Póczy Klára: Forschungen in Aquincum 1969- 2002 (Aquincum Nostrum 2. Budapest, 2003)
4. Historische Zusammenfassung - 4.3. Zur Frage der Kontinuität in Aquincum (Klára Póczy, Paula Zsidi)
4.3. ZUR FRAGE DER KONTINUITÄT IN AQUINCUM Nach András Alföldi, dem namhaften Forscher des Themas, hat die offizielle Übergabe der Provinz an die Hunnen im Jahre 433 den mit der ab Mitte des 4. Jahrhunderts einsetzenden Abwanderung ihrer Bewohner, der wirtschaftlichen Krisensituation und weitgehenden Barbarisierung der Bevölkerung zu charakterisierenden Prozess besiegelt (ALFÖLDI 1924-1926, 17, 70; ALFÖLDI 1942/1, 670-746). Später vertrat ein Teil der Forscher die Meinung, ab diesem Zeitpunkt könne nicht mehr mit einem bedeutenden Bevölkerungsanteil als Träger der römischen Kultur gerechnet werden, denn von da an waren im Gebiet der Provinz die Völker der Völkerwanderungszeit und deren Kulturen tonangebend (L. NAGY 1942/1, 771; MÓCSY 1962/1, 773-776; MÓCSY 1990, 279-281). Interessanterweise gelangten zuerst gerade die Forscher der Völkerwanderungszeit zu der Auffassung, daß im Zeitraum der Völkerwanderung einzelne Gruppen der ehemaligen Provinzbevölkerung isoliert voneinander, eine Art Inseln bildend, an ihren früheren Wohnorten weitergelebt und dadurch die - in den gegebenen Rahmen mögliche - Kontinuität der römischen Kultur gewährleistet haben (A. KISS 1965, BONA 1971, 277-278). Danach begann auch ein Teil der provinzialrömischen Archäologen, in erster Linie gestützt auf die neuen Grabungsergebnisse, die Möglichkeit des lokalen Weiterlebens eines Teils der romanisierten Bevölkerung im 5.-6, Jahrhundert bzw. der Kontinuität der Siedlungen in Betracht zu ziehen (SALAMON-BARKÓCZI 1978-79, 75-84; E. TÓTH 1980/1, 93-100). Ab den 1970-1980er Jahren rückte die Erforschung der Epoche in den Mittelpunkt des internationalen Interesses, 1 was sich ebenfalls inspirierend auf die Revision der bestehenden Ansichten über Pannonién und Aquincum auswirkte. Fast zur gleichen Zeit kamen in Aquincum jene neuen archäologischen Befunde ans Licht, die eine Modifizierung des früheren Kontinuitätsbildes begründeten. Aquincum war in den Jahrhunderten der Römerzeit einer der strategisch wichtigsten Punkte des pannonischen Limes geblieben. Zwar büßte der ehemalige Statthalter sitz von Pannónia Inferior im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts in Folge der diokletianischen Verwaltungsreform, der am Limes herrschenden unsicheren politischen Lage und der ständigen Barbareneinfälle seine vom Standpunkt der imperialen Administration früher führende Rolle ein, aber seine strategische Bedeutung als Schlüsselstelle Punkt an der Nordgrenze des Imperiums nahm zu (BARKÓCZI 1980, 118). Die Zahl der Bewohner von Aquincum war stark zurückgegangen und sein besiedeltes Gebiet geschrumpft (L. NAGY 1942/1, 771; T. NAGY 1973, 123). Doch seine Lage - Treffpunkt bedeutender Handelsrouten, viele Flussübergänge an der Donau - sicherte ihm seine Bedeutung auch für die von Ost nach West ziehenden Völkergruppen weiterhin (T. NAGY 1973, 123; BARKÓCZI-SALAMON 1984, 184; M. 1 NAGY 1993, 353). Bei der Behandlung der Frage ist also unter allen Umständen zwischen der Kontinuität der Bevölkerung, der Kontinuität der Siedlung oder Stadt bzw. der Kontinuität einzelner Elemente der römischen Kultur zu unterscheiden. 1 Mit dem Thema haben sich mehrere internationale Tagungen bzw. Sammelwerke befasst, z. B.: Von der Spätantike zum frühen Mittelalter. J. Werner - E. Ewig (Hrsg.) Vorträge und Forschungen 25 (1979); Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert. H Wolfram - F. Daim (Hrsg.) Österreichische Akademie der Wiss. Phil.-hist. Klasse Denkschriften, 145. Wien 1980, Severin. Zwischen Römerzeit und Völkerwanderung. Linz 1982.