Budapest Régiségei 40. (2007)
TANULMÁNYOK - Nagy Margit: Kora népvándorláskori sírleletek Budapest területéről = Grabfunde aus der frühen Völkerwanderungszeit im Gebiet von Budapest 95
NAGY MARGIT 7. Außen an den linken Unterarmknochen doppelkonischer Spinnwirtel aus Ton, grau mit schwarzen Flecken, eine Seite flach, die andere steil. Am verbreiterten Rand der flachen Seite umlaufende eingeglättete Linienverzierung. Dm: 3,2 cm. H: 2 cm (Abb. 8.4; Abb. 9.5). BESTATTUNGSBRAUCH Die Orientierung des Grabes, SO-NW, ist eine seltenere Variante als die in der Sarmatenzeit häufigste SW-NO-Richtung der S-N-Orientierung. Die Orientierung des Grabes in der Zalavár utca ähnelt der SO-NW-Orientierung des großen Teils des „A"-Gräberfeldes von Tápé-Malajdok; derartig gerichtete Bestattungen machen fast die Hälfte des Gräberfeldes aus, 43,4%. Der Mann mit Schwert und Lanze im hunnenzeitlichen Grab 13 im Gräberfeld von Alattyán wurde in SO-NW-Richtung bestattet. Die Richtung des Grabes in der Zalavár utca stimmt mit der Orientierung des Grabes von MezőkövesdMocsolyás einer mit in die letzte Periode der Hunnenzeit, ins mittlere Drittel des 5. Jahrhunderts datierten Blechfibeln bestatteten Frau überein. DIE FUNDE Das enghalsige Gefäß des Grabes in der Zalavár utca enthielt gewiß ein Getränk (Abb. 8.6; Abb. 9.6). Die Gefäße zur Lagerung und zum Verzehr von Getränken, die Ton- und Glaskrüge, die Becher machen im Fundmaterial der provinzialen Gräberfelder in spätrömischer Zeit die Mehrheit der Keramik aus. Wahrscheinlich dieselbe Tendenz kommt auch in der Keramik des Barbaricums zum Tragen. Eine Zunahme der Zahl der Krüge und der Formvarianten ist im 4.-5. Jahrhundert typisch. Das Abstellen der Gefäße am Kopf ist in den sarmatischen Frauengräbern die Ausnahme und auch in Kreisen der spätrömischen Provinzialbevölkerung untypisch, bei den hunnenzeitlichen Bestattungen jedoch allgemeiner Brauch (KeszthelyTéglagyár, Lébény, Lengyeltóti). Im Grab in der Zalavár utca wurde das Gefäß umgestürzt gefunden, was auf eine Sargbestattung hinweist, obwohl in dem trockenen sandigen Boden keine Sargspur beobachtet werden konnte. Ich kenne zwei Formparallelen dieses Gefäßes. Die eine stammt aus dem Männergrab in der Lerchengasse 1 von Mödling, südlich von Wien. An der Wand des mit dem 14,2 cm hohen Gefäß der Zalavár utca fast gleich hohen (14,6 cm) geglättet schwarzen Mödlinger Gefäßes mit Netzeinglättung zeigt der Ansatz eines Bandhenkels, daß es als Krug gefertigt worden war (Abb. 11.3). Der Mödlinger Krug war zusammen mit einem kelchartigen Glasbecher mit Wellenlinienapplikation (Abb. 11.2) ins Grab gelegt worden; letzterer bestätigt die Datierung auf das Ende des 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts. Jaroslav Tejral datierte das Mödlinger Gräberfeld in den Horizont D2 (410-425). Eine henkellose Variante entdeckte ich unter den Gräberfeldfunden des Fundortes Jucknaitschen der Masurischen Seenplatte, wo sie die typische Gefäßform des auf 450-550 zu datierenden Fundhorizontes ist. Das einschneidige Eisenmesser des Grabes in der Zalavár utca (Abb. 8.5; Abb. 9.7) und die hakenköpfige Eisennadel (Abb. 8.3; Abb. 9.4) gehören zu den üblichen, den Gegenständen ohne Datierungswert der frühen Völkerwanderungszeit. Das Eisenmesser und der dünne, Aufhängezwecken dienende Bronzering (Abb. 8.1) unter dem rechten Schlüsselbein lagen offensichtlich nicht dort, wo sie getragen wurden. Ihre Lage deutet vielleicht auf eine Grabstörung hin. Es ist vorstellbar, daß es sich bei dem Grab in der Zalavár utca um ein Beispiel aus dem 5. Jahrhundert des von Valéria Kulcsár erkannten sarmatenzeitlichen (ins 2.-3. Jh. datierbaren) Brauches handelt, Messer und Gefäß zusammen ins Grab zu legen. Ein Teil der zumeist zerbrochen gefundenen Metallnadeln sind als Trachtgegenstände, als Haarnadeln, Kleiderärmel oder Gürtel zusammenfassende „Sicherheitsnadeln" zu bestimmen. Ein erheblicher Anteil der Eisen- und Bronzenadeln lag aber als Arbeitswerkzeug in den Frauengräbern des Barbaricums. Die hölzernen oder beinernen Nadeln mit Hakenkopf wurden für in Häkeltechnik hergestellte handwerkliche Erzeugnisse (Netze, Seile, Schnüre, Teppiche, Geldbeutel, Taschen, Gefäßbehälter usw.) sehr wahrscheinlich seit der Urzeit verwendet. Eisen- und Bronzenadeln mit gebogenem Kopf fanden sich aus spätrömischer Zeit. Der Kopf der eisernen oder bronzenen Häkelnadeln im Barbaricum hatte 2-3 mm Dm, also wird auch der Häkelf aden von ähnlicher Dicke gewesen sein. Auf dem spitzen Ende der Nadel wurde ein Holz- oder Beingriff befestigt; die Griffreste sind an einigen Exemplaren zu beobachten, so etwa an der Eisennadel von Mezoszemere-Kismari-f enék Grab 44. Die Beigabe von Hakenkopf nadeln ist wahrscheinlich der Brauch einzelner lokaler Gemeinschaften: die meisten Exemplare (in sieben Fällen) lagen im Gräberfeld von SzegedFelsőpusztaszer. Der Brauch der Beigabe von Näh- und Häkelnadeln war im 4.-5. Jahrhundert für die germanischen Völker von Nordjütland bis ins Küstengebiet des Schwarzen Meeres typisch. 128