Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl beliefern.218 Der Wagenschmied Anton Kremser, der in der Hofsattlerei die Schmiedearbeiten geleitet hatte, erhielt die Gewerbsbefugnis und wurde Compagnon des Hoflieferanten Ullmann.219 Weniger erfolgreich war der Riemer Wenzel Häussler. Zwar erwarb er den Meistertitel und gründete ein eigenes Geschäft, konnte aber nicht genug Kunden für sich gewinnen. Auch seine Bitte, den Oberststallmeisterstab beliefern zu dürfen, wurde abgelehnt. Häussler gab schließlich das Riemergewerbe auf und eröffnete ein Greißlergeschäft.220 Wie vom Kaiser angeordnet, wurden in der Hofsattlerei fortan nur noch Fahrzeuge auf Schäden überprüft. Behoben wurden diese nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn sie so klein und unbedeutend waren, dass sie sofort vom Hofsattlereipersonal durchgefuhrt werden konnten. Oberststallmeister Wrbna meinte jedoch, die Zahl der nun vorhandenen Sattlergesellen reiche selbst für diesen stark eingeschränkten Aufgabenbereich nicht aus. Vor allem bei Hofreisen und während sommerlicher Landaufenthalte der Kaiserfamilie sei es unabdingbar, kurzfristig mehrere Handwerker aufzunehmen.221 Ferdinand I. zeigte sich aber von Wrbnas Argumenten unbeeindruckt. Der Kaiser wollte um jeden Preis verhindern, dass die eben erst realisierte Personalreduktion auf Umwegen wieder rückgängig gemacht werde und befahl Wrbna sogar, nach Ablauf eines Jahres Bericht zu erstatten, „ob nicht noch in dem vorhandenen Personale eine weitere Verminderung zulässig sei.“222 Zu einem weiteren Personalabbau sollte es zwar nicht mehr kommen, vorerst aber auch zu keiner Aufstockung. Erst in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre wurde die Zahl der als Tagelöhner beschäftigten Sattler- und Riemergesellen wieder leicht erhöht; damals kam es sogar erstmals zur Aufnahme von Wagenlackierem.223 Durch die Reduktion des Hofsattlereipersonals waren nun zwei der drei Werkstättenräume (Abb. 2) verwaist. Der größte davon wurde weiterhin von den verbliebenen Gesellen der Hofsattlerei verwendet. Dem geschrumpften Handwerksteam wurde deshalb kein kleinerer Raum zugewiesen, weil in der kalten Jahreszeit nasse oder vereiste Fahrzeuge zum Trocknen in die beheizte Hofsattlerei eingestellt wurden und für diesen Zweck ausreichend Platz zur Verfügung stehen musste. Für die Wagenschmiede und die Wagnerei fehlten aber nun die Fachkräfte. Da nahezu täglich kleinere Reparaturen an Wägen anfielen, die in den Kompetenzbereich von Schmieden und Wagnern fielen, und diese Arbeiten rasch durchgeführt werden mussten, vergab der Oberststallmeister die beiden erwähnten 2,8 Ebenda, S. 176. 219 Ebenda,S. 173. 220 D ö b e r 1 : Die Kutschen der Kaiser, S. 172. 221 Oberststallmeister Wrbna an Kaiser Ferdinand I., Wien 1842 November 25, HHStA, OStA, C, 116, ZI. 2 511 aus 1843, unfol. 222 Kaiser Ferdinand I. an Oberststallmeister Wrbna, Schönbrunn 1843 Juni 10, e b e n d a. 223 Döberl: Die Kutschen der Kaiser, S. 179. 162

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