Budapest Régiségei 36. (2002) – In memoriam Rózsa Kalicz-Schreiber (1929-2001)

Gyulai Ferenc: Die Pflanzenreste eines spätbronzezeitlichen Röhrenbrunnens = Egy késő bronzkori kút növénymaradványai 305-311

FERENC GYULAI den sind, ja sogar Gesellschaftscharakterarten fehlen können. Die in den Boden gelangten Diasporen blei­ben an und für sich nicht in gleicher Menge erhalten. Die von Stefanie Jacomet für die archäobotanischen Funde ausgearbeitete sog. ökologische Gruppierung nach Fundstätten 3 ermöglicht es dennoch, die subfos­silen Pflanzenarten nach verschiedenen ökologischen Eigenarten in ein System zu fassen und gewisse Rück­schlüsse auf die einstige Umgebung zu ziehen. Für die Ausnutzbarkeit der Pflanzen verwendeten wir im Laufe der ökologischen Auswertung die von Y Áren­dás ausgearbeiteten anthropogenen Kategorien. 4 Die Früchte von zahlreichen Arten der hier gefundenen Pflanzen sind wohlschmeckend. Man darf also ver­muten, dass sie verzehrt wurden. Im nahe gelegenen Auwald ließen sich die folgenden, an Vitaminen rei­chen Früchte sammeln: Wildapfel {Malus süvestris), Kratzbeere {Rubus caesius), Judenkirsche {Physalis al­kakengi), Haselnuss {Corylus avellana), Kornelkirsche {Cornus mas), schwarzer/Traubenholunder {Sambucus nigra/racemosa) und Wildrebe {Vitis vinifera subsp. sü­vestris). Wahrscheinlich war man sich auch darüber im klaren, dass die Blätter des weißen Gänsefußes {Chenopodium album) als Salat und seine Körner an­stelle des Getreides verwendet werden können. Einige der hier gefundenen Arten sind für natürliche Farben zu halten. Vor Zeiten wurde z. B. der Ackerholunder {Sambucus ebulus) als Hautfarbe benutzt. Unter den karpologischen Funden des Brunnens sind Gewürzpflanzen, wie der braune Drost {Origanum vulgare), und Heilpflanzen, wie gemeiner Erdrauch {Fumaria officinalis), weißer Andorn {Marrubium vul­gare) oder große Brennessel {Urtica dioica), anzutreffen. Natürlich bedeutet das noch nicht, dass diese Arten gesammelt und als Heilpflanzen genutzt wurden, es kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. Auch stark giftige Arten kommen vor: Hunds­/Bilsenkraut {Hyoscyamus niger), schwarzer Nacht­schatten {Solanum nigrum) und Bittersüß {Solanum dul­camara). Höchstwahrscheinlich wusste man um die Wirkung dieser Pflanzen, und vielleicht wurden eini­ge von diesen halluzinogene Stoffe enthaltenden Pflanzen als Droge oder Gift verwendet. Die am Fundort geborgenen Pflanzenarten weisen auf die einstige Umgebung hin. Mit ihrer Hilfe kann der damalige Lebensraum skizziert werden. Ganz nahe der Siedlung befand sich ein großes Gewässer, ein Sumpf und feuchtes Areal. Die überwiegende Mehrzahl der Pflanzenarten stamt aus einem solchen Lebensraum. Die Samen oder Früchte des Laich­krauts {Potamogeton spec.) und ähnlicher schwebender Nixkrautgewächse, wie die gelbe Teichrose {Nuphar lutea) und der Wasserknöterich {Polygonum amphybi­3 JACOMET 1989. 270-276. 4 ÁRENDÁS 1982.1-10. um), gelangten von Teilen mit offenem Gewässer hier­her. Die Reste mehrerer Pflanzenarten, so des Wasser­ampfers {Rumex aquatica) und der Steinbinse {Schoenoplectus tabernamontani), stammen aus dem Röhricht am Ufer. Wir stießen auf besonders viele Halbachänen des Wasserfenchels {Oentha aquatica) und auf Eicheln der Teichbinse {Schoenoplectus lacus­tris). Das nächste Glied der Sukzession war das Groß­seggenried. Von hier stammen die Eicheln des La­chenknoblauchs {Teucrium scordium) und des Sump­fziestes {Eleocharis palustris). Auch Reste von zahlre­ichen Uferpflanzen: schwarzrotes Zypergras {Cyperus fuscus), niedriges Fingerkraut {Potentilla supina), Gifthahnenfuß {Ranunculus scelaratus), waren ver­treten. Die Eicheln der borstigen Moorbinse {Schoeno­plectus sataceus) und der schwärzlichen Kopfbinse {Schoenus nigricans) beweisen, dass das Ufer durch einen Sumpf in trockenen Boden überging. Die Wiese, auf der auch die Tiere der hiesigen Bevölkerung geweidet wurden, war abwechslungsre­ich. Von den feuchteren, aber weniger wichtigen Teilen der Wiese stammte das kriechende Fingerkraut {Potentilla reptans), während man aus der Zahl der Arten darauf schließen kann, dass die Wiese großen­teils von durchschnittlicher Feuchtigkeit war. Diese Pflanzen sind die bleiche Segge {Carex pallescens), der Hornklee {Lotus corniculatus) und die Kuckuckslicht­nelke {Lychnis flos-cucoli). Recht hoch ist im Fundmaterial die Zahl der aus sog. Ruderalgeseilschaften stammenden Arten, der Anteil der Samen/Früchte von Ruderalpflanzenarten liegt über dem der Unkräuter. Demnach dürfte auch die Größe der Siedlung nicht unbeträchtlich gewesen sein. Solche Ruderalgesellschaften sind in allen unter menschlicher Einwirkung stehenden Gebieten (an Gräben und Straßen, am Hang von Dämmen, auf unbebauten Feldern, in der Umgebung von Gebäu­den) zu finden, wo der Boden reich an Stickstoff und eventuell gedüngt ist. Auf den feuchten Schuttplatz ebenso wie auf den trockeneren Teil deutet je eine Pflanzenart hin: die große Brennessel {Urtica dioica) bzw das Hundskraut {Hyoscyamus niger). Die meisten Arten stammen von durchschnittlichen Standorten, und das war für die einstige Wohnumgebung kennze­ichnend: weißer Gänsefuß {Chenopodium album), Vogelknöterich {Polygonum aviculare), kriechender Hahnenfuß {Ranunculus repens), Wasserampfer {Rumex obtusifolius) und weiße Tagnelke {Silène alba). Dem Brunnen wurden Proben aus fünf verschiede­nen Tiefen mit einem Gewicht von 44 kg entnommen. Mit Hilfe der darin vorkommenden Pflanzenreste können gewisse stratigraphische Schlußfolgerungen gezogen werden. Die Analyse ergab dennoch, dass sie alle demselben archäologischen Zeitalter entstam­men. In der in einer Tiefe von 240 cm entnommenen 306

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