Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

TISCHER, Anuschka: Die Bellegarde-Akten im Historischen Staatsarchiv Lettlands in Riga: Quellen zur transnationalen Geschichte einer savoyisch-österreichischen Adelsfamilie und ihres Umfelds vom 15. bis zum 20. Jahrhundert

demonstrieren.9 Zahlreiche Dokumente, auf welche die Bellegarde zur Verteidigung ihres Stammbaums und ihrer adeligen Herkunft dabei Bezug nahmen, sind heute zusammen mit dem Druck in den Bellegarde-Akten archiviert: neben dem Patent Karls V. solche der Herzoge von Savoyen bzw. Könige von Sardinien sowie Eheverträge und Testamente. Für eine Aufarbeitung dieses sozialhistorisch bemerkenswerten Prozesses liegt hier umfangreiches Quellenmaterial bereit. Für die Bellegarde war die juristische und öffentliche Verteidigung ihrer Dynastie ein Erfolg, denn ihr gesellschaftlicher und politischer Aufstieg setzte sich auch nach 1765 fort. Das Patent Karls V. war nun endgültig ein Fixpunkt ihrer dynastischen Selbstreflexion, auf das sich die Familienmitglieder erst recht nach dem Wechsel vom savoyisch-sardinischen in den habsburgischen Dienst und auch nach der Auflösung des Reiches 1806 bezogen.10 Dank der spätestens für den Prozess 1764/1765 gesammelten Originaldokumente und Kopien, welche trotz des anschließenden mehrfachen Ortswechsels der Bellegarde dann offenbar geschlossen aufbewahrt wurden, lässt sich die Familiengeschichte schon für die savoyisch-sardinische Zeit gut erschließen. Der Beginn des Aufstiegs der Familie ist mit mehreren Originaldokumenten belegt mit der Ernennung Antoine Noyels zum Ratssekretär durch Herzogin Yolande von Savoyen 1477 und der Bestätigung dieser Ernennung durch den volljährig gewordenen Herzog Philibert I. 1479.11 Es folgen zahlreiche weitere Ernennungsurkunden savoyischer Herzoge aus den folgenden 47 Jahren für Antoine Noyel, seinen Sohn Jean, der den Titel eines seigneur de Bellegarde führte und zum Conseiller d'Etat des Herzogs avancierte, und seinen Enkel François, der es zum Gouverneur von Nizza und Botschafter am Kaiserhof brachte.12 Für das 16. und 17. Jahrhundert liegen neben Kopien aus dem 18. Jahrhundert zahlreiche originale Patente und Privilegien der savoyischen Herzoge und ihrer Gattinnen - darunter neben Originalurkunden der französischen Prinzessin Yolande solche der spanischen Infantin Catalina (1567-1597) - für die Familie Bellegarde respektive ihre Mitglieder im Archiv in Riga13. Sie zeigen, dass diese sich neben dem administrativen Dienst für Savoyen auch im Militärdienst auszeichnete. Aus diesem Tätigkeitsgebiet der Bellegarde gingen auch zwei umfangreichere militärhistorische Die Bellegarde-Akten im Historischen Staatsarchiv Lettlands in Riga 9 Ein Exemplar des insgesamt 73-seitigen Drucks ist überliefert in LWA 1 100, ap. 14, lieta 112 fol. 48-86v. Das Patent Karls V. wurde 1763 - zusammen mit anderen Patenten und Privilegien - ebenfalls erneut abgeschrieben (ebenda lieta 51). Eine handschriftliche Kopie des Stammbaums findet sich auch ebenda lieta 48 fol. 4. 10 So Heinrich von Bellegarde in einem Brief an seinen Bruder, Wien 1811 August 1 (LWA 1 100, ap. 14, lieta 101 fol. 121-123v). 11 Beide Urkunden sind zusammengeheftet überliefert in LWA 1 100, ap. 14, lieta 53. 12 LWA 1 100, ap. 14, lietas 53-60. Biographische Details ebenda lieta 48. 13 LWA 1 100, ap. 14, lietas 63-65 und 67-70. Ebenda lieta 51 findet sich eine 120 Blatt umfassende Sammlung von Kopien und Originalen. 321

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