Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

7. Der Streit um den Fortbestand der erweiterten Hofsattlerei Zu Beginn des Jahres 1829, fast ein Jahrzehnt nach der Reform der Hofsattlerei, brach ein heftiger Streit um den Fortbestand der hofeigenen Produktionsstätte für Fahrzeuge aus. Die beiden Hauptgegner waren bei dieser Auseinandersetzung der seit 1813 im Amt befindliche Oberststallmeister Trauttmansdorff, der dafür plädierte, wieder zu jenem System zurückzukehren, das vor 1820 in Gebrauch war, und Ignaz Grill, der Kanzleidirektor des Oberststallmeisteramtes, der für die Fortführung des Status quo eintrat. Grills Dienstantritt zu Beginn des Jahres 1820 war zeitlich ziemlich genau mit der Reform der Hofsattlerei zusammengefallen,"9 und dem Kanzleidirektor scheint die hofeigene Wagenproduktion sehr am Herzen gelegen zu sein. Ob er selbst die Idee dazu hatte, lässt sich auf Grund der Aktenlage nicht mehr feststellen. Grill scheint jedoch bei der Umsetzung der Reform federführend gewesen zu sein. Zu Beginn des Konflikts stand nicht die Hofsattlerei im Zentrum des Interesses, sondern der Aufgabenbereich des Equipagen-Inspektors. Nach dem am 5. Oktober 1828 erfolgten Tod des Equipagen-Inspektors Franz Holzer versuchte Grill den Kaiser dazu zu bewegen, die Kompetenzen dieser Stelle zu beschneiden. Der Kanzleidirektor wollte nämlich selbst all jene Aufgaben des Equipagen-Inspektors, die mit der Hofsattlerei in Zusammenhang standen - wie etwa die Mitverantwortlichkeit für „den sicheren Bau der Wägen“* 119 120 - übernehmen.121 Trauttmansdorff versuchte dies abzuwenden; er äußerte dem Kaiser gegenüber seine Bedenken, dass auf diese Weise die Macht in Händen des Kanzleidirektors zu sehr anwachsen würde. Nebenbei gab er Franz I. zu verstehen, dass mit dem Ausbau der Hofsattlerei ein Irrweg beschritten worden sei und es vernünftiger wäre, wieder eine Flicksattlerei einzurichten und den Bau von Hofwägen erneut an auswärtige Handwerker zu übertragen.122 Die Frage nach den Kompetenzen des neuen Equipagen-Inspektors ließ der Kaiser vorläufig offen. Er forderte den Oberststallmeister auf, eine Dienstinstruktion für diese Stelle zu entwerfen und ihm vorzulegen.123 Das Interesse Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof August 10, HHStA, OStA, C, 103, ZI. 1 171 aus 1818, unfol. Dabei ist allerdings einzuräumen, dass die Bereiter in engerem Kontakt zu den jungen, im Umgang mit den Pferden auszubildenden Erzherzogen standen und auch größeren Einfluss auf diese nehmen konnten als Handwerks­gesellen. 119 Döb er 1 : Die Kutschen der Kaiser, S. 157. 120 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Wien 1829 Februar 14, HHStA, OStA, C, 109, ZI. 2 215 aus 1829, unfol. 121 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill, Wien 1828 Dezember 9, HHStA, OStA, C, 109, einliegend ZI. 2 215 aus 1829, unfol. 122 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Wien 1829 Februar 14, HHStA, OStA, C, 109, ZI. 2 215 aus 1829, unfol. 123 Franz I. ernannte Franz Nörpel, seinen bisherigen Leibbereiter, zum neuen Equipagen-Inspektor. Kaiser Franz I., Baden 1829 August 4, HHStA, OStA, C, 109, ZI. 2 215 aus 1829, unfol. 141

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