Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Mario Döberl Jahreslohn von 292 fl. C.M. entsprach.103 Damit verdienten sie aber weniger als tüchtige Gesellen, die bei bürgerlichen Meistern arbeiteten.104 Dennoch mangelte es nicht an Handwerkern, die in der Hofsattlerei als Tagelöhner arbeiten wollten. Für die Stelle eines Aushilfssattlers bewarben sich nicht etwa nur Sattlergesellen, sondern manchmal sogar Sattlermeister.105 Der größte Unterschied zwischen den Tagelöhnern und den Handwerkern mit fester Anstellung lag in ihrer sozialen Absicherung. Wurden letztere im Alter dienstuntauglich, konnten sie mit einer Pension rechnen; im Todesfall waren ihre Angehörigen mit einer Witwen- beziehungsweise Waisenpension versorgt. Die Tagelöhner konnten von solchen Ansprüchen nur träumen. Theoretisch konnten sie jederzeit und ohne Grund entlassen werden. Dahinter steckte durchaus Kalkül. Im Jahr 1830 meinte der Kaiser zu seinem Oberststallmeister, die Möglichkeit eines plötzlichen Arbeitsverlustes, die wie ein Damoklesschwert über den Tagelöhnern hing, würde diese zu mehr Fleiß antreiben. Feste Anstellungen seien deshalb so weit als möglich zu vermeiden. Sollte es in der Hofsattlerei an Arbeit mangeln, so Franz I. weiter, so solle umgehend die entsprechende Zahl an Gesellen entlassen werden: Der Besorgnis, daß die aufgenommenen Gesellen, im Bewußtsein, nicht wieder entlassen zu werden, sogleich im Fleiß und Eifer nachlassen, ist damit vorzubeugen, daß man künftig die Nachlässigen oder Untauglichen ohne weiteres entlassen, und daher die Gesellen keineswegs etwa mit Dekreten anstelle (aufnehme), und wenn gleich lange gute Dienste oder im Dienst zugezogene Invalidität diese Gesellen zu einer Gnadengabe qualifiziert, so sind auch solche ebensowenig wie die Roßwärter als pensionsfähig, sondern ad nutum amovibiles anzusehen, daher auch, wenn wenige Arbeiten sich ergeben, nach Maß, als sie entbehrlich werden, zu vermindern und abzudanken. So wie wenn man, um die Individuen der Hofsattlerei zu beschäftigen, auf Gegenstände verfiele, die unterbleiben könnten und sollten, