Budapest Régiségei 40. (2007)
TANULMÁNYOK - Nagy Margit: Kora népvándorláskori sírleletek Budapest területéről = Grabfunde aus der frühen Völkerwanderungszeit im Gebiet von Budapest 95
KORA NÉPVÁNDORLÁS KORI SÍRLELETEK BUDAPEST TERÜLETÉRŐL Wahrscheinlich haben Sarmaten der Tiefebene die aus Vogellangknochen gearbeiteten Nadelbehälter durch germanischen Einfluß übernommen. Der Gebrauch der beinernen Nadelbehälter ist nach der Feststellung von Andrea Vaday und László Domboróczki seit Ende des 3. Jahrhunderts nachweisbar und wird im 4. Jahrhundert üblich. Die Perlenkette aus 71 Stück des Grabes in der Zalavár utca trug die Besitzerin um den Hals (Abb. 7; Abb. 9.1). 49% der Perlen sind aus Bernstein, sie sind in der Form sehr variabel, es finden sich kugel-, zylinder- und ziegeiförmige (TEMPELMANNMACZYNSKA Form 390, 403, 407) (Abb. 10.7-9), zwei Varianten der doppelkonischen Form (Form 410) (Abb. 10.10-11) und unregelmäßig halbkugelförmige (Form 400) (Abb. 10.12-19). 37% der Perlenkette machen die kugelförmigen weinroten Karneolperlen mit enger Bohrung aus (Abb. 10.4-6). In geringster Stückzahl (14%) sind die weißen und grünen kerbverzierten (Abb. 10. 1-3) und die faßförmigen weißen und gelben Glasperlen vertreten. Nach Mitteilung von. Plinius d. Ä. mußten die Römer den Bernstein von den Barbaren kaufen. Der Verkehr des Bernsteinhandels erhöhte sich im Donaugebiet seit dem 5. Jahrhundert merklich. Große Bernsteinperlen waren attraktive Stücke der Halsketten der ostgermanischen adligen Frauen. Die frühere Zylinderform wird von unregelmäßigen Kugel- (gestauchte Kugel und Kugelsegment) und Scheibenformen abgelöst. Einen bedeutenden Teil des Perlenbestandes, der zur Tracht der Blechfibeln und goldblechüberzogenen Fibeln gehörte, machen große Bernsteinperlen aus, wie etwa bei Grab 1 von Laa a. d. Thaya, bei den Funden von RábapordányPatyi domb, Csővár Grab 1, Csongrád-Werbőczi utca und Vranja. Die Zusammensetzung des Perlenbestandes aus dem Grab in der Zalavár utca ist unüblich: Neben dem hohen Anteil von Bernstein ist die große Zahl von kugeligen roten Karneolperlen auffällig. Nach der Feststellung von Mihály Párducz ist der letztere Perlentyp für frühsarmatische Fundensembles typisch. Andrea Vaday erwähnt die kugelförmigen Perlen mit enger Bohrung aus dem Grundstoff Chalcedon ebenfalls als charakteristischen Typ der Frühperiode; aufgrund ihres Vorkommens in Mezőszemere verlängert sie ihre Verwendung bis ins 4.-5. Jahrhundert. Eszter Istvánovits und Valéria Kulcsár halten die kugelförmigen Karneolperlen für ein Charakteristikum des frühsarmatischen Fundmaterials und fügen hinzu, daß einzelne Fundzusamnienhänge auf ihre Verwendung an der Wende des 2.-3. Jahrhunderts hinweisen. Aufgrund des Perlenbestandes aus dem Grab in der Zalavár utca hat es den Anschein, daß der Zeitrahmen der Verwendung von kugelförmigen Karneolperlen noch erweitert werden kann. In der Hunnenzeit finden sich kugelförmige Halbedelsteinperlen auf den erlesensten goldenen Halsketten, so auf dem Geschmeide von Bakodpuszta Grab 1 mit 14 St. Granatperlen, 7 St. Halbkugel- und 6 St. herzförmigen Anhängern mit Fassung. Aus den Streufunden des Gräberfeldes von Ostruznica in Serbien kann geschlossen werden, daß die kugelförmigen Karneolperlen auch mit einem in der Mitte und zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts gegossenen Fünfknopffibelpaar zusammen vorkommen können. Die Perlenkette aus der Zalavár utca besteht zu 86% aus den wertvollen Perlen aus dem importierten Bernstein und Karneol (Abb. 7; Abb. 9.1; Abb. 10.4-5, 7-19). Eine Perlenkette ähnlicher Qualität und Zusammensetzung fand sich in Viminacium Grab 1582, in dem das zerwühlte Skelett einer jungen Frau mit künstlich deformiertem Schädel lag. Wie bei der Halskette der Zalavár utca kommen in der von Virninacium die großen Bernsteinperlen zusammen mit den kugelförmigen Karneolen und anderen Perlentypen vor, die für den ersten Abschnitt der Phase B von Viminacium (zweites Drittel 5. Jh.) typisch sind. Es ist jedoch anzumerken, daß der Schliff der Bernsteinperlen der Zalavár utca primitiver ist und ihre Formen unregelmäßiger als die von Viminacium sind; Die Perlenkette der Zalavár utca besteht - anders als die von Virninacium mit abwechslungsreicherer Zusammensetzung - aus Perlen nur dreierlei Materials. Da sowohl dem Bernstein als auch dem Karneol von der Urzeit bis heute Heilkräfte zugesprochen werden, ist es nicht ausgeschlossen, daß die Dame der Zalavár utca die Perlen ihrer Halskette in der Hoffnung auf ihre Heil- und Zauberkraft (vgl. im Appendix 2 die Angabe über die Entzündung der Fußknochen!) ausgesucht hatte. Als Zusammenfassung der Auswertung des Grabes in der Zalavár utca ist festzustellen, daß auf einem Sandhügel am Rákos-Bach in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts eine ranghohe Dame in einem Einzelgrab bestattet wurde. Möglicherweise wurden nicht lange nach ihrer Bestattung ihr Edelmetallschmuck und die wahrscheinlich auf der Schulter getragenen Fibeln von Grabräubern entwendet. Den Analogien des Tonkruges ostgermanischen Charakters, ihrer Werkzeuge und wertvollen Halskette gemäß hat die Tote des Grabes in der Zalavár utca ihre Erwachsenenjahrzehnte in der Zeit um die Hunnenbesetzung (410-440) erlebt. 129