Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
traf Trauttmansdorff wohl wie ein Schlag ins Gesicht. Darin entschied Franz I.: „Die Hofsattlerei hat noch und bis auf weitere Anordnung zu bestehen.“ Er führte weiter aus, „die Würde des Hofes und die große Anzahl der Wagen“ würden es nicht gestatten, jede Mode und neue Erfindung unbedingt mitzumachen, und Ich finde, daß die Wägen des Hofes dermal sehr anständig und keineswegs so geschmacklos sind, auch ist Mir kein erheblicher Unfall selbst bei den schnellen und vielen Reisen bekannt worden. Der Oberststallmeister und dessen Kanzleidirektor sollten sich fortan die Aufsicht über die Hofsattlerei teilen; der Equipagen-Inspektor wurde jedoch davon ausgeschlossen, da er „mit anderweiten Beschäftigungen überladen“ sei.150 Der Kanzleidirektor des Oberststallmeisteramtes hatte sich somit auf allen Linien durchgesetzt. Am 15. März 1830, also knapp vor seiner Entscheidung, die Hofsattlerei in ihrem vollen Umfang zu belassen, hatte der Kaiser Grill sogar in den erbländischen Ritterstand erhoben. Als Begründung dafür wurde angeführt, dass der Kanzleidirektor, der sich fortan „Grill von Warimfeld“ nennen durfte, seit seinem Dienstantritt im Oberststallmeisteramt dem Ärar viel Geld erspart habe.151 Wenige Monate vor seinem am 24. September 1834 erfolgten Tod verfasste der Oberststallmeister ein in verbittertem Ton gehaltenes Schreiben an den Kaiser. Darin beschrieb Trauttmansdorff Grill als einen nach der „unumschränkten Alleinherrschaft“ im Oberststallmeisteramt strebenden Mann, der das Personal in Furcht versetze.152 Resigniert zog der Oberststallmeister über die Zeit, die seit dem Dienstantritt Grills vergangen war, Resümee: Seit 14 Jahren ist fast bei jeder Stelle des Oberststallmeisterstabes etwas weggerissen oder verändert worden. Fast kein, was immer für Namen habender Gegenstand ist unverändert geblieben, und — leider! muß ich - nach meiner Ansicht sagen, meistenteils nicht zum Vorteil des Allerhöchsten Dienstes.153 Ein letztes Mal versuchte Trauttmansdorff schließlich Franz I. davon zu überzeugen, dass es besser wäre, die Hofsattlerei aufzulassen und die benötigten Fahrzeuge wieder von bürgerlichen Meistern bauen zu lassen: Gestatten Euer Majestät nicht die Fortdauer der von mir in einem, in Allerhöchsten Händen sich befindenden Vortrage als schädlich geschilderten Hofsatterei im Großen, [-].154 Doch vergeblich: Die Wägen des Kaiserhofes wurden vorerst weiterhin in der Hofsattlerei hergestellt. Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof 150 Kaiser Franz I., Baden 1830 Juli 31, HHStA, OStA, A, 18, ZI. 2 293 aus 1830, unfol. 151 Oberster Hofkanzler Saurau an Oberststallmeister Trauttmansdorff, Wien 1830 März 19, HHStA, OStA, B, 50, ZI. 816 aus 1830, unfol. Siehe auch Oberstkämmerer Czemin an Oberststallmeister Trauttmansdorff, Wien 1829 Oktober 9, HHStA, OStA, B, 50, ZI. 816 aus 1830, unfol. 152 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Wien 1834 März 4, HHStA, OStA, C, 112, ZI. 3 618 aus 1834, unfol. 153 Ebenda. 154 Ebenda. 147