Budapest Régiségei 34. (2001)
STUDIEN = TANULMÁNYOK - Kremer, Gabrielle: Grabbauten des Aediculatypus in Noricum 163-176
GÁBRIELLÉ KREMER GRABBAUTEN DES AEDICULATYPUS IN NORICUM 1. EINLEITUNG Die Rückgewinnung des architektonischen Aufbaus und daraus folgend die typologische Einordnung von Grabbauten in Noricum waren das Thema eines Forschungsvorhabens der vergangenen Jahre. 1 Im Folgenden soll ein Teil der Ergebnisse 2 herausgegriffen und in einem Zusammenhang besprochen werden, der den Blick über die Grenzen - vor allem die östlichen Grenzen - der römischen Provinz Noricum erfordert. Ausgehend von den erhaltenen Werkstücken, deren ursprüngliche Position am Grabbau in vielen Fällen anhand von technischen, strukturellen und den Dekor betreffenden Details bestimmt werden kann, sind in Noricum Grabbauten der Typen "Aedicula", "Baldachin", "Altar" und "Pfeiler" nachweisbar. 3 Eine kritische Durchsicht der publizierten Grabungsbefunde lässt darüber hinaus eine Verwendung von Werkstücken mit Reliefs oder Inschriften sowie von architektonischen Verkleidungselementen auch an gemauerten Grabbauten, Tumuli und Umfassungsmauern erkennen, doch kann der Aufbau hier meist nicht mehr rekonstruiert werden. Weitaus die meisten erhaltenen Werkstücke können Grabbauten des Aediculatypus zugewiesen werden. 4 Die Aedicula scheint in Noricum die beliebteste Bauform bei aufwendigen Grabbauten in Quadertechnik gewesen zu sein, auch wenn man bedenken muss, dass die Aediculateile besonders charakteristisch und innerhalb des Gesamtmaterials vergleichsweise gut fassbar sind. Das bestimmende Merkmal der Quaderbauten des Aediculatypus ist die aus Stützelementen und an mindestens drei Seiten geschlossener Nische bestehende Form des Obergeschosses. Bei römischen Grabbauten dient die Aedicula immer als architektonische Rahmung zur optischen Hervorhebung der Grabinhaber. Diese können innerhalb der Aedicula in Form von Statuen oder Reliefporträts dargestellt und/oder auch inschriftlich genannt sein. Als markanteste Bauteile beim Rekonstruktionsversuch von Grabaediculae erwiesen sich die Bestandteile des Epistyl- und Deckenbereichs: Anzahl, Position und Zurichtung der Lagerflächen, das Vorhandensein von Soffitten oder die Gestaltung der Sichtflächen von Architrav- und Archivoltenteilen geben oft eindeutige Hinweise auf die Form der Obergeschosse. Teile des Daches, Tympana oder auch Blöcke der Sockelgeschosse hingegen können meist nur allgemein einem Grabbau der so genannten Mausoleumsgrundform nach Gabelmann 5 zugewiesen werden. 2. GRABBAUTEN DES AEDICULATYPUS IN NORICUM Einzelne Varianten von Grabbauten des Aediculatypus unterscheiden sich hinsichtlich Anzahl und Position der tragenden Elemente des Obergeschosses. Teile von großen Pyramidendächern sind mir in Noricum bisher nicht bekannt geworden, so dass sich eine Differenzierung nach dem Kriterium der Dachform vorläufig erübrigt. Für die norischen Grabaediculae in Quadertechnik müssen durchwegs hohe, aus mehreren Platten und Blöcken zusammengefügte Sockelgeschosse angenommen werden. Darauf lassen die rekonstruierten Grabbauten von Sempeter 6 einerseits und das häufige Vorkommen von Sockelbestandteilen in Noricum 7 andererseits schließen. Die folgenden Varianten von Grabaediculae kommen vor und sollen anhand weniger Beispiele kurz umrissen werden, 8 ohne dass an dieser Stelle auf die einzelnen Monumente und auf Fragen der Typologie eingegangen werden kann 9 (Abb. 1). Die distyle prostyle Aedicula (Abb. 1,1) Der Gesamtaufbau der Aedicula mit vorgelagertem Säulenpaar ist seit der Anastylose des Priscianus10 und des Enniergrabmals in Sempeter bekannt. 11 Wenn auch Details der Rekonstruktion teilweise umstritten sind, 12 so besteht doch in beiden Fällen kein Zweifel am architektonischen Aufbau der Grabmäler. Schon an den Deckenblöcken und an den Basisplatten der Obergeschosse beider Grabbauten lässt sich die Struktur der oberen Stockwerke mit seitlichen Pilasterwänden und vorgelagertem Säulenpaar ablesen: Bei den Deckenblöcken sind die unteren Lagerflächen, bei den Basisblöcken die Dübel- und Versatzlöcher der oberen Lagerflächen aussagekräftig. 13 Die Nischen beider Grabbauten werden von einem gewölbten Deckenblock überspannt und durch ein Satteldach abgeschlossen. Derselben Variante von distylen, prostylen Aediculae mit Archivolte gehört auch der Grabbau aus Donawitz an, der früher in einer nicht ganz fehlerfreien Rekonstruktion im Eggenberger Schlosspark in Graz aufgestellt war. 14 Mit einem horizontalen Architrav schließt hingegen die im Gesamtaufbau rekonstruierbare Grabaedicula in Bad Waltersdorf 5 ab. Insgesamt konnte ich 15 verschiedene Grabbauten dieser Variante im norischen Material identifizieren. Keiner davon kann mit Sicherheit einem Entstehungszeitraum vor der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts zugewiesen werden. Vielmehr scheinen diese Grabbauten in Noricum erst gegen Ende des 2. Jahrhunderts so richtig in Mode gekommen zu sein. 163