Budapest Régiségei 34. (2001)

STUDIEN = TANULMÁNYOK - Hebert, Bernhard: Neue Römersteine aus der Oststeiermark 123-134

der Unterseite, ein Hebeloch und ein tiefes Klammerloch mit Gußkanal an der Oberseite 29 (Abb. 9). Die Ausbildung der Kapitelle schließt eine Verwendung des Blockes als oberer Abschluß einer Ädikulaseitenwange aus, wie dies vom Verf. zunächst vor der Reinigung angenommen worden war, 30 die auch in den Maßen durchaus ähnlichen Vergleichsstücke z. B. aus Sempeter 31 besitzen allesamt über drei Seiten gehende Pfeilerkapitelle. Man muß somit, wie schon Gaby Kremer auf der Tagung in Budapest vermutete, eine Verwendung in einer geschlossenen Ädikulafront annehmen. Der Stein wurde aus dem Mauerwerk genommen, gereinigt und befindet sich jetzt zusammen mit anderen geschützt im benachbarten Kreuzgang des ehem. Klosters (Abb. 10). Aus konservatorischen Gründen in den Kreuzgang versetzt werden mußten ein Stelenfragment mit girlan­denhaltenden Eroten 32 und ein Porträtstein aus der Kirchhofmauer 33 sowie zwei Porträtsteine 34 und ein mythologisches Relief mit Herakles und Hesione 35 aus der Sockelzone der Loretokapelle. Bei den Porträts handelt es sich um hinten und seitlich nur roh behauene Nischen (Dicke Nr. 10 und 11 jeweils 20 cm, Nr. 16 33 cm), die in gemauerten Grabbauten eingesetzt gewesen sein müssen. Das Herakles-Relief (Abb. 11) trägt eine Platte (Br. jetzt max. 65 cm, H. 99 cm, D. 25 cm), die rechts durchgehend gebrochen ist; hier war ursprünglich eine tw. auch abgearbeitete und nur mehr in Resten sichtbare vorspringende glatte Leiste vorhan­den, die zusammen mit dem oben nach links gehenden Klammerloch (Abb. 12; rechts geht der Bruch durch ein Dübel?loch) das Relief als nach rechts gesetzten Bestandteil eines Ädikulasockels ausweist. Diese durch aufsteigende Feuchtigkeit und Bewuchs extrem geschädigten 36 Steine vom Sockel der Lorettokapelle (Abb. 13) hatten im Zuge einer Kirchenrenovierung der 20er Jahre unseres Jahrhunderts 37 Überschmierungen und Ergänzungen in Zementmörtel erfahren, 38 die ihre Erscheinung empfindlich, v. a. im Bereich der Gesichter (Herakles mit Schnurrbart!, vgl. Abb. 11) verändern, aber wegen der Härte der Ergänzungen und der Brüchigkeit des Marmors nicht abgenommen werden konnten. Hier muß man sich damit trösten, daß mit diesen kuriosen Zeugnissen der Restauriergeschichte ein gewachsener Zustand "einzementiert" erhalten bleibt. Seitens des Bundesdenkmalamtes wurde auch eine zumindest optische Bewahrung des gewachsenen Zustands im Architekturzusammenhang (Abb. 13) durch An­bringung von Ersatzkopien im Mauerwerk der Loretokapelle angestrebt; leider ließ sich diese Idee aus Kostengründen nicht verwirklichen. Auch die übrigen, an Ort und Stelle belassenen Steine wurden restauratorisch untersucht und, soweit nötig, gereinigt und gefestigt. 39 Sie stellen, wie das bekannte qualitätvolle Kentaurenrelief in der Lorettokapelle 40 oder das Pasticcio aus zwei Porträt­steinen und einer Inschrift 41 im Çhorhaupt mjMäirer~­Putzrahmung (Abb. 14) bewußt als schmückende Details angebrachte Elemente des barocken Kirchenbaus (ab 1655) dar; in ähnlicher Weise waren Spolien bereits für die romanische Kirche verwendet worden, wie die erhaltene südwestliche Langhausecke zeigt, die fast ausschließlich aus Römersteinen be­steht 42 Auch dieser Sekundär-, oder Tertiärver­wendung 43 von Römersteinen sollte verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt und die Befundung der Zugehörigkeit bzw. Sichtbarkeit von Steinen in ver­schiedenen Bauperioden bewußt betrieben werden. 44 So ließ sich auch bei einem weiteren neu entdeckten Römerstein in der Nordwestecke der linken barocken (ab 1655) Querkapelle anhand des Anschlusses des ursprünglichen Putzes und der das Relief überziehen­den Erstfärbelung eindeutig zeigen, daß eine Sichtbarkeit intendiert war. Erst der Anbau der Sakristei (Ausmalung dat. 1730) hat das Relief (H. 98 bis 99 cm, Br. über 68 cm) wieder verschwinden lassen, das nach der Wiederentdeckung mühsam freigelegt werden mußte. Es zeigt unter einem norisch-pannonischen Volutenornament auf einem gemeinsamen Standsockel mit geschwungen eingezogenen seitlichen Abschlüssen zwei einander zugewandte librarii im üblichen geschürzten Gewand (Abb. 15, 16); ihre Köpfe sind weitgehend abgeschlagen. Der linke stehende hält in der erhobenen Linken ein aufgeklapptes Diptychon, zu dem sein Blick geht, mit der Rechten unter dem Arm eine Schriftrolle. Seine tunica zeichnet sich durch weite Armel aus. Der rechte hat sein rechtes Bein auf eine capsa gesetzt und hält über dem Knie mit der linken Hand ein entrolltes volumen, dessen zweites Ende weich herabfällt. In dieses volumen schreibt er mit gesenktem Kopf - wie auf ein Diktat des anderen libra­rius - mit einer Feder; ein Federfutteral hat er links an der Brust angesteckt. Hinter ihm stehen am Boden gebündelte Schriftrollen. Das in Relieftiefe (bis zu 7 cm) und Blockhöhe dem oben genannten Herakles-Relief entsprechende und in der Grundform des norisch-pannonischen Volutenornamtents und wohl auch im Stil sehr ähnliche neuendeckte Stück könnte zu demselben Grabmonument gehören, das - mit aller gebotenen Vorsicht - wohl nicht vor dem ausgehenden 2. Jahrhundert zu datieren sein wird. Die Zusammenstellung an sich bekannter 45 librarii-Typen in einem Reliefbild ist selten. 46 Das Relief wurde gereinigt an Ort und Stelle in einer Nische sichtbar belassen, eine Herausnahme kam schon aus technischen Gründen und wegen der Gefährdung der auf der Innenwand der Sakristei vorhandenen Wandmalereien nicht in Frage. Die Arbeiten in St. Johann und in Waltersdorf haben wieder gezeigt, wie viel an neuem Material, aber auch an neuen Beobachtungen bei der Beschäftigung mit historischen Bauten und der konservatorischen Betreuung bereits bekannter Römersteine zu erwarten ist. Sie haben aber auch verdeutlicht, wie dringend der überlieferte Bestand an Römersteinen einer konserva­- torisch sinnvollen Aufstellung und - mitunter aufwendigen - Pflege bedarf. 124

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