Nagy Ildikó szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1980-1988 (MNG Budapest, 1989)

R. Várkonyi, Ágnes: VARIATIONEN ÜBER DIE UNGARISCHE GESCHICHTE: DIE BILDER DER AUSSTELLUNG. UNGAR 1526-1790

Ádám Vay (1698—1702). Aus dem Aufstand der Leibeigenen am Oberlauf der Theiß, einstiger Soldaten der Grenzfestungen, und des niederen Adels entfaltete sieh dann der Freiheits­kampf, der das ganze Land erfaßte.''" Der Stand des Adels und Hochadels war im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts je nach Größe des Grundbesitzes, der Vornehmheit der Familie, nach Beruf. Bildungsstand und Wirtschaftsweise in verschiedene Gruppierungen zerfallen. Mit der Etablierung der Habsburger ging einher, daß viele hohe Offiziere mährischer, österreichischer oder italienischer Abstammung als Entschädigung für den ausgefallenen Sold Besitztümer in Ungarn und zusammen mit ihnen Indigenat, Freiherrn- oder Grafentitel und Obergespanswürden bekamen. Zugleich kam auch die alte Tendenz zur Geltung: für die Geeigneten, Begabten, die unternehmerisch Erfolgreichen, für die Fremdsprachigen, die Ausländer, die sich hier nierdergelassen hatten, war der Weg nach oben offen, wie es auch das Beispiel der Familie Szontagh veranschaulicht. 63 Mit der Herausbildung des Räköczi-Staates teilte sich dieses vielschichtige gesellschaftliche Ensemble in vier mehr oder weniger voneinender abgesonderte politische Gruppen. Der Hochadel der östlichen Landesteile, die Adligen der Komitate und ein großer Teil der Aristokratie von Siebenbürgen schworen Rákóczi die Treue. Die großgrundbesitzende Aristokratie und in kleinerer Zahl der niedere Adel in Westungarn. Transdanubien und Kroatien betrachteten, zusammen mit den höchsten Würdenträgern des Königreichs, weiterhin Kaiser Leopold als ihren Herrn. Viele waren mitsamt der Familie nach Wien oder Kroatien geflüchtet. Die Siebenbürger ließen in den bis zum Schluß von den Kaiserlichen besetzt gehaltenen Städten Hermannstadt und Kronstadt alle Folgen des Krieges über sich ergehen. Es gab manche, die von der Kunde des Freiheitskampfes auf den Schauplätzen des Spanischen Erbfolgekrieges, im Verband der kaiserlichen Armee erreicht wurden. Andere mußten auf Befehl des Hofkriegsrates in ihrer engeren Heimat die Verteidigung organisieren. Viele aus dem Hoch- und dem niederen Adel waren aus dem kaiserlichen Heer, als Offiziere zu Rákóczi übergegangen, Oberst Simon Graf Forgách zog nicht einmal seine Uniform aus. In Siebenbürgen haben Lőrinc Graf Pekry und Mihály Mikes in der Gefangenschaft der Kurutzen den Treueschwur abgelegt. In Transdanubien waren es der Kommandant von Pápa, Antal Graf Esterházy, und sein Cousin Graf Dániel, kaiserlicher Oberst, die sich zu Rákóczis Programm bekannten. 6 Die Kaisertreuen, damals mit dem Namen „Labantzen" belegten Angehörigen des Hochadels bildeten ihrerseits zwei klar umrissene Gruppen. Manche akzeptierten die alte Etablierung der Habsburger und schoben für alles Übel die Schuld den Unzufriedenen zu. Andere suchten im vorgegebenen Rahmen nach einer besseren Lösung. Die Möglichkeit für eine solche praktische Politik ergab sich, als Joseph I. den Thron bestieg (1705—1711), und die alte Garnitur seines Vaters ablöste. Diese Überlegung bildete sich in der Umgebung von Palatin Pál Fürst Esterházy heraus, und ihr Ziel bestand darin, im Rahmen der Standesprivilegien das Verhältnis zwischen der Dynastie und Ungarn neu zu formulieren. Diese Politik jedoch, die von Miklós Graf Illésházy. ab 1706 Kanzler, von Imre Graf Csáky, später Erzbischof, vor allem aber von János Graf Pálffy, später Landesrichter, danach Palatin, während des Freiheitskampfes erfolgreicher Vizegeneral der in Ungarn kämpfenden kaiserlichen Truppen, vertreten wurde, hatte in zunehmendem Maße die Aufmerksamkeit der Führer der habsburgischen Administration, vor allem auch in den Überlegungen des Präsidenten des Kriegsrates, des Prinzen Eugen von Savoyen, erregt, weil die führenden Männer im Staate Rákóczis die Zukunft Ungarns durch ganz andere Methoden gesichert sahen. 