Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Mario Döberl offenes Ohr hatte, ebenso Wirkung gezeigt haben, wie die Nachricht, dass seit der Reform der Hofsattlerei alte Wagenbestandteile vermehrt wieder verwendet werden könnten und sogar der Verkauf von Eisenabfällen Erträge abwerfe.143 Bei der Debatte um den Fortbestand der Hofsattlerei traten immer wieder die starken persönlichen Animositäten zwischen Trauttmansdorff und Grill offen zu Tage, so dass sich manchmal die Frage stellt, ob es den beiden wirklich um die Sache ging oder nur darum, den Sieg in einem Machtspiel zu erringen. Grill klagte dem Kaiser die Demütigungen, die er immer wieder durch das Verhalten seines Vorgesetzten zu erleiden habe. So müsse er sich in den Morgenstunden in das Haus des Oberststallmeisters begeben, um dort dessen Erwachen abzuwarten. Habe Trauttmansdorff endlich seine Nachtruhe beendet, müsse sich Grill dem Bette des Oberststallmeisters nähern und dort, während Trauttmansdorff sein Frühstück einnehme, diesem von den aktuellen Amtsgeschäften berichten und Akten zur Unterschrift vorlegen. Manchmal würde Grill - der höchste Beamte des Oberststallmeisterstabes! - sogar dazu verhalten, selbst das Frühstücksgeschirr vom Bett zu räumen.144 Der Kanzleidirektor fühlte sich auch in seiner Ehre gekränkt, weil ihn der Oberststallmeister zuweilen vor Stallpersonal in einem Ton behandelte, der mit der Würde seines Amtes nicht in Einklang zu bringen sei.145 Außerdem bezichtigte der Kanzleidirektor seinen Vorgesetzten, das Amtsgeheimnis zu verletzen146 und die Dienstpflichten zu vernachlässigen: Des Öfteren, so der Kanzleidirektor, sei Trauttmansdorff monatelang von Wien abwesend, wodurch ihm der nötige Einblick in die Probleme und Bedürfnisse des Oberststallmeisterstabes fehle.147 Darüber hinaus sprach Grill Trauttmansdorff grundlegende Kenntnisse auf dem Gebiet des Wagenbaus ab.148 Grill unterstellte dem Oberststallmeister schließlich, er verachte aus Prinzip jedwede vom Kanzleidirektor eingeführte Neuerung.149 Damit bezweifelte er, dass Trauttmansdorff von rationalen Motiven geleitet sei, wenn dieser für die Abschaffung der hofeigenen Wagenproduktionsstätte plädierte. Franz I. schenkte letztlich den Argumenten Grills mehr Gehör als jenen seines Oberststallmeisters. Die diesbezügliche kaiserliche Resolution vom 31. Juli 1830 143 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill, Wien 1830 März 17, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 144 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 18, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 17, ohne ZI., unfol. 145 Ebenda. 146 Ebenda. 147 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 12, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 148 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 18, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 17, ohne ZI., unfol. 149 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 12, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 146