Póczy Klára: Forschungen in Aquincum 1969- 2002 (Aquincum Nostrum 2. Budapest, 2003)

4. Historische Zusammenfassung - 4.3. Zur Frage der Kontinuität in Aquincum (Klára Póczy, Paula Zsidi)

Als György Györffy die Geschichte der unga­rischen Hauptstadt niederschreibt, formuliert er - im Ergebnis seiner Untersuchungen zahlrei­cher west- und mitteleuropäischer Städte - zwei Kriterien, auf deren Grundlage man von der Kontinuität einer Stadt sprechen kann. Das erste Kriterium ist das Vorhandensein einer mit Wehr­anlagen versehenen Festung in der Siedlung, die der Bevölkerung der Umgebung als Zuflucht dien­te, das zweite die frühchristliche Diözese oder ein deren Existenz belegendes Baudenkmal bzw. eine Kirche. Im Prinzip ist es diese Einrichtung, die den in den Jahrhunderten nach dem römischen Zeitalter im Gebiet niederlassenden Völkergruppen die zentrale Verwaltung ersetzte. Aus Aquincum allerdings lagen zu der Zeit, als das Geschichts­werk von Gy. Györffy entstand, für keines der beiden Kriterien zuverlässige Befunde vor, wes­halb er im Falle von Aquincum (Budapest) die Möglichkeit des nahtlosen Übergangs der Stadt von der Antike ins Mittelalter ausschloss. Die Kontinuität der in dem Gebiet geborgenen Funde wertete er als „bloße" Siedlungskontinuität (GYÖ­RFFY 1973, 221-222) % Seither hat die archäo­logische Forschung in Óbuda die Existenz beider Phänomene nachgewiesen. Man fand die im 4. Jahrhundert errichtete spätrömische „Festung", d.h. das neue Legionslager, umgeben von mehr­ere Meter starken Mauern, die der Bevölkerung Schutz gewährte (FACSÁDY 1976, PARRAGI 1976/1, PÓCZY 1984/1, 18-19), und unter der mittelalterlichen Franziskanerkirche - außerhalb der Festungsmauer - kamen die Gebäude der auch in der Spätantike benutzten frühchristli­chen Basilika zum Vorschein (SZIRMAI-ALT­MANN 1976, 241-243; E. TÓTH 1980/1, 98; E. TÓTH 1994, 256). Neben der Erfüllung der beiden oben erwähnten Voraussetzungen trug die Kontinuitätsforschung aber noch zu anderen neuen Ergebnissen bei. Die Zusammenstellung der erst kurz zuvor umrissenen Elemente der antiken Topographie sowie der aus dem 5. bis 8. Jahr­hundert stammenden alten und neuen archäologi­schen Angaben führte dazu, daß sich das Gebiet der ehemaligen römischen Stadt gleichsam neu „bevölkerte" (ZSIDI 1999/4, M. 1 NAGY 1993, PÓCZY 2000, 7-24), was auch eine Neubewer­tung ermöglichte (GYÖRFFY 1997). Erschwert wird die Untersuchung der Kontinui­tätsfrage durch allgemeine Schwierigkeiten bei der Erforschung des Übergangszeitraums (MILLETT 1990, 212-213). Ein Teil davon sind Datierungs­probleme. 2 Wie in den anderen Provinzen des Reiches ist nach der Schlacht bei Hadrianopel (nach 378) auch in Aquincum ein radikaler Rück­gang des Geldverkehrs zu beobachten (ALFÖLDI 1924-1926, 70; DEMBSKI 1982, 204), so dass eine der wichtigsten Fundgruppen mit datierendem Wert praktisch verschwindet. Ebenso wenig kann man sich auf eine der sicheren Quellen des frühe­ren Zeitraums, das epigraphische Material, stützen, da die Inschriften ab dem 4. Jahrhundert immer einsilbiger werden. Die letzte Angabe über die Kommunalbehörde der Zivilstadt von Aquincum beispielsweise stammt aus dem Jahr 307, während aus den späteren Jahrzehnten des Jahrhunderts nur die einfachen Inschriften sporadisch zum Vor­schein gelangender Grabsteine bekannt sind. Und die Informationen der vorwiegend in militärischer Hinsicht wichtigen Ziegelstempel reichen ebenfalls nur bis ans Ende des 4. Jahrhunderts. 3 So, wie Aquincum Schritt für Schritt aus dem Gesichtskreis der „großen Politik" entschwindet, verstummen nach und nach auch die direkten Schriftquellen, und man erfährt nur noch auf indirektem Wege von den Aquincum berührenden Ereignissen. Der um die Wende des 4.-5. Jahrhun­derts am Hof von Ravenna tätige Autor Claudianus zum Beispiel erwähnt es noch — als einen für die Verteidigung des Imperiums wichtigen Faktor, die 2 Die Datierung ist schwierig, weil die Bevölkerung nur bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts in den Genuss der Import­waren aus dem Mittelmeerraum kommt. Daher stammt der Löwenanteil des Fundmaterials bildenden Produkte über­wiegend aus lokalen Werkstätten, deren Formen zumeist zeitlos sind. 3 Über den die Kommunalbehörde von Aquincum letztmals erwähnenden Stein: T. NAGY 1973, 125, 129 bzw. CIL III 3522, 10384. Über die epigraphischen Denkmäler: T. NAGY 1973, 162; über die Ziegel mit Stempel: B. Lőrincz, Téglaégető kemencék Pannoniában. (Ziegelbrennö­fen in Pannonién). Iparrégészeti kutatások Magyarországon. Sopron 1981, 77-92.

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