Takács Imre – Buzási Enikő – Jávor Anna – Mikó Árpád szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve, Művészettörténeti tanulmányok Mojzer Miklós hatvanadik születésnapjára (MNG Budapest, 1991)

FARBAKY Péter: Pálos Könyvtár vagy Nemzeti Könyvtár?

Zwischen der Entstehungszeit der beiden Deckengemälde liegen nur vierzig Jahre, die Funktion des Saales hat sich inzwischen nicht geändert, den beiden Dekorationen lagen dennoch grundverschiedene Programme, das eine sakral, das andere profan, zugrunde. Im Aufsatz wollen wir versu­chen, den geistigen Hintergrund, die Ikonographie und die Ursachen des Programmwechsels zu ergründen. Das Paulinerkloster in Pest wurde zwischen 1715 und 1744 errichtet und 1756 zum Zentrum der ungarischen Pauliner­provinz erhoben. Von da an diente die Klosterbibliothek als eines der geistigen Zentren des Paulinerordens. 1765 war die Bibliothek bereits vollendet, und das Gewölbe laut Auf­zeichnungen des Ordens mit Malereien geschmückt, diese zeigten die vier Kirchenväter und Symbole der Fakultäten. Im Sinne der Ikonographie des österreichischen und des ungarischen Barock kommen in der sakralen wie in der profanen Malerei gleich häufig Darstellungen der Wissen­schaften, meistens als Gruppe der vier Fakultäten, vor (z. B. Wien, Hofbibliothek - D. Gran, 1726-1730; Wien, Biblio­thekssaal der einstigen Jesuitenuniversität - A. Hertzog, 1728-1730; Wien, Festsaal der Aten Universität - G. Gug­lielmi, 1755; bzw. in Ungarn: Pécel, Bibliotheksaal des Rá­day-Schlosses, Mátyás Schervitz, 1763; Joß (Jászó, Jasov) Bibliotheksaal des Prämonstratenserstiftes, J. L. Kracker, Ende der 70-er Jahre des 18. Jh.). Im Deckenbild der Paulinerbibliothek von Pest ist das mittlere ovale Feld durch eine Dekorationsmalerei aus Blu­mengirlanden, Kartuschen und Voluten umgeben. In den vier Ecken des Gewölbes erscheinen die vier westlichen Kirchenväter, in der kürzeren Achse wird die Komposition durch die Ikonographie des Ordens bereichert, durch die Gestalten des Ordensstifters, des Seligen Eusebius, und des Einsiedlers Paulus von Theben. Das ovale Mittelfeld trägt Alegorien der Wissenschaften und der Künste (vermutlich die frühesten Darstellungen dieses Themas in Ungarn). In der oberen Zone wurden fünf Figuren untergebracht, die untere Zone mit vermutlich vier Figuren wurde zum Teil vernichtet. Oben erkennt man (von links nach rechts) die Musik, die Poesie, an mittlerer, hervorgehobener Stelle die Theologie, und vermutlich die Philosophie und die Chemie, unten die Personifikationen der Astronomie, der Architektur und der Geographie - alle als Frauenfiguren. Die fehlende vierte Gestalt der unteren Zone könnte die Rechte, die Medizin, die Arithmetik oder auch die Bildhauerei gewesen sein. Mangels näherer Angaben machen wir einstweilen keinen Versuch zur Attribution dieser Malereien von mittelmäßiger Qualität. Die Innenausstattung des Bibliotheksaals, ein Pracht­stück der Pauliner Schnitzkunst im Rokokostil, wurde nach Vollendung des Deckengemäldes in Angriff genommen. Nach Aufzeichnungen des Ordens wurde die Arbeit von zehn Jahren unter der Leitung des Laienbruders Antal Rucsman (Ruesman) im Jahr 1771 abgeschlossen. Die Bibliothek war von diesem Zeitpunkt an ein geistiges Zentrum der Stadt, nicht nur des Ordens. Kaiser Joseph IT. hob 1786 auch den Paulinerorden auf. Die Bibliothek wurde 1803 Ferenc Széchényi zur Verfügung gestellt, damit er seine Büchersammlung, die er der Nation geschenkt hatte, hier unterbringen konnte. Széchényi wollte die Dekoration entsprechend der einzurichtenden Natio­nalbibliothek umgestalten, deshalb gab er beim Mailänder Maler Pietro Rivetti ein neues Deckengemälde in Auftrag. Aus Zeitmangel führte er die Medaillonfolge den Brustbil­dern von dreißig ungarischen Wissenschaftlern für die Zone oberhalb der Schrankreihe nur auf Karton aus (diese haben sich nicht erhalten). Die gemalten Rahmen mit den Namen, sowie die Dekoration der Attika über dem illusionistischen Kranzgesims mit den Wappen der damaligen und der ein­stigen Provinzen Ungarns, Symbole der vier Wissenschaften sowie das große ungarische Wappen mit zwei Engeln als Schildhaltern wurden jedoch vollendet. Ein weiteres neues Kunstwerk für die Nationalbibliothek war die Büste Kaiser Franz I. vom Wiener Bildhauer Jacob Philipp Prokopp. Entsprechend der Absicht des Mäzens trat also neben dem betonten nationalen Charakter auch eine Darstellung des Herrschers in Erscheinung. Die Nationalbibliothek wurde am 10. Dezember 1803 eröffnet, mußte aber bereits im Jahr 1807 umziehen. Von da an ist das Zentrale Priesterseminar im einstigen Kloster untergebracht und dessen Bibliothek in diesem Saal einge­richtet. Die Dekorationen des Jahres 1803 überdauerten ­zuletzt stark beschädigt - bis in die jüngste Vergangenheit, als man sich für die Wiederherstellung des ersten Decken­gemäldes entschied. Der Bibliotheksaal erlangte also seine ursprüngliche barocke Schönheit mit der vollendeten Har­monie von Wandbildern und Holzmöbeln zurück.

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