ein Repoussoir­Motiv im Bild über die Rolle Meister Pauls für die spätgotische Skulptur in Oberungarn: Beide halfen die oberungarische Stoß­Nachfolge neu zu definieren. Diese neue Definition - in der dem Meister Paul eine zwar vornehme, aber doch nicht dominante Rolle zukommt - funktioniert unausgesprochen als ein Medium der Absonderung von regionalen „Schulen" der Skulptur. Dabei kam der Nikolausfigur in der zeitlichen Kontinuität der Geschichte der Zipser Bildschnitzerei die Funktion des Missing link zu, während die Frage des Barbaraaltars wiederholt im Kontext der Diskussion um die Selbständigkeit der Skulptur in den Bergstädten des Grangebiets, d. h. bezogen auf eine regionale Diskontinuität aufgeworfen wurde. Nach dem Bild, das wir seit Kampis über Meister Paul ha­ben, erstreckte sich seine Tätigkeit kaum über die Zips hinaus, seine Werkstatt war nur eine unter denen, die zu dieser Zeit in der Gegend eine führende Rolle spielten. Die Konturierung die­ser Werkstätten bedeutete für Kampis v. a. die Zerteilung eines Bestandes von Bildwerken, der früher (von Kornél Divald, aber auch von Erich Wiese) für die Œuvre der Werkstatt Meister Pauls gehalten wurde. Die - zum Teil bis heute verwendeten - Notnamen „Meister der Annenaltäre", „Meister der Georgsfiguren", „Meister des Kabsdorfer Hochaltars" und „Meister der Leutschauer Johannesfiguren" verdanken ihre Entstehung dieser Tendenz. Die dichten Wechselbeziehungen zwischen diesen „Meistern" bilden im Nebeneinander der einzelnen „Werkstätten" eine regi­onale „Schule". Die Frage des Meister Paul wird damit zu einem Paradigma der Zipser Skulptur der Spätgotik, zugleich diese Zipser „Schule" zu dem Paradigma einer auf regionale Einheiten fokussierten Kunstgeschichte Ungarns im Spätmittelalter. Diese in der Nachfolge äußerst einflußreiche Aufteilung des Landes in „Schulen", angefangen im „westlichen Oberland", über die Zips, die Umgebung Kaschaus (slow.: Kosice, ung.: Kassa) bis hin nach Siebenbürgen bzw. Transdanubien, entsprach auch einer in dieser Zeit zu registrierenden Konjunktur der Kunstgeschichtsschreibung nach Kunstlandschaften. Bei Kampis fällt indessen ein Bemühen um Folgerichtigkeit und historische Begründung auf, aus denen er eine Reihe, ja sogar ein System einzelner Kunstlandschaften ableitet - ein Verfahren, das seinen Altersgenossen offenbar unbekannt war. Es erscheint im Kontext eines methodischen Programms, das als die Koppelung von Geschichte und Kunstgeschichte formuliert und von Kampis Lehrern, dem Kunsthistoriker Antal Hekler und dem Historiker Sándor Domanovszky vorgeprägt wurde (wobei die Ergebnisse Kampis auch gegen die Nationalcharakterologie von Heklers Rivalen Tibor Gerevich gerichtet waren). Von Domanovszky stammt auch die wirtschaftsgeschichtliche Grundlage der

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