Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

TISCHER, Anuschka: Die Bellegarde-Akten im Historischen Staatsarchiv Lettlands in Riga: Quellen zur transnationalen Geschichte einer savoyisch-österreichischen Adelsfamilie und ihres Umfelds vom 15. bis zum 20. Jahrhundert

Anuschka Tischer für das Jahr 1767, eine Darstellung der Vermögensentwicklung des Gutes für den Zeitraum 1801-1840, die Schilderung von Streitigkeiten der Untertanen mit ihrer Obrigkeit45, ein Verzeichnis der Amt- und Wirtschaftspersonen von Groß-Herrlitz vom 17. Jahrhundert bis 1929 und ein Urbar von 1694.46 Die Bellegarde-Akten sind eine Quelle für historische Fragestellungen sehr unterschiedlicher Art und Epochen. Offen bleibt dabei, wie sie ihren Weg nach Riga gefunden haben: Das Historische Staatsarchiv Lettlands in Riga besteht, bedingt durch die Geschichte des aus den historischen Ländern Kurland-Semgallen und Teilen Livlands bestehenden Staates, aus ursprünglich verschiedenen einzelnen Archiven. Ein Bestand des Historischen Staatsarchivs, der Fonds 1 100, enthält umfangreiches Material zu baltischen, vor allem kurländischen Adelsfamilien. Dieser Fonds ist im Wesentlich aus dem Kurländischen Landesarchiv hervorgegangen. Kurland war zwischen 1591 und 1795 ein eigenständiges Herzogtum und 1795-1918 eine der drei baltischen Provinzen Russlands. Das Landesarchiv wurde erst 1903, noch als regionales kurländisches Archiv in Mitau (Jelgava), gegründet. Nach nur 15 Jahren wurde das junge Landesarchiv nach dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland ausgelagert. Es folgte eine wechselvolle Geschichte, die Beschädigungen und Verluste am Archivgut mit sich brachte. Das Archiv galt, bis auf einige 1932 an Lettland zurückgegebene Kisten, zeitweilig als verschollen, wurde dann aber im Deutschen Zentralarchiv in Merseburg wieder aufgefunden. Ende der 60-er Jahre gingen die nun etwa 20 000 Akten zurück an das Historische Staatsarchiv in Riga.47 In Riga wurde das Kurländische Landesarchiv gemäß der bestehenden Systematik auf die vorhandenen Bestände aufgeteilt, so dass sich die ursprüngliche Herkunft heute nicht mehr unmittelbar erschließt. Im Archiv konnte niemand Auskunft zur Herkunft der Bellegarde-Akten geben, so dass sich nicht sagen lässt, ob diese Akten bei der Auslagerung des Kurländischen Landesarchivs nach Deutschland dort abgelegt waren. Dies erscheint unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass nicht nur eine gesamte Akte, die „Beiträge zur Geschichte der Gutsherrschaft Groß-Herrlitz“ von 1936, sondern auch einzelne Dokumente in den Akten aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg stammen.48 Wenn die Bellegarde-Akten aber ursprünglich nicht zum Bestand des Kurländischen Landesarchivs gehörten, kommen zwei Möglichkeiten 45 Alles LVVA 1 100, ap. 14, lieta 113. 46 Jeweils LVVA 1 100, ap. 14, lieta 114, Anhang. 47 Siehe dazu Krajevska/Zeids (wie Anm. 1), S. 24-28. Das Deutsche Zentralarchiv Merseburg wurde nach der deutschen Wiedervereinigung an das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin - wo das Kurländische Landesarchiv sich erstmals nach 1938 für einige Jahre befunden hat - überführt. Laut freundlicher Auskunft von Dr. Jahn vom Geheimen Staatsarchiv vom 5. Februar 2003 kann man nach den dortigen Unterlagen keine Angaben mehr über den Inhalt des Bestandes vor der Rückgabe nach Riga machen, und es liegt dort auch kein Findbuch über den Bestand vor. 48 LVVA 1 100, ap. 14, lieta 36 enthält Ehedokumente bis zum Jahr 1920; LVVA 1 100, ap. 14, lieta 102 enthält fol. 197-198v eine Todesanzeige von 1930. 328

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