Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Mario Döberl Schließlich galt es noch den Vorwurf Kaltenbrunners auszuräumen, in der Hofsattlerei würde Geld verschwendet und die dort gebauten Erzeugnisse seien nicht gut und solide genug gebaut. In seiner Replik darauf argumentierte der Kanzleidirektor ähnlich, wie bereits anlässlich des Streits um den Fortbestand der Hofsattlerei. Grill betonte, dass die Wägen den Wünschen und Bedürfnissen des Kaiserhauses vollkommen entsprächen und seit 1820 für die Anschaffung und Erhaltung der Fahrzeuge wesentlich weniger Geld aufgewendet werden müsse als in früheren Zeiten.182 Die negativen Äußerungen Kaltenbrunners über die Hofsattlerei, die Tatsache, dass ihm einige in Wien ansässige Meister ein positives Zeugnis ausgestellt hatten, sowie einige kursierende Gerüchte ließen beim Kanzleidirektor den Verdacht aufkommen, bürgerliche Sattler würden Kaltenbrunner instrumentieren, um die hofeigene Fahrzeugproduktion in Misskredit zu bringen. Grill war der Ansicht, Kaltenbrunner fände Unterstützung, weil das Mittel der bürgerlichen Sattler den Bestand der Hofsattlerei als eine Beeinträchtigung des Erwerbes einzelner Meister, den sie durch die Hofarbeiten zu vergrößern wünschen, betrachtet, und die Auflassung der Hofsattlerei durch Kaltenbrunners Einwirken beabsichtet, in welchem Falle sogar dem Kaltenbrunner von Seite des Mittels der bürgerlichen Sattler eine lebenslängliche Versorgung zugesichert sein soll.183 Es lässt sich heute nicht mehr eindeutig feststellen, ob in der Hofsattlerei tatsächlich alles mit rechten Dingen zuging, oder ob das leitende Personal und die Handwerker der Werkstätte ihr Einkommen durch korruptes Verhalten und Missbräuche aufbesserten. Für letzteres spricht das Verhalten Grills, Kaltenbrunners Ruf als rechtschaffenen Handwerker und Bürger zu desavouieren, sowie die Versuche, die Untersuchung der Vorwürfe in die Länge zu ziehen beziehungsweise zu verhindern. Dabei ist allerdings einzuräumen, dass ein gewisses Maß an Bestechlichkeit damals sowohl in Werkstätten des Hofes wie auch in solchen bürgerlicher Meister weit verbreitet war und eine elementare Zuverdienstmöglichkeit darstellte. Den verdächtigten Mitgliedern des Oberststallmeisterstabes war es jedenfalls mit ihren Aussagen gelungen, jede Schuld von sich zu weisen. Für Kaltenbrunner war die Angelegenheit damit aber noch lange nicht zu Ende. In zahlreichen, bis zum Jahr 1845 dokumentierten Bittschriften184 versuchte er verzweifelt eine gründliche Untersuchung der seiner Ansicht nach rechtswidrigen Vorkommnisse in der Hofsattlerei zu erreichen. In seiner Verzweiflung bat Kaltenbrunner gar um seine eigene Verhaftung, damit er endlich ordentlich verhört 182 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill, Wien 1836 April 1, eb enda. 183 Ebenda. 184 HHStA, OStA, A, 33, ZI. 4633 aus 1845, unfol. 154