Budapest Régiségei 30. (1993)

Harl, Ortolf: Die Stellung der Frau bei den einheimischen Stämmen Nordpannoniens : eine sozial- und kunstgeschichtliche Studie = A nő helyzete Észak-Pannónia bennszülött törzseinél 7-37

Zu den Münzen der Kelten Als Überleitung und zum besseren Verständnis der sozialen Aussagekraft einheimischer Namen scheint mir ein Blick auf die keltischen Münzen nötig, bei dem ich mich auf die grundlegenden Forschungen von R. Göbl stützen kann. Göbl arbeitete im wesentlichen zwei Münzkreise heraus, den westnorischen und den ostnorischen , neben denen der boische steht. Numis­matisch sind die Westnoriker interessanter, weil sie ih­re Münzen mit vielen leserlichen Namen versehen ha­ben, über die man zu historischen Aussagen gelangt. Am wichtigsten sind natürlich die Prägungen des von Caesar als norischer König genannten VOCCIO (den Göbl für eine „numismatische Eintagsfliege" hält 61 ), des Senonenfürsten CAVARINUS, der nach der Ächtung durch seine Landsleute zu Caesar über­ging , sowie die zweier Münzherren mit echten galli­schen Namen, nämlich SVICCA und EICCAIO. Das Auftauchen dieser Namen bringt Göbl mit gutem Grund mit der Niederlage der Gallier gegen Caesar zusammen. In der Folge gelang es den Westnorikern, ihre Münzprägung so durchzuorganisieren, daß sie am Ende, nämlich zur Zeit der Eingliederung Norikums ins römische Reich im Jahre 15 v. Chr. fast römisch 63 war. Im Gegensatz zu den gut leserlichen Beischriften der westnorischen Münzen sind jene der ostnorischen kaum zu entziffern. Immerhin tauchen in der Spät­phase ihres Münzausstoßes nicht weniger als sieben oder mehr verschiedene „Auftraggeber" auf und in der boischen Münzprägung, die ja eine eigenständige Gruppe darstellt, begegnen sogar deren fünfzehn. Auf Grund der vielen Namen, die in eine ganz kurze Zeit­spanne hineingehören und daher fast zeitgleich sein müssen, ist Göbl davon abgegangen, die auf den Mün­zen genannten Männer als Könige zu bezeichnen und in ihnen die Repräsentanten eines fest gefügten Staa­tes zu sehen. Er denkt nun vielmehr an die Mitglieder einer Adelsschicht, die mitunter die gleiche Prägestät­te mit den gleichen Kunsthandwerkern und Münztech­nikern, ja gelegentlich sogar gemeinsame Stempel ver­wendeten. Diese Schlußfolgerung ist nicht nur für die allgemeine Geschichte äußerst wichtig, sie läßt sich auch nahtlos an unsere Beobachtungen zur Ge­sellschaftsstruktur anfügen. Denn wie E. Weber aus­geführt hat , begegnet ein Großteil der auf den Mün­zen zu entziffernden Namen vorwiegend auf Grabinschriften im Noricum und Pannonién der Prin­zipatsepoche. Auch wenn man in Rechnung stellen muß, daß Namen sozial absinken, ist über die Namen­gebung auf den Münzen eine Verbindung zwischen der Adelsschicht der ausgehenden Kcltcnzeit und der Oberschicht der Kaiserzeit herzustellen. In diesen Zu­sammenhang paßt auch die Verwendung der Bildmo­tive auf den Münzen. Denn als Rückseitenstempel prägen die Ostnoriker ein Pferd und die Wcstnorker in vielen Variationen einen lanzenschwingenden Rei­ter, das heißt, daß sich die münzprägende Gesell­schaftsschicht durch Pferd und Reiter am besten cha­rakterisiert sieht. Schon hier sei vorweggenommen, daß das Pferd, vor allem aber der Reiter zu den gän­gigen Bildmotiven in den Zwischenbildchen der ein­heimischen Grabstelen gehören. Mehr wird im Schlußkapitel darüber zu sagen sein. Die Namengebung Bei den antiken Schriftstellern werden die Könige und Anführer der germanischen und keltischen gentes nicht anders genannt als mit ihrem eigenen Namen und - gelegentlich - mit dem Vatersnamen (Filia­tion). Mehr Benennung war auch gar nicht nötig, da innerhalb einer civitas ohnedies jeder jeden nicht nur persönlich, sondern auch von seiner Stellung innerhalb der Gesellschaft her kannte, sodaß aufwendige Titu­laturen, unnötig waren. Nicht anders ist es auf unseren Steindenkmäleren, auf denen das wichtigste soziale Unterscheidungs­merkmal die Filiation ist, d. h. die Angabe des Vaters­namens. Jemand, der einen Vater angeben kann, steht auf jeden Fall in einer Familientradition. Wie wichtig in jedem Fall die Familienzugehörigkeit gewesen sein muß, zeigen die Freigelassenen durch die Angabe ih­res Patrons. Da Sklaven - z. B. Amandus, Maner­tus , Gemella, Primus, Tuto, Mogetius - keinen Va­ter angeben (dürfen?), erlaubt die Filiation die Unterscheidung zwischen frei und unfrei Geborenen. Deutlich tritt das soziale Umfeld, in das uns die Filiation führt, bei der Stele der achtjährigen Solva aus Esztergom (Nr. 67) hervor, die die Tochter des Iucun­dus, eines prineeps Azali(orum) gewesen ist. Dieser gibt nur sein nomen simplex an, war also trotz seiner führenden Position innerhalb der Azaler nicht römi­scher Bürger. Zwar sind der Stil von Büste und Buch­staben sowie der Name des Vaters römisch, sodaß die­ser Grabstein eigentlich nicht in unsere Gruppe gehört. Dennoch muß er hier erwähnt werden, weil er uns nämlich klar macht, daß die Tochter eines azali­schen Fürsten nicht anders benannt wird als die übri­gen freigeborenen Einheimischen, nämlich mit dem ei­genen Namen und dem Namen des Vaters (Filiation). Leider ist der Oberteil verbrochen, doch erkennt man immerhin noch den Ansatz einer wohl weiblichen Bü­ste. Daraus wird man den vorsichtigen Schluß ziehen dürfen, daß jene Grabsteine, die mit einem Bild der/des Verstorbenen verziert sind und deren/dessen Vatersnamen anführen, von einer Gesellschaftsschicht gesetzt worden sind, der auch die principes an­gehören konnten. Zu den Bleietiketten aus Kalsdorf/Stmk Seit kurzem sind wir in der glücklichen Lage, die Richtigkeit der eben gewonnenen Erkenntnis, daß die Einheimischen mit Filiation jene Adelsschicht reprä­sentieren, die Münzen prägen und die Stammesführer stellen konnte, durch eine Gegenprobe zu überprüfen. Es sind 131 Bleietiketten, die im Jahre 1979 in Kais­dorf, südlich von Graz innerhalb des Territoriums des L2

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