Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof der sonstigen, im Winter vermehrten Lebensbedürfnisse bedeutend gesteigert wird. Hätten einzelne dieser Gesellen einiges Vermögen besessen, so ist kaum zu bezweifeln, daß sie alles zur Erlangung des Meisterrechtes oder eines Gewerbsbefugnisses würden aufgeboten haben, und daß manche aus ihnen durch ihre vielfältig erprobte Geschicklichkeit im Stande gewesen wären, sich eine gute Zukunft zu bereiten; allein ob Mangel eines Vermögens waren sie notgedrungen, ihren Lebensunterhalt durch Taglohn zu fristen, und dieser bot ihnen kaum die Gelegenheit zur Hinterlegung eines Sparpfennigs dar.210 Um die traurige Situation für die Entlassenen zumindest ein wenig zu verbessern, schlug Wrbna dem Kaiser einen Sozialplan vor, dem der Monarch schließlich auch zustimmte.2" Alle Betroffenen sollten in den Genuss einer Einmalzahlung kommen. Ledige sowie Witwer, die keine Kinder zu versorgen hatten, bekamen eine Abfertigung in der Höhe ihres zweiwöchigen Lohnes, „wie dies ohnehin bei Privaten, wenn plötzliche Entlassungen von Dienstboten stattfinden, geschehn muß“.212 Sämtliche verheiratete Gesellen erhielten hingegen eine doppelt so hohe Abfertigung. Sechs der Handwerker, die schon länger als zwanzig Jahre als Tagelöhner in der Hofsattlerei beschäftigt waren, und bei denen es aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und schlechten Gesundheitszustandes als unwahrscheinlich galt, dass sie noch Arbeit finden würden, erhielten bis an ihr Lebensende eine kleine finanzielle Beihilfe in der Höhe von täglich 16 kr. C.M. zugesprochen. In den gleichen Genuss kam ein weiterer Geselle, der zwar wesentlich jünger war und erst seit sieben Jahren in der Hofsattlerei diente, aber krankheitshalber als arbeitsunfähig eingeschätzt wurde.213 In den darauf folgenden Monaten und Jahren sollten auch noch einige andere entlassene Handwerker, die mittels ärztlichem Attest ihre Arbeitsunfähigkeit belegen konnten, um eine lebenslängliche Altersunterstützung ansuchen, die schließlich auch sämtlichen Bittstellern - wenn auch nicht immer in der Höhe von 16 kr. C.M. - bewilligt wurde.214 Manche der arbeitslos gewordenen Gesellen fanden später erneut Arbeit beim Oberststallmeisterstab, die einen nur als Wagenwäscher, andere aber gar als Handwerksgesellen mit fester Anstellung.215 Mehrere der Entlassenen hatten das Glück, Aufnahme bei einem bürgerlichen Meister zu finden.216 Einige konnten das Meisterrecht erwerben, wie der Schlosser Friedrich Kohl, dem sogar der Hoftitel verliehen wurde.217 Dem 1842 entlassenen Wagner Michael Reiss blieb zwar die Gunst eines Hoftitels verwehrt, aber auch er sollte später, wie Kohl, den Hof 210 Ebenda. 211 Kaiser Ferdinand I. an Oberststallmeister Wrbna, Wien 1843 Jänner7, ebenda. 212 Oberststallmeister Wrbna an Kaiser Ferdinand 1., Wien 1842 November 17, ebenda. 213 Ebenda. 214 Döberl : Die Kutschen der Kaiser, S. 170 f., 174-178. 215 Ebenda, S. 169, 171-173, 175. 216 Johann Sachsenberg an Kaiser Ferdinand I., Wien 1843 Jänner 23, HHStA, OStA, C, 116, ZI. 841 aus 1843, unfol. 217 Döb er 1 : Die Kutschen der Kaiser, S. 142. 161

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