Póczy Klára: Forschungen in Aquincum 1969- 2002 (Aquincum Nostrum 2. Budapest, 2003)
2. Schwerpunkt und Charakteristika der Forschungen in Aquincum 1969—2002 (Klára Póczy)
• Die der Privatisierung folgende Bautätigkeit von 1990 bis in die Gegenwart. Die Dauer der im Großen und Ganzen übereinstimmenden Perioden betrug durchschnittlich 20-25 Jahre, das bedeutet den Zeitraum jeweils einer Generation, einschließlich der durch die beiden Weltkriege eingeschobenen Zwangspausen. Auch der Stellenwert der wissenschaftlichen Ergebnisse, zu denen die Ausgrabungen des jeweiligen Zeitraums führten, ist im Großen und Ganzen identisch. Gleichzeitig ergaben sich in jeder Periode andere Grabungsumstände, die Technik der Ausgrabungen wurde vervollkommnet, und auch der Anspruch auf Erhaltung der freigelegten antiken Gebäuderuinen sowie die Art und Weise ihrer Präsentation änderten sich gewaltig (POCZY 1998/2, ZSIDI 1998/1). Eines hatte sich in der Aquincumforschung vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende der 1960er Jahre kaum verändert, und zwar das Abtragen des Erdreichs. Dies wurde von Erdarbeitern verrichtet, und bei Ausgrabungen größeren Umfangs, wie z. B. im Falle des Statthalterpalastes oder des Militäramphitheaters, brachte man die geförderte Erde, selbst 1955 noch, mit Pferdewagen weg. Fundbergungen fanden fast ausschließlich im Zusammenhang mit Bauvorhaben statt, wo man zunächst — und natürlich manuell - das Keller niveau aufdeckte. All das änderte sich gleichsam mit einem Schlag, als in Óbuda die sog. Stadtrekonstruktion und damit die Schaffung neuer Wohnsiedlungen in Plattenbauweise anlief. Für die Archäologie bedeutete das notwendigerweise, sich urplötzlich der mechanisierten Bautätigkeit anzupassen: eine neue Art der Organisation, neue Verordnungen, neue Grabungsmethoden waren erforderlich. Denn die präzise und detaillierte Beobachtungen erfordernde Archäologie kann mit dem Tempo von Maschinen auf keinen Fall Schritt halten (PÓCZY 1986/1, KOCSIS 1984, NÉMETH 1998). Aus wissenschaftlicher Sicht schlössen die Forschungen der Jahrzehnte von 1969 bis 2002 trotz dieser Schwierigkeiten mit zahlreichen neuen Ergebnissen. Da das ganze Budapester Stadtgebiet modernisiert wurde, waren wegen der Erdarbeiten alle Siedlungsteile Aquincums einer ständigen Gefährdung ausgesetzt, so dass es Jahr für Jahr zu Dutzenden von dringenden Fundbergungen kam. Das Zentrum bzw. befestigte Oppidum der Lokaleinwohner von Aquincum, des keltischen Eraviskerstammes, wurde in den letzten Jahrzehnten teils mit Rettungsgrabungen, teils mit sog. Plangrabungen erforscht, wobei man die Stelle des Befestigungssystems, seine Bauweise, Perioden und sein Alter dokumentierte (BÓNIS 1969, PETŐ 1979, PETŐ 1993/1, NOVÁKI-PETŐ 1988, BÁRRAL 2000). Archäologische Forschungen 1 fanden im Gebiet der Militärlager - Auxiliar- bzw. Legionslager —, weiters der Gegenfestungen, kleinen Kastelle und Wachttürme statt. Im Bereich der Wehranlagen, des Stadtzentrums und der öffentlichen Werke der Zivilstadt wurden Nachgrabungen durchgeführt, und mit Hilfe von Grabungen konnten auch das Bebauungssystem, das Straßennetz, die Bauperioden sowie die Funktion einiger sehr wichtiger öffentlicher Gebäude der Militärstadt geklärt werden. Daneben kam es im besagten Zeitraum zur Freilegung mehrerer Villen in der Umgebung der Stadt und sogar zu einigen Siedlungsgrabungen. Letztere dienten nicht nur mit Angaben zur Versorgung der Stadtbewohner, sondern auch über das römische Leben der lokalen Einwohner und seinen ökonomischen Hintergrund. Die Parallelen zwischen diesen vicus peregrina genannten Dörfern (SZIRMAI 1978, SZIRMAI 1984/1) und den in der Nachbarschaft der Hilfstruppen entstandenen Siedlungen vom Typ vicus militaris (MÓCSY 1980, SZIRMAI 1993, SZIRMAI 1997/1, SZIRMAI 1999/1) gaben ein Gesamtbild sowohl über den wirtschaftlichen Hintergrund der Stadt als auch das Lebensniveau der lokalen Einwohnerschaft. Im Zeitraum zwischen 1969 und 2002 beobachteten die Archäologen im Gebiet der Gräberfelder in Aquincum mehrere tausend Gräber. 2 Die Bele1 Über die Ergebnisse der topographischen Forschungen, mit ausführlicher Literatur, s. „Die neuen Ergebnisse der topographischen Forschungen" (5.) des vorliegenden Bandes. 2 Detailliert s. im Kapitel „Die Gräberfelder von Aquincum" (5.5.1.).