Takács Imre – Buzási Enikő – Jávor Anna – Mikó Árpád szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve, Művészettörténeti tanulmányok Mojzer Miklós hatvanadik születésnapjára (MNG Budapest, 1991)
NAGY Ildikó: Talapzat nélkül. Függő plasztikák a magyar szobrászatban
Magnetismus, Dichte usw.) verbunden und nehmen daher das Horizontale und den Bereich der Realität in Anspruch. Hängeplastiken sind dagegen vertikal ausgerichtet: Das ist eine Welt der Metaphysik, der Transzendenz. In den Hängeplastiken bringt der Mensch seinen Aufruhr gegen die Erdgebundenheit zum Ausdruck und gelangt im Endergebnis zum Fliegen (Tàtlin, Tàkis). Obwohl dieser Aufsatz den Werken der ungarischen Kunst gewidmet ist, wird darin kurz auch auf die sowjetische Avantgarde eingegangen, die den Konstruktionen dieser Art als Ausdruck ihrer utopischen Ideale Modellwert beimaß (Tàtlin, Rodtschenko, Kluzis, Krutikow usw.). Bezüglich des Verhältnisses zwischen Hängeplastik und Raum gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen: Zum einen wird der von der Skulptur begangene Raum als zur Masse des Werks gehörig verstanden (Rodtschenko). Zum anderen wird diese virtuelle Masse nicht in die Plastik einbezogen und somit die Kontinuität des unendlichen Raums nicht unterbrochen, dafür wird aber durch die feinen Bewegungen der Skulptur eine ständige Vibration, eine andauernde Mobilität der Raumstruktur hervorgerufen (Calder). Die Reihe der Hängeplastiken beginnt in der ungarischen Kunst mit der Komposition von Ferenc Martyn (Anfang der vierziger Jahre), in der durch die Zusammenfügung gedrechselter und bemalter Elemente ein Gleichgewicht zwischen Formen hergestellt wird, die frei, nach allen Richtungen in den Raum eindringen. In einigen Gegenstücken dazu erprobte der Künstler stabile oder instabile Gleichgenichtssituationen in Bodenstücken, wodurch er zugleich Beweise für die Zusammengehörigkeit von Bodenskulptur und Hängeplastik lieferte. Ähnliche Gegenstücke fanden sich auch im Schaffen von József Jakovits (Drahtplastik, 1946, Fliegende Vögel, in zwei Varianten, 1947 - alle vernichtet). Die Drahtplastiken von Jakovits drückten real existierende, aber nicht erfaßbare - weil in der Zeit sich ständig verändernde - Formen (einen Vogelschwarm im Flug) aus. Es waren dies geschlossene, aber nicht abgegrenzte Formen, die frei im Raum schwebten und deren Charakter von den Eigenschaften des Raums bestimmt waren. Die Kompositionen von Martyn und Jakovits vergegenwärtigen das Gleichgewicht beziehungsweise die sich im Raum auflösende, immateriell werdende Masse, die Hängenden Konstruktionen von Barna Megyeri hingegen die immanenten Spannungen des Raums und die verborgenen Spannungen der Konstruktion. Neben den abstrakten Werken entstanden auch Hängeplastiken des figürlich-imitativen Typs, zum Beispiel die stilisierten Vögel mit ausgebreiteten Flügeln von Jakovits oder die Kleinen Modellflugzeuge und die Mondfähre von Béla Kondor. Die Zahl der Hängeplastiken erhöhte sich in den sechziger Jahren, im Zusammenhang mit den großen Änderungen im ungarischen Kunstleben. Die nicht-mimetischen Elemente des Kunstwerks, der Rahmen, die Bildfläche, das Format, die Ausdehung, die Symmetrie, die Wiederholung, der Duktus, gewannen selbständigen Wert, worin die Einflüsse der Wahrnehmungs- und der Gestalt psychologie