Budapest Régiségei 13. (1943)
ÉRTESÍTŐ - Auszüge = Estratti = Summaries 485-575
gewölbt, sondern flächenartig. Der Augenteil ist stark betont. Die Augenhöhle, in der grosse, längliche und sich verjüngende Augäpfel sitzen, wird oben von einem breiten, geschwungenen Streifen begrenzt. Die Augenlider umschliessen als schmale, geschwungene Bänder die pupillenlosen Augäpfel. Die schmalen, dünnen Lippen sind etwas geöffnet. Das Gesicht wird nach unten schmäler und wird von einem runden, einigermassen energisch vorspringenden Kinn abgeschlossen. Ähnliche Stileigentümlichkeiten weist das Portrait eines Grabsteins aus Gran (Solva) aus der Zeit Domitians 10 und besonders hinsichtlich der Behandlung von Stirn und Augen das Medusenhaupt auf, das auf dem umbo des Schildes von Castricius dargestellt ist. Das unter dem mit Hörnern verzierten Helm sichtbare Haar wird von geschwungenen, schrägen Linien in Stränge eingeteilt, ebenso, wie auf den Bildnissen aus der Zeit Domitians. 11 In der Darstellungsweise der Figur des Castricius vermengen sich ältere Überlieferungen der abendländischen Provinzialkunst mit neueren Bestrebungen. Die archaisierenden Züge werden sofort klar, wenn wir unsere Stele mit dem ungefähr fünfzig Jahre früher verfertigten Grabstein des Cn. Musius, Aquilifer aus Mainz, vergleichen. 12 Die Auffassung des Körpers ist hier eine andere ; die Gestalt des Aquilif ers ist viel plastischer. Die steife Haltung ist jedoch beiden gemeinsam. Ferner zeugen zahlreiche Einzelheiten der Ausdrucksweise von derselben Unbeholfenheit, wie auf der Stele des Castricius. Im Aufbau des Körpers sind die unverhältnismässig langen Beine, der kurze Unterleib und die breite, doch im Verhältnis zum Unterleib flache Brust beiden gemeinsam. Beachtenswert ist die auf den oberen Rand des dem Bein angelehnten Schildes gelegte grosse Hand, deren lange, gerade, von tiefen Einschnitten abgeteilte, 10 Veröffentlicht von /. Szilâgvi, Arch. JÊrt. 51, 1938, S. 45 ff, Abb. 1. il R. West, Römische Portraitplastik II. München, 1941, S. 20 ff, Taf. U, Abb. 14 ff. ia A. Furtwängler, a. a. O. Taf. XI, Abb. 1. Germania Romana, Taf. III. v. Abb. 3. — L. Hahl, a. a. O. S. 13—14. ungegliederte Finger auf der Stele des Castricius wiederzufinden sind, doch hier in einer noch flacheren und noch mehr schematischen Fassung. Ein halbes Jahrhundert später, in der Flavierzeit, begegnet uns auf den Grabsteinen der Rheingegend eine andere, mit der der Castricius-Stele identische Auffassung des Körpers. Die Figur wird gegen Ende des I. Jhs immer flacher und relief artiger, verwächst beinahe mit dem nischenartigen Hintergrund, der ebenfalls an Tiefe einbüsst und immer flacher wird. Eine gewisse Auflösung der Steifheit bedeutet die Unterscheidung des sog. stehenden und spielenden Beines. Diese Züge sind alle, wie wir sahen, auch auf der Stele des Castricius vorhanden. Der Bildhauer dieser Stele hat also die Figur des in Aquincum verstorbenen Legionärs schon in der Kenntnis der Soldatengrabsteine der Rheingegend aus der Flavierzeit dargestellt. Nicht nur hinsichtlich des Stils, sondern auch der Bewaffnung sind für uns die zeitgenössischen Grabsteine der Rheingegend sehr aufschlussreich. Auf dem in den Achtzigerjahren verfertigten Grabstein des C. Val. Crispus (Hahl, a. a. O., Taf. 4., Abb. 3.) weisen das schwere Pilum, der grosse Knopf des Gladius, die glockenförmige Parierstange, die vom Gurt herabhängenden, verzierten Lederriemen in Einzelheiten gehende Übereinstimmungen mit den entsprechenden Teilen der Stele des Castricius auf. Die Gesichtschutzbleche des Helms berühren sich mit ihren schmalen Enden ebenfalls unter dem Kinn und verdecken die Ohren. Später, zur Zeit Trajans, werden die Ohren von diesen schmalen Schutzblechen freigelassen, 13 ein Beweis mehr, dass die Stele des Castricius nicht aus der Zeit Trajans stammen kann. Die antiquarischen Anmerkungen und die Stileigentümlichkeiten weisen eindeutig auf das Zeitalter Domitians hin. Die aus dem Text der Inschrift erbrachten Beweise schränken wiederum diesen grösseren Zeitraum auf die Jahre zwischen 88 und 92 ein. 13 K. Lehmann — Hartleben, Die Traianssäule. Tafelband, passim. 571