Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl von Franz I. war aber nun auch auf die Hofsattlerei gelenkt worden. Der Kaiser teilte seinem Oberststallmeister mit, es sei ihm ein Gutachten darüber zu erstellen, ob es nicht vorteilhafter wäre, die eigene Erzeugung der zu dieser Abteilung [dem Oberststallmeisterstab, Anm. M. D.] gehörigen Gegenstände aufzuheben und sie wieder, wie es früher geschah, von den Gewerbsleuten anzuschaffen.124 Die Durchsicht der Gebarungsausweise und Wagenstandslisten hatte bei Franz I. nämlich den Eindruck erweckt, daß die bisherige Erfahrung die Ersparungen, welche man bei dem Bau der Wägen, dann bei der Sattlerei und Riemerei durch die eigene Regie zu erzielen hoffte, nicht bewährt hat.125 Die jeweiligen Resümees von Trauttmansdorff und Grill über die Ergebnisse des Wagenbaues am Wiener Hof seit der Reform der Hofsattlerei hätten kaum unterschiedlicher ausfallen können. Der Oberststallmeister war der Ansicht, die Bauweise der von Hofhandwerkem hergestellten Fahrzeuge würde den Anforderungen des Kaiserhofes ganz und gar nicht entsprechen und hätte sogar schädliche Auswirkungen auf die Zugtiere: Im „unzweckmäßig schweren, in der Proportion und Zusammensetzung sich ganz verfehlenden Wagenbaue der Hofsattlerei“ liege der Hauptgrund für den „Ruin“ der Hofwagenpferde, so Trauttmansdorff.126 Diese negative Entwicklung habe er allerdings bereits im Jahr 1821 vorhergesehen.'27 Was das Aussehen der Hofwägen betreffe, so sei es für den Oberststallmeister wichtig, „mit der Zeit vorwärts zu gehen und die Hof-Wagenburg nicht an Geschmacklosigkeit vor allen andern bemerkbar zu machen“128. Tatsächlich scheint in jener Zeit der Druck, der in Wien am Sektor des Wagenbaus durch die rasch wechselnden Moden ausgeübt wurde, enorm gewesen zu sein. Dies bestätigte der deutsche Wagenbauer Bickes in seiner 1829 erschienenen „Darstellung der Kunst der Kutschenfabrikation“: Kaum dürfte es eine Stadt in Europa geben, wo der Luxus der Equipagen so groß ist, wie in Wien. Man wechselt dort fast die Chaisen, wie an anderen Orten die Kleider, und Kaiser Franz I., Linz 1829 September 18, HHStA, OStA, C, 109, ZI. 838 aus 1829, einliegend ZI. 2 645 aus 1829, unfol. 125 Kaiser Franz I. an Oberststallmeister Trauttmansdorff, Wien 1829 Dezember 19, HHStA, OStA, C, 109, ZI. 3 544 aus 1829, unfol.; siehe auch Kaiser Franz I. an Oberststallmeister Trauttmansdorff, Wien 1829 Oktober 7, HHStA, OStA, C, 109, ZI. 2 810 aus 1829, unfol. 126 Ein ähnliches Urteil fällte Friedrich Adolf Bickes über die Wiener Wägen im allgemeinen: „Sie sind nämlich, trotz alles leichten und flüchtigen Ansehens, ohne Ausnahme schwer, und um die Hälfte schwerer, als sie seyn würden, wenn nach richtigen Grundsätzen bei ihrem Baue verfahren würde. Die Ursache hiervon rührt sowohl von den meistens sehr unrichtigen Verhältnissen im Baue, als von dem gänzlichen Mangel an Accuratesse in der Ausarbeitung der einzelnen Bestandtheile her.“ Bickes, Friedrich Adolf: Anleitung zur Kenntnis und richtigen Beurtheilung aller Arten von Equipagen oder Darstellung der Kunst der Kutschenfabrikation in ihrem ganzen Umfange nebst der Kunst des englischen Plattirens auf Kupfer und Eisen, sowie aller Arten der Versilberung und Vergoldung. Freiburg 1829, S. 379. 127 Oberststallmeister Trauttmansdorff, HHStA, OStA, C, 108, einliegend ZI. 1 610 aus 1829, unfol. 128 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz 1., Wien 1829 Februar 14, HHStA, OStA, C, 109, ZI. 2 215 aus 1829, unfol. 142

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