6:1 Auch unter den traditionell als ..Kurutzen" bezeichneten Angehörigen des Hoch- und niederen Adels bildeten sich zwei politische Richtungen heraus: die Partei der alten ständischen Ordnung und die der Reformpolitik. In dem unter den Fahnen mit der Inschrift „Cum Deo pro Patria et Libertate" organisierten Landesteil wurde in der Regierung Rákóczis, der das Staatsoberhaupt und von 1704 an Großfürst der verbündeten ungarischen Stände und von Siebenbürgen war, die Reformpolitik in der Mehrheit von protestantischen, gebildeten, unternehmungslustigen Angehörigen des niederen und Hochadels vertraten. Neben Pál Ráday, der auch das Amt des Kanzlers innehatte, war die bedeutendste Persönlichkeit Baron Johann Gottfried Hellenbach, Arzt. Bergwerks­unternehmer und Oberkammergraf, der oberste Vorsteher der niederungarischen Bergbaustädte, Rákóczis „Finanzminister". Diese politische Gruppe, die sich auf die dünne Schicht von Bürgern, Bergwerkspächtern und den an Industrieunternehmen interessierten Angehörigen des niederen Adels, vor allem aber aufs Militär stützte, war bemüht, in der Verwaltung eine starke Zentralisierung zu verwirklichen. Die Gruppe organisierte eine ständige Armee, enthob die waffenkundigen Leibeigenen ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Grundbesitzer und befreite deren Familien von den Urbariallasten. Sie betrieben eine merkantilistische Wirtschaftspolitik und hielten es für unerläßlich, daß auch der Stand des Hoch- und niederen Adels an den öffentlichen Lasten teilhat, d.h. Steuern zahlt. Die zeitgemäße Form der Landeseinheit lösten sie dergestalt, daß Siebenbürgen, unter Beibehaltung seiner inneren selbständigen staatlichen Organisation, durch eine Konföderation mit dem Königreich verbunden war. Das war auch die Konzeption mit Kroatien. Was die Bildungspolitik betrifft, legte diese Gruppe zusammen mit Rákóczi, der die religiöse Toleranz verwirklicht hatte, die Betonung auf die Schulung, die zeitgemäße Bildung und die muttersprachliche Kultur, und richtete eine Kapitalstiftung an der Hochschule von Eperjes ein. 66 Die andere Partei fand Unterstützung anfangs auf dem Landtag zu Szécsény (1705) in Bercsényi, danach in General Graf Forgách. Diese fanden, unter Berufung auf die Interessen der Grundbesitzer und auf die Privilegien der Komitate, die Einrichtung eines stehenden Heeres den ungarischen Besonderheiten fremd, und sahen in der Einführung der Steuerpflicht des Adels eine Verletzung der Adelsprivilegien. Graf Forgách, der den inneren Widerstand organisiert hatte, wurde von Rákóczi eingekerkert. Sándor Károlyi protestierte 1706 noch gegen den Plan der Steuerverpflichtung des Adels, aber 1707, auf dem Landtag zu Ónod, auf dem die Absetzung der Habsburger erklärt wurde, griff er schon, wie Bercsényi, zum Säbel, um die Deputierten der Komitate, die sich gegen die steuerliche Belastung des Adels ausgesprochen hatten, gewaltsam zum Schweigen zu bringen. Rákóczi und seine Partei stiegen an der Seite Frankreichs in den Spanischen Erbfolgekrieg unter der Bedingung ein, daß in den internationalen Friedensvertrag zum Abschluß des Krieges

Next

/
Thumbnails
Contents