Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Ludwig befahl im März 1835 in Vertretung des Kaisers, dass sofort eine gründliche Untersuchung einzuleiten sei.171 Nach Ablauf eines Jahres forderte Ferdinand I. seinen Oberststallmeister auf, die Ergebnisse der Befragungen zu präsentieren.172 Die Verteidigungsstrategie der Beschuldigten ging dahin, Kaltenbrunner als Person jede Glaubwürdigkeit abzusprechen: Dieser sei während seiner Tätigkeit in der Hofsattlerei nicht nur ein unzuverlässiger, fauler Handwerker gewesen, sondern neige auch zu unmäßigem Alkoholkonsum, der zuweilen traurige Folgen mit sich bringe; so sei Kaltenbrunner etwa in früheren Zeiten einmal in betrunkenem Zustand von seinen eigenen Gesellen und Lehrbuben verprügelt worden. Aber nicht nur der Einfluss von Alkohol mache ihn unberechenbar. Seine cholerische Ader habe ihn bereits so weit gebracht, im Zorn seine eigene Zimmereinrichtung mit einer Hacke zu zertrümmern oder Hunde mit solcher Wucht gegen die Decke zu schleudern, dass diese daraufhin verendeten. Als Kaltenbrunner noch Sattlermeister war, so die Aussagen der Beschuldigten weiter, habe er keinen einzigen Wagen geliefert, ohne später mit dem Käufer in Streit geraten zu sein. Sein schlechter Geschäftssinn hätte schließlich den Ruin seiner eigenen Werkstätte bewirkt. Nicht nur beruflich, sondern auch im Privatleben habe Kaltenbrunner versagt: Seine Frau sei von ihm misshandelt worden und habe sich schließlich von ihm getrennt.173 Der Sattlermeister Gottlieb Mittag und der Wagenfabrikant Simon Brandmayer, bei denen Kaltenbrunner nach 1830 kurzfristig Arbeit gefunden hatte, bestätigten den problematischen Charakter desselben.174 Auch Baron von Waldstätten, auf den sich Kaltenbrunner in seinem Schreiben an den Kaiser berufen hatte, wusste nichts Gutes über den Sattler zu erzählen. Waldstätten erklärte, er halte Kaltenbrunner für wahnsinnig; sein stets hochroter Kopf und seine blutunterlaufenen Augen würden ebenso darauf hindeuten wie sein wirres Sprechen, das immer nur um die gleichen fixen Ideen kreise.175 All diese Aussagen und Schilderungen hatten zwar Kaltenbrunner persönlich diskreditiert, allerdings war damit der Verdacht, in der Hofsattlerei würde nicht alles mit rechten Dingen zugehen, noch nicht aus der Welt geschafft. Jene Personen, die der Korruption und des Missbrauches bezichtigt worden waren, versuchten deshalb entweder die Anschuldigungen Kaltenbrunners als Verleumdung zu brandmarken oder darzulegen, dass dieser aus dem von ihm Beobachteten falsche Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof 171 Erzherzog Ludwig in Vertretung des Kaisers an Oberststallmeister Wrbna, Wien 1835 März 28, HHStA, OStA, C, 112, einliegend ZI. 1 234 aus 1835, unfol. 172 Kaiser Ferdinand I. an Oberststallmeister Wrbna, Wien 1836 März 16, ebenda, einliegend ZI. 1 046 aus 1836, unfol. 173 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill, Wien 1836 April 1, ebenda, einliegend ZI. 1 234 aus 1835, unfol. 174 Wien 1841 Juli 1, eb enda . 175 Waldstätten, Wien 1836 März 24, HHStA, OStA, B, 60, ZI. 1 164 aus 1836, unfol. 151

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