sowie der Sémiologie spürbar werden. Die Hängeplastiken sind, nachdem sie Kompositionen und Konstruktionen geworden waren, nun zu Strukturen geworden. Diese Tendenz läßt sich vor allem in den Werken von Sándor Csutoros nachweisen. Für ihn war die Kugel die Grundform, mit deren Variationen, Aneinanderreihung und Gruppierung er seine hängenden Strukturen aus den unterschiedlichsten Materialien (aus bemaltem, Holz, Metallen, Roßhaar, Kunststoff, mit Wasser gefüllten Glaskugeln, geknoteten Stricken) und von mannigfalüger Anordnung schuf. Der bezeichnende transzendente Zug der Hängeplastiken kam besonders schön in der „Treppenhaus-Aktion" zum Ausdruck (Sándor Csutoros László Haris - József Molnár V, 1973). In einem baufälligen Treppenhaus mit abgeblättertem Verputz war zwei Stockwerken hindurch eine aus Schwarz ins Weiß übergehende Kugelreihe aufgehängt und symbolisierte die dreifache Welt „Unterwelt - Erde - Himmel", wenn ihr der Betrachter von der Kellertür bis zur Dachbodentür den vorgezeichneten Weg entlang nachfolgte. Die parallele Bewegung von unten nach oben beziehungsweise von oben nach unten fand in der Glaskugelreihe - Wasserornamentik von Csutoros poetischen Ausdruck. In den aufeinanderfolgenden Glaskugeln war von unten nach oben die Menge der Flüssigkeit stufenweise reduziert, während sich dies in einer parallelen Kugelreihe umgekehrt wiederholte. Nach der Konzeptkunst und der Aktionskunst kehrte Ende der 80-er Jahre eine Kunst wieder, die auf den Gegenstand konzentriert und auch traditionell zu nennen wäre, die jedoch ihr erneuertes Selbst in Kenntnis und im Bewußtsein ihrer Voraussetzungen definiert. In der ungarischen Kunst wird diese Tendenz unter anderen durch Valéria Sass repräsentiert. Ihre Werke sind Rauminstallationen zum Thema ausgeglichene Spannung. Die statische Auffassung wird in diesen Werken durch eine dynamische Konzeption abgelöst, in der die Plastik einen Grenzfall von Stabilität und Labilität darstellt. Es handelt sich dabei nicht um eine Masse, die in den Raum gesetzt wird, sondern um Figurationen, die ausgezeichnete Punkte des Raums markieren beziehungsweise Verbindungen zwischen solchen Punkten herstellen. Da auch der Raum nicht homogen ist - es wirken ja Kräfte in ihm -, bezeichnet die Künstlerin die Richtung dieser Kräfte. Die Plastik selbst ist also ein Kraftfeld, dessen Grenzen durch die eigenartige Konstellation der durch die Künstlerin angeordneten Elemente und der wahrnehmenden Person abgesteckt werden. Zum Thema ausgeglichene Spannungen schuf Valéria Sass auch Hängeplastiken mit dem Titel Gleichgewicht I-II-III (1988). In den achtziger Jahren entstanden zwar in der ungarischen Kunst zahlreiche Hängeskulpturen, aber sie trugen zur angedeuteten Gedankenreihe durch keine weiteren Angaben bei. Diesen neuen Zug brachte erst der postmoderne Geist der neunziger Jahre mit, und zwar auf eine schockierende Weise. Die Plastik von András Böröcz mit dem Titel Die Gehenkten bietet mit ihren 17 Figuren, die zugleich Menschen, Bäume und exotische Trommeln sind, eine eigenartige Metamorphose von Gegenstand - Mensch - Pflanze. Mit ihren folkloristischen, manieristischen und expressionistischen Assoziationen und ihrer Freudschen Inspiration stellt sie zugleich auch eine rätselhafte Metapher vom Unbehagen in der menschlichen Kultur dar.