Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl zu Reparaturen bestimmten Sattlerei, die künftig zu beschränkenden Raum- und Personalerfordemisse derselben, dann über die Axt und Weise vozulegen, wie für die Anschaffung neuer Wägen, für die Bewerkstelligung größerer Reparaturen an denselben, endlich für die Abschaffung von Pferdegeschirren und dergleichen, durch Benützung der Privat-Gewerbsleute gesorgt werden soll.205 Der Kanzleidirektor des Oberststallmeisteramtes und der Oberststallmeister selbst machten sich an die Ausarbeitung eines Entwurfs für die Reform der Hofsattlerei.206 Schließlich setzten sie in zwei Etappen eine drastische Personalreduktion um. In einem ersten Schritt wurden am 21. August 1842 zwanzig als Tagelöhner beschäftigte Handwerksgesellen entlassen, am 6. November schließlich zehn weitere. Unter den dreißig arbeitslos gewordenen Tagelöhnern befanden sich vier Sattler, zehn Riemer, sechs Schmiede, drei Schlosser, fünf Wagner und zwei Schneider. So waren Ende 1842 von 43 ausgebildeten Handwerkern nur noch 13 in der Hofsattlerei verblieben, nämlich jene, die eine Planstellen bekleideten (ein Wagenmeister, zwei Wagenaufseher, vier Sattler und zwei Riemer) sowie vier im Taglohn stehende Sattler.207 Die Entlassung traf die dreißig Handwerker völlig überraschend und unvorbereitet. Obwohl sie natürlich wussten, dass sie als Taglöhner jederzeit ihre Arbeit verlieren konnten, ließ sie die bisherige Praxis der Hofsattlerei glauben, sie würden bis ins hohe Alter beziehungsweise bis zum Zeitpunkt ihrer Erwerbsunfähigkeit ihre Beschäftigung behalten. Zehn von ihnen arbeiteten bereits länger als zwanzig Jahre in der Hofsattlerei, weitere fünf mehr als zehn Jahre. Viele von ihnen waren ledig in die Hofsattlerei aufgenommen worden und hatten danach Familien gegründet.208 War es für die entlassenen Handwerker nach Angabe des Oberststallmeisters ohnehin nicht einfach, bei einem bürgerlichen Meister Aufnahme zu finden, stellte sich die Situation für Verheiratete noch schwieriger dar, da „Privat-Gewerbsmeister ledigen Gesellen gewöhnlich den Vorzug geben“.209 Vor allem jene Handwerker, die seit vielen Jahren in der Hofsattlerei tätig waren und eine Familie zu versorgen hatten, standen nun vor dem Nichts, wie Wrbna dem Kaiser eindrücklich schilderte: [...] es dürfte vielen aus ihnen nur der Bettelstab erübrigen, der insbesondere den verheirateten um so schwerer fallen muß, als ihr Elend außer den Sorgen für die Nahrung und Bekleidung durch die unerläßliche Entrichtung des Wohnungszinses und 205 Kaiser Ferdinand I. an Oberststallmeister Wrbna, Schönbrunn 1842 Juli 16, HFlStA, OStA, A, 30, ZI. 3 104 aus 1842, unfol. 206 Oberststallmeister Wrbna, 1842 August 9, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 22, unfol. 207 Oberststallmeister Wrbna an Kaiser Ferdinand I., Wien 1842 November 17, HHStA, OStA, C, 116, ZI. 133 aus 1843, unfol. Von den Sattlern wurden die vier dienstältesten weiter beschäftigt. 208 Im Unterschied zu fest angestelltem Personal mussten Tagelöhner nicht beim Oberststallmeisteramt um eine Heiratserlaubnis ansuchen. Vielmehr genügte das Einverständnis des Stadtmagistrats, der aber keinem Tagelöhner der Hofsattlerei die gewünschte Erlaubnis verwehrte, „höchst wahrscheinlich in der Voraussetzung, daß sich diese Gesellen ohne ein etwaiges, von ihrer Seite bewirktes Verschulden, eines lebenslänglichen Verdienstes zu erfreuen haben“. Ebenda. 160

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