Király Erzsébet - Jávor Anna szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1997-2001, Művészettörténeti tanulmányok Sinkó Katalin köszöntésére (MNG Budapest, 2002)
TANULMÁNYOK / STUDIES - ENDRŐDI Gábor: Kommentárok Pál mesterhez
Kunstgeographie Kampis: Die Städte Ungarns seinen demnach in zwei „Städteringe" zu unterscheiden: einen „inneren Ring", dominiert von Herrscher- und Prälatenhöfen, und einen „äußeren", der vor allem vom Außenhandel profitierte. In der Kunst des ersteren sollten demgemäß die italienischen, in der des zweiten vom Reichsgebiet und Polen ausgehende Einflüsse vorherrschen. Auch die Eigenart der einzelnen Regionen des „äußeren Städteringes" wird nach demselben Prinzip bestimmt: Die künstlerische Kontakte folgen dem Weg der Handelsbeziehungen, die ihrerseits den Radius von der Landesmitte zur gegebenen Handelsstadt über die Staatsgrenzen hinaus verlängern. Sowohl die Theorie dieser zwei „Städteringe", als auch die Einbeziehung des Straßennetzes in die kunsthistorische Erläuterung projiziert die Korrelation von Ort und Staat auf die einzelnen „Schulen". Der einzige Fall, in dem Kampis seine Kunstgeographie en detail ausführte, war der des Meister Paul. Wie aber die beiden einführenden Beispiele pars pro toto gezeigt haben sollten, war dazu eine lange Reihe von tendenziellen Antworten auf scheinbar solide Teilfragen nötig. Wenn aber jetzt plädiert wird für eine Auffassung des Komplexes „Meister Paul" als eine auf Massenproduktion eingerichtete Werkstatt, ist dies lediglich ein begleitendes Ergebnis der eigentlich im Vordergrund stehenden historiographischen Analyse des Kampis'schen Modells. Als ein neues Motiv der politischen Ikonographie in Ungarn hat Katalin Sinkó in der Bildpropaganda der Irredenta der Zwischenkriegszeit zuletzt die Korrelation der durch ihren eigentümlichen Charakter bestimmten Landschaften und des ehemaligen Ganzen des ungarischen Staatsgebiets dargestellt. Nach Sinkó ist dies das Ergebnis einer Popularisierung des Prinzips der Anthropogeographie. Danach ergebe sich die territoriale Einheit eines Staates aus der Symbiose seiner durch vielfältige geographische und damit wirtschaftliche Gegebenheiten definierten Regionen. Die Rezeption der Anthropogeographie, zumal des Possibilismus von Paul Vidal de la Blache wurde in Ungarn v. a. nach 1918 lebendig. Hauptfigur dieser Rezeption war der Geograph und Politiker (auch mehrmalige Premierminister) Pál Teleki, bei dem (bereits während der Friedensverhandlungen) die Einheit des alten Ungarn zur „geographischen Notwendigkeit" wurde und sich die Anthropogeographie zu einer Ideologie des Integrizismus wandelte - ohne ihre wissenschaftliche Modernität und Anziehungskraft zu verlieren. Wie in anderen europäischen Ländern, ist zu dieser Zeit auch in Ungarn eine breite Skala von direkten Übernahmen einzelner Thesen bis hin zur Dispersion des „geographischen Geistes" in den historischen Disziplinen zu beobachten. In der ungarischen Geschichtsschreibung nahm v. a. der Umkreis Domanovszkys daran teil, und auch dieser nahm die für Ungarn adaptierten Thesen der Anthropogeographie als ein Mittel der territorialen Revision der Friedensabkommen und zugleich als Alternative gegen bloß emotionelle Formen des Irrededentismus wahr. Die letzten Seiten des vorliegenden Aufsatzes sind dem Versuch gewidmet, die These über einen engen Zusammenhang der Kunstgeographie Kampis mit der Anthropogeographie Telekischer Mutation sowohl motivisch, als auch den Prinzipien nach zu begründen. Die Existenz eines solchen Konnexes reiht die Schriften Kampis zwar noch nicht unter die wissenschaftlichen Theorien des Integrizismus. Dennoch sind sie als wissenschaftliche Sublimation einer historisch bedingten Erschütterung zu bewerten - nicht nur aufgrund offensichtlicher konzeptioneller Züge, sondern auch wegen ihres bis heute kaum hinterfragten Systems von Datierungen und Zuschreibungen.