Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
davon, daß diese Leute ihren bürgerlichen Gewinn auffechnen, welcher nicht in dem Schranken der Billigkeit bleibt und uns entgeht, benützen dieselben sogar auch noch unsere Lokalitäten, [...]. Ich sehe daher nicht ein, warum wir die Reparaturen nicht, wie dies bei den Sattlerarbeiten geschieht, in eigener Regie bewirken und Leute, welche die Profession verstehen, in Taglohn aufnehmen sollten. Wir haben dabei den Vorteil, daß uns der Gewinn, den der Meister sich anrechnet, bleibt und wir außerdem noch die Überzeugung gewinnen können, was eigentlich für Reparaturen, dann ob solche solid und dauerhaft gemacht werden, was jetzt nicht möglich ist, nachdem, wenn die Reparaturen wieder durch den Lack oder die Farbe bedeckt sind, selbe nicht mehr beurteilt werden können. Wir werden zwar nach meiner Überzeugung auch dann zum Teil hintergangen werden, aber wenigstens wird dies nicht in der Ausdehnung wie jetzt möglich sein. Dabei können wir noch die Überzeugung gewinnen, daß gutes und solides Material zu den Reparaturen verwendet wird, nachdem wir dasselbe ankaufen und vor der Verwendung besichtigen können. [...] Ich komme jetzt auf den zweiten Punkt nämlich die Erzeugung der Wägen zu sprechen und erlaube mir dabei den Unterschied zwischen Leib- und Kavalier-, dann Dienstwägen zu machen. Die beiden ersteren als ein Artikel, welcher mehr oder weniger der Mode unterliegt und von dem Geschmack, den die Sattler besser als unsere Leute haben, abhängt, wage ich nicht zu eigener Erzeugung anzutragen, obwohl nicht zu leugnen ist, daß wir eigentlich nie wissen können, welches Materiale in den neuen Wägen steckt und ob selbe gut und dauerhaft gemacht sind, denn ich habe zum Beispiel schon die Überzeugung, daß die Polster selbst in den Leibwägen größtenteils Kuhhaare statt Roßhaar enthalten, wo wir dann genötiget sind, wann ein oder der andere Wagen neu ausgemacht wird, die Polster mit Roßhaar zu füllen. Was dagegen die Dienstwägen betrifft, so nehme ich mir die ehrerbietige Freiheit Euer Exzellenz die Erzeugung derselben in eigener Regie untertänigst vorzuschlagen. Die Gründe dafür sind, daß wir das Materiale kennen, aus welchem solche erzeugt werden, und uns der Gewinn bleibt, welchen der Professionist sich dabei berechnet. Ich kann dabei den [...] Vorschlag nicht übergehen, wonach nach der von Euer Exzellenz gnädigst zu bestimmenden Form für die Dienstwägen, die einzelnen Bestandteile nach gleichen Dimensionen in der Art verfertigt werden sollen, daß solche auf jeden Wagen passen, wodurch für uns der Vortheil erwächst, daß, wenn Bestandteile an mehreren Wägen unbrauchbar werden, man aus den noch guten Teilen wieder einen brauchbaren Wagen zusammenstellen kann. [...] Im Falle der hohen Genehmigung dieses Antrages die Reparaturen und die Erzeugung der Dienstwägen in eigener Regie zu bewirken, wären jedoch zwei Sachen durchaus notwendig. 1. Die nötigen Geldmittel zur Anschaffung eines Vorrates an Materiale, insbesondere Holz, welches Behufs der Austrocknung abliegen muß, und 2. Die Vermehrung des Personalstandes der Hofsattlerei.232 Mattls Vorschläge wurden vorerst nicht realisiert. Aus Inventaren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wissen wir aber, dass in späteren Zeiten wieder Wägen in der Hofsattlerei gebaut wurden. Aus den Hofschematismen und Hofkalendem ist außerdem zu ersehen, dass die Hofsattlerei auch personell wieder aufgestockt wurde. Welche Überlegungen schließlich dafür den Ausschlag gaben, und wie die wiedererstandene Hofwerkstätte organisiert wurde, wird Gegenstand von weiterführenden Forschungen sein. Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof 232 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Mattl an Oberststallmeister-Stellvertreter Grünne, Wien 1851 April 28, HHStA, OStA, C, 84, Fasz. 28, unfol. 165