Nyelvtudományi Közlemények 77. kötet (1975)
Tanulmányok - Kiss, Jenő–Kokla, Paul–Schlacher, Wolfgang: Kontrastive Untersuchungen zur Übernahme internationaler Wörter im Estnischen, Finnischen und Ungarischen 5
KONTRASTIVE UNTERSUCHUNGEN ZUR ÜBERNAHME INTERNATIONALER WÖRTER 9 Das Estnische weicht wiederum von den beiden anderen Sprachen ab : es enthält wesentlich mehr Komposita, während besonders die Ableitungen gegenüber denen der anderen Sprachen zurückbleiben. Bedenkt man nun etwa bei einem Vergleich zwischen Deutsch und Ungarisch, daß Deutsch das Kompositum häufiger verwendet als das Ungarische (hier tritt die Ableitung stärker hervor), möchte man vermuten, daß der große Anteil der Komposita im Estnischen wenigstens teilweise auf deutschen Einfluß zurückgeht. Von besonderem Interesse sind diejenigen Fälle, in denen dem internationalen Wort in mindestens einer unserer finnisch-ugrischen Sprachen ein nicht weitergebildetes Wort entspricht. Hier scheinen sich einige typische Wege abzuzeichnen, auf denen die Sprache zur Schaffung von Gegenstücken für internationale Wörter gelangt. Wir fanden zwei Gruppen mit je zwei Untergruppen. In der ersten Gruppe entstehen die neuen Wörter auf morphologischem Wege, und zwar durch Rückbildung oder Weiterbildung. Da es sich in jedem Fall um Produkte der Spracherneuerung handelt, dürfen wir den Begriff »Weiterbildung« nicht im strengen Sinne der historischen Sprachforschung verstehen. Diese Wörter erscheinen dem heutigen Sprecher als Wurzelwörter, z. B. Adresse : ung. cím « címer), Idee : ung. eszme «eszmél), fi. aate « aatella ~ ajatella 'denken') (s. TESz. und SKES.) : dies Verfahren scheint im Ungarischen viel verbreiteter zu sein als im Finnischen. — Faktum: ung. tény {<Cte-nni 'tun, machen'). Die zweite Gruppe umfaßt solche Fälle, wo der Wortkörper bereits existiert und nur die Bedeutung nach Umfang oder Inhalt verändert wird. Die Untergruppen entstehen so, daß in der einen nur ein Unterbegriff zu einem bereits vorhandenen Obergriff hinzugefügt wird, die andere dadurch, daß ein selbständiger Begriff aufgenommen wird, z. B. fi. vika 'Defekt' (ursprünglich 'Fehler'), kappale 'Exemplar' (ursprünglich 'Stück') bzw. ung. jegy 'Billett, Eintrittskarte' (ursprünglich 'Zeichen'), £i. juna 'Eisenbahnzug' (ursprünglich und dialektal 'Reihe'), fi. kone 'Maschine' (ursprünglich bzw. dialektal auch 'Arbeitgerät'). Zu den Komposita wollen wir nur bemerken, daß etwa 50% unseres ungarischen Materials — um nur ein Beispiel zu nennen — nach deutschem Muster gebildet ist, ungefähr ein Drittel selbständig geschaffen zu sein scheint {utóétel: Nachspeise und fasor 'Allee'). Bei den Ableitungen von internationalen Wörtern lassen sich gewisse Eigentümlichkeiten beobachten. Das Ungarische verwendet zur Einbürgerung verbaler Begriffe das seit alters übliche Suffix -l {honorál 'honorieren'). Bei den Adjektiven dagegen (größtenteils lateinischen Ursprungs) wird das lateinische Suffix nicht nur beibehalten, sondern gelegentlich auch Wörtern nichtlateinischen Ursprungs angefügt (z. B. akadémikus 'akademisch', dekadens 'dekadent', diplomatikus 'diplomatisch'). Auch bei den Substantiven wird großenteils die lateinische Endung beibehalten {-áció, -ista, -tás), eine eigene Gruppe bilden die nomina actionis. Hier stehen die funktionell gleichen Suffixe lat. -{a)tio und ung. -ásj-és nebeneinander. Grundlage der Weiterbildungen mit ung. -ásj-és sind Lehnverba auf -/. In den beiden ostseefinnischen Sprachen sind die Suffixe für Lehnverba fi. -oi- und -eera-, estn. -eeri- (z. B. fi. dokumentoida, estn. dokumenteerima : 'dokumentieren'). -Eera- und -eeritreten nur an die neueren Lehnstämme, fi. -oi- ist zwar alt, findet sich aber z. B. kaum in den alten germanischen Lehnwörtern. Die Adjektiva werden im Gegensatz zum Ungarischen mit einheimischen Suffixen (fi. -nen-, -inen, -llinen, estn. -ne, -ine, -Une, -lik) gebildet (z. B. fi. kyyninen <~ kyynillinen,