Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
werde185 - doch umsonst. Im Oberststallmeisteramt versuchte man die Angelegenheit unter den Tisch fallen zu lassen; allem Anschein nach verschwanden dort auch mehrere von Kaltenbrunner eingereichte Schriftstücke.186 Im Juli 1842 legte der Sattler dem Kaiser eine lange Unterschriftenliste vor, mit Hilfe derer er seine Reputation wiederherstellen wollte. Über 130 im Sektor des Wagenbaus tätige Meister verbürgten sich mit Name und Siegel für den aufrichtigen Charakter und tadellosen Lebenswandel Kaltenbrunners.187 Das Schicksal des oberösterreichischen Sattlers scheint aber auch darüber hinaus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gewesen zu sein. Ein Freund Kaltenbrunners versuchte Erzherzog Ludwig in einem Brief deutlich zu machen, welch schlechtes Licht die Affäre auf die kaiserlichen Beamten warf und welche Empörung sie bei den Menschen auslöse.188 Dieses Schreiben blieb aber - wie auch alle anderen, die ihm noch folgen sollten - ohne weitere Konsequenzen. Zwar wurde im Sommer 1842 eine Reform der Hofsattlerei eingeleitet, die Gründe dafür waren aber - wie im folgenden zu sehen sein wird - finanzieller Art und scheinen in keinem kausalen Zusammenhang mit den Vorwürfen Kaltenbrunners zu stehen. Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof 185 Siehe dazu mehrere Schreiben Kaltenbrunners an Kaiser Ferdinand I. aus den Jahren 1841 und 1842, HHStA, OStA, B, 71, einliegend ZI. 1 573 aus 1841, unföl.; HHStA, OStA, B, 75, einliegend ZI. 1 662 aus 1843, unfol. 186 Kaltenbrunner an Kaiser Ferdinand I., Wien 1840 September 1, HHStA, OStA, B, 70, ZI. 3 908 aus 1840, unfol.; HHStA, OStA, B, 71, ZI. 1 573 aus 1841, unfol. 187 Wien 1842 Juli 2, HHStA, OStA, B, 75, einliegend ZI. 1 662 aus 1843, unfol. 188 „Die Angelegenheit meines Mitbürgers und Freundes Sattlermeister Wolfgang Kaltenbrunner ist nicht mehr Sache des einzelnen, sondern sie macht Aufsehen unter der Bürgerschaft, da selbe der halben Stadt bekannt sind, welche von der Gerechtigkeit in unserm Lande nicht sehr auferbaut sind. Selbst Beamte, welche von der Sache unterrichtet wurden, sind darüber indigniert, da es nicht geeignet ist, diesen Stand große Achtung zu verschaffen. [...] Was hat der Bürger für Sicherheit, wenn von einer hohem Stelle die Polizeidirektion den Auftrag erhält, von einem Bürger schlechte Konduite abzugeben, um einem untreuen Beamten Anhaltspunkte zu geben, den rechtlichen Mann zu verfolgen. Was soll der Untertan, der Bürger tun, wenn der Beamte ungestraft Entscheidungen seiner Majestät vorenthält, verzögert und unterschlägt? - Wenn er auf das Wort Eurer kaiserlichen Hoheit nicht mehr bauen kann? In der Angelegenheit des Wolfgang Kaltenbrunner kommen diese Fälle alle vor, und setzen sich Eurer kaiserlichen Hoheit an die Stelle des Bürgers, um über den Eindruck zu entscheiden, zu einer Zeit, wo die Zufriedenheit mit der Beamtenwelt nicht zu den Bürgertugenden gehört. Euere kaiserliche Hoheit sehen aus dem Inhalte dieser Schrift, daß ich wohl unterrichtet über die Vorgänge bin, und dürfen mir glauben, daß Tausende es eben so genau sind, und nicht alle sich mit Mäßigung äußern. Allein es wäre oft gut, wenn Seine Majestät oder Euere kaiserliche Hoheit derlei Äußerungen hören möchten, es könnte für das Allgemeine gut wirken. Einem Beamten, der sich derart benimmt, wie der Stalldirektor Grill, dessen Handlungsweise genug von Bürgern noch besonders bekannt ist, über den sich selbst Untergeordnete nicht gerade ehrenhaft äußern - so fortwirtschaften zu lassen, ist allerdings nicht geeignet, rechtliche Beamten zu ziehen, und die Klage über das Sinken der Rechtlichkeit ist dadurch gefertigt.“ Peter Röckel an Erzherzog Ludwig, Wien 1842 Juli 21, HHStA, OStA, B, 75, einliegend ZI. 1 662 aus 1843, unfol. 155