Technikatörténeti szemle 19. (1992)

KÖNYVISMERTETÉS - Papers of the First „MINERALKONTOR” International Conference on the History of Chemistry and Chemical Industry (Veszprém, 12-16 August, 1991)

schäftigt. Mit einigem Stolz berichtete H. Klara später über diesen Neubeginn: „Schwarza war die erste Fabrik, in der man auf deutschem Boden nach dem Kriege (Spätsommer 1946, A. N.) wieder Polyamidfaserstoffe hersteüte. Wh hat­ten zudem die Aufgabe, sowjetischen Fachleuten auf dem Gebiet der Synthese­fasern technisches know how zu vermitteln. Wh stellten in Schwarza Reüenkord als Verstärkungsmaterial für Lastwagen- und Flugzeugreifen her. Natürlich waren das Reparationsleistungen. Daneben haben wir aber eine Menge theoretischer Grundlagen geschaffen" (6). Es ergab sich mit fast logischer Konsequenz, daß der Perlonspezialist Klare in den Wiederaufbau der ehemals deutschen großtechni­schen Perlonanlage inKlin einbezogen wurde. Auf der Basis eines sehr knapp ge­haltenen Vertrages wurde er offizieü für zwei Jahre in die Sowjetunion verpflichtet und reiste mit fünf weiteren Koüegen Mitte Januar 1947 nach Klin. Schon am 13. Aprü 1947 konnte dort eine erste Spinnstelle einer Püotanlage von nun sow­jetischer Kapronseide in Betrieb genommen werden. Die großtechnische Anlage aus Landsberg mit einer Produktion von 10 t/Tag lief im Sommer 1949 an. Kurz vor Gründung der DDR (7. 10. 1949) kehrte Klare wieder nach Schwarza zurück. Später übernahm er leitende Funktionen am Institut für Polymerenchemie in Tel­tow-Seehof der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und wirkte in den Jahren 1968—1979 als Präsident dieser Akademie, die sich im Jahre 1972 in Akademie der Wissenschaften der DDR umbenannte. Wie die dargelegten Beispiele zeigen, leisteten die Chemiker-Migranten wert­voüe Beiträge zur ökonomischen und müitärischen Stärkung der Sowjetunion un­mittelbar nach dem U. Weltkrieg und trugen auf diese Weise etwas von der großen Schuld ab, die das deutsche Volk durch seinen Aggressionskrieg gegen die Sow­jetunion auf sich geladen hatte. Für die Migranten selbst war das „sichere Woh­nen im hohlen Zahn des Löven" sowohl mit Vorteüen als auch mit Nachteüen verbunden. Zu den Nachteüen gehörte eine sehr stark etageschänkte Bewegungs­freiheit. Die Koüetive in Suchumi (Agudseri und Sinop) lebten in umzäunten und bewachten Arealen. Einkäufe und Ausflüge konnten nur mit sowjetischer Beglei­tung stattfinden. Das Leben auf engem Raum führte zu einer Reihe physischer und psychischer Belastungen. Die Kontakte zur deutschen Heimat wurde durch Postzensur und andere Maßnahmen stark abgebaut. Internationale fachwissen­schaftliche Kommunikation von den eingeschränkten Beziehungen zu sowjetis­chen Kollegen einmal abgesehen, gab es nicht. Die Publikation von Forschungsergebnissen war untersagt. Zu den positiven Aspekten der Migration sind zu zählen: Die Betroffenen wa­ren den wirren Nachkriegsverhältnissen in Deutschland entronnen. Die Mitarbe­it an bedeutenden wissenschaftlich-technischen Projekten gab den Migranten das Gefühl des Gebrauchtwerdens. Die Arbeitsbedingungen, die Ernährung und die medizinische Betreuung waren gut. Es gab keine Entnazifizierung bzw. politische Verfolgung. Die Löhne waren hoch und viele der Spezialisten erhielten zusätzli­che materieüe Anerkennung in Form von Prämien und Preisen. Positiv wirkte sich nach dem Sowjetunion-Aufenthalt auch die prinzipieüe Politik der DDR aus, die­sen Naturwissenschaflern und Technikern — sofern sie in der DDR verblieben — gute Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten einzuräumen, da man sich gerade von ihnen starke Impulse bei der Entwicklung von Wissenschaft und Technik erhoff­te.

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