Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Mario Döberl grosser Herr zu mir, weit größer als ich bin, und befahl mir, was ich mit dir tun sollt, nämlich abweisen, der Herr Hoffat sagte, gehe mein alter Kaltenbruner zu Seiner Majestät! dem Kaiser und sage ihm, daß ich deine gerechte Sache nicht verhandeln darf, Kaltenbrunner, der sich als Opfer einer Verschwörung fühlte, wandte sich nun tatsächlich direkt an den Kaiser. In einem Schreiben an den Monarchen brachte der Sattler schwere Vorwürfe gegen verschiedene Mitglieder des Oberststallmeisterstabes vor. Kanzleidirektor Grill wurde beschuldigt, für einen seiner Söhne von Handwerkern der Hofsattlerei einen neuen Wagen samt Pferdegeschirren sowie einige andere Gegenstände aus vorrätigen Materialien der Sattlerei angefertigt haben zu lassen. Equipagen-Inspektor Nörpel habe hingegen gleich nach seinem Amtsantritt für die Instandsetzung seiner Privatfahrzeuge durch Hofsattlereipersonal gesorgt und habe die Equipagen anschließend verkauft. Außerdem hätten Hofhandwerker Schellengehänge für Nörpel angefertigt. Kanzleisekretär Alexander Ussner wurde von Kaltenbrunner vorgeworfen, er habe sich von Sattlereigesellen Sitzmöbel und andere Wohnungseinrichtungsgegenstände bauen lassen. Für diese Arbeiten habe Wagenmeister Wenzel Schweriner viele Materialien aus der Hofsattlerei bereitgestellt. Schweriner selbst wurde von Kaltenbrunner bezichtigt, untergebene Sattlereigesellen im Geheimen mit dem Bau eines Kinderwagens im Wert von mehr als 150 fl. C.M. in der Hofsattlerei beauftragt zu haben. Damit nicht genug der Unregelmäßigkeiten: Für den bürgerlichen Lederermeister und Hoflieferanten Felix Hallmayer hätten Riemergesellen der Hofsattlerei des öfteren Leder für private Zwecke zugeschnitten. Kaltenbrunner selbst habe zu seiner Zeit als Aushilfssattler in der „alten“ Sattlerei am Josephsplatz mithelfen müssen, ein Fahrzeug zu bauen, das nicht für die Hofwagenburg bestimmt gewesen sein soll. Zahlreiche Gesellen hätten sich empfänglich für „Spentas von aller Art“ gezeigt, das heißt sie seien bestechlich gewesen; einige von ihnen hätten private Kundschaften gehabt, wie etwa der k. k. Sattler Wilhelm Rahn, dem vorgeworfen wurde, er halte die Fahrzeuge eines in der Mariahilfer Straße ansässigen Fleischhauers instand und verwende für die Reparaturarbeiten Materialien der Hofsattlerei. Kaltenbrunner äußerte sich nicht nur negativ über einzelne Personen, sondern auch über die Qualität der am Hof verfertigten Arbeiten im Allgemeinen: Die Erzeugnisse der Hofsattlerei sollten besser und solider gebaut werden; der Kaiser könnte sich so „mehre Tausend“ Gulden ersparen. Kanzleidirektor Grill, so Kaltenbrunner abschließend, unterstütze nur „liederliche Lumpen“, weshalb er auch seit längerer Zeit versuche, die Vorwürfe des entlassenen Sattlers zu vertuschen und eine Aufklärung der Vorfälle abzuwehren.169 170 Die Schilderungen Kaltenbrunners warfen ein äußerst schlechtes Licht auf die Hofsattlerei und das Führungspersonal des Oberststallmeisteramtes. Erzherzog 169 Kaltenbrunner an Kaiser Ferdinand I., undatiert, HHStA, OStA, C, 112, einliegend ZI. 1 234 aus 1835, unfol.. 170 Ebenda; HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 17, ZI. 1 234 aus 1835, unfol. 150