Technikatörténeti szemle 19. (1992)
KÖNYVISMERTETÉS - Papers of the First „MINERALKONTOR” International Conference on the History of Chemistry and Chemical Industry (Veszprém, 12-16 August, 1991)
Rieche und eine Reihe weiterer Mitarbeiter der Farbenfabrik schlagartig. Am 22. 10. 1946, morgens gegen vier Uhr, war das Riechesche Haus von sowjetischen Militärangehörigen umstellt. Rieche bekam von einem sowjetischen Offizier mitgeteilt, daß er für fünf Jahre in der Sowjetunion arbeiten müßte. Angehörige und Hausrat könne er nach Belieben mitnehmen. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhielt er nicht. Die Gruppe um Rieche umfaßte 23 Wissenschafüer und Techniker, davon 20 promovierte Chemiker. Dazu kamen Angehörige. Die Reise dieser Gruppe führte in die Ukrainische Sowjetrepublik, in die Farben- und Zwischenproduktfabrik nach Rubeshnoje. Welche fachlichen Aufgaben hatten die deutschen Fachleute dort zu übernehmen? Die sowjetische Seite hatte über ihre westlichen Alliierten Hersteüungsvorschriften für bestimmte Indanthrenfarbstoffe erhalten, die von den in Westdeutschland liegenden Werken der I. G. Farbenindustrie A. G. wie Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) und den Farbwerken Höchst stammten. Die deutschen Chemiker erhielten den Auftrag, diese knapp gehaltenen Vorschriften detaüliert nach- und auszuarbeiten und den sowjetischen Produktionsmöglichkeiten anzupasssen. „Wir haben Laborarbeit gemacht und die fertige Laborvorschrift geliefert. Die Überführung ins Technikum haben wir nicht gemacht. Da haben wir uns geweigert. Wenn da etwas schief ging, hieß es nur immer: Wer ist daran schuld?" (5) Was die Arbeits- und Lebensbedingungen der deutschen Gruppe anging, so war der Achtstundentag garantiert und Urlaub gab es auch, den man aüerdings nur „zu Hause" in Rubeshnoje verbrachte. Eine ausreichende Ernährung wurde vor aüem mit Hilfe des Marktes (Rynok) gesichert, wo man zu hohen Preisen zusätzlich Nahrungsmittel erwerben konnte. Gute Gehälter, die teüweise beträchtlich über denen vergleichbarer sowjetischer Mitarbeiter lagen, waren dafür eine gute Voraussetzung. Im Juni 1951, nach fünf Jahren, konnte Rieche nach Wolfen zurückkehren und seine frühere Tätigkeit fortsetzen. Darüber hinaus erhielt er die Aufgabe, das Institut für Organische Chemie der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin aufzubauen, dessen Direktor er 1954 wurde. Unter seiner Leitung — bis 1967 — entwickelte es sich rasch zu einem leistungsfähigen Forschungszentrum der Organischen Chemie und erwarb sich bald internationale Wertschätzung. Nicht nur auf dem Farbstoffgebiet, sondern auch auf dem Chemiefasergebiet bestand von Seiten der Sowjetunion ein hohes Interesse an deutschem Know-how. 1938 hatte Paul Schlack (1897—1987) bei der Aceta GmbH in Berlin-Rummelsburg, einem Werk der I. G. Farbenindustrie A. G., Perlon entdeckt und damit das Konkurrenzprodukt zum amerikanischen Nylon geschaffen. Zu einer ersten großtechnischen Produktion von Perlon kam es in Deutschland in Kriegsjahr 1943 in Landsberg an der Warthe (heute Gorzow in Polen). Am Aufbau und Betreiben der ersten Perlon-Versuchsanlage war auch der Chemiker Hermann Klare (geb. 1909) stark beteiligt. Nach dem Kriege wurde die großtechnische Anlage demontiert und in die Sowjetunion nach Klin zum dortigen Chemiefaserwerk verbracht (90 km nördlich von Moskau). Während Schlack nach Kriegsende in die amerikanische Zone geriet, blieb Klare in der sowjetischen Besatzuungszone und war schon sehr bald wieder mit der Produktion von kleinen Mengen Perlonseide im Thüringischen Schwarza be-