Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof der Hofsattlerei beschäftigt, ohne entlassen zu werden.107 Den dienstälteren Gesellen, die nicht mehr voll einsatzfähig waren, teilte man körperlich weniger anstrengende Arbeiten zu, die sie aber noch zur Zufriedenheit erledigen konnten.108 Kurzzeitbeschäftigungen waren bei den Tagelöhnern eher die Ausnahme denn die Regel. Nur anlässlich besonders aufwendiger Hoffeste wurde eine größere Zahl von Sattler-, Riemer- und Schneidergesellen zusätzlich aufgenommen und nach Ende des erhöhten Arbeitsaufwandes wieder entlassen. Solche Sonderfälle traten bei den Krönungen Ferdinands I. in Pressburg (1830), Prag (1836) und Mailand (1838) ein.109 Für die als Tagelöhner beschäftigen Sattler und Riemer bestanden durchaus Aufstiegsmöglichkeiten in der Hofsattlerei. Sie lebten in der Hoffnung, eines Tages in die Reihen der fest angestellten Gesellen aufgenommen zu werden. War eine solche systemisierte Stelle vakant, wurde für ihre Nachbesetzung in der Regel ein Mann unter den dienstältesten und fähigsten Gesellen ausgewählt, der allerdings nicht älter als vierzig Jahre sein durfte.110 Die Rangordnung unter den im Taglohn stehenden Handwerkern war auch an den Arbeitsplätzen in der Hofsattlerei sichtbar; den jüngst eingetretenen Tagelöhner wurden Werkbänke in den hintersten Reihen zugeteilt.111 Um die Konkurrenz unter den Gesellen zu schüren und damit deren Leistung zu steigern, wurde im Jahr 1849 das Taglohn-System reformiert. Die Sattler- und Riemergesellen ohne feste Anstellung wurden nun in zwei Klassen eingeteilt. Die geschicktesten unter ihnen sollten von nun an täglich 1 fl. C.M. ausbezahlt bekommen, alle übrigen aber nur 54 kr. C.M. Neu eintretende Taglöhner wurden während der ersten zwei Wochen in die niedrigere Lohnstufe gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist hatte der Wagenmeister zu entscheiden, ob sie es verdienten, in die höhere Klasse aufzusteigen oder nicht.112 107 Vgl. Döberl: Die Kutschen der Kaiser, S. 166-179. 108 Oberststallmeister Wrbna an Kaiser Ferdinand I., Wien 1842 November 17, HHStA, OStA, C, 116, ZI. 133 aus 1843, unfol. Ein solches Vorgehen kann jedoch keinesfalls als Besonderheit des Hofes gelten, sondern war vielmehr in allen größeren bürgerlichen Werkstätten gängige Praxis. Ebenda. 109 Vgl. Döb erl : Die Kutschen der Kaiser, S. 168 f., 171 fi, 174, 178 f. 110 Es sei folgendes Beispiel angeführt: Als im Jahr 1832 die Stelle eines k. k. Sattlergesellen nachzubesetzten war, kamen dafür jene drei Tagelöhner, die das Sattlergewerbe erlernt hatten und die schon am längsten in der Hofsattlerei dienten, in die engere Auswahl. Heinrich Hoppe war bereits seit 1820 als Sattlergeselle bei Hof beschäftigt, Joseph Trugaschütz seit 1821 und Paul Atzinger seit 1822. Die Anstellung erhielt schließlich der Dienstälteste unter ihnen, Heinrich Hoppe. Oberststallmeisteramt, Wien 1832 Jänner 4, HHStA, OStA, B, 53, ZI. 64 aus 1832, unfol. 111 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill, Wien 1836 April 1, HHStA, OStA, C, 112, einliegend ZI. 1 234 aus 1835, unfol. Bei Einführung dieses neuen Taglohn-Systems teilte Hofwagenmeister Schweriner sieben Sattlergesellen der höheren und einen Sattler- sowie vier Riemergesellen der niedrigeren Lohnklasse zu. Oberststallmeisteramt, HHStA, OStA, B, 91, ZI. 1 679 aus 1849, unfol. 139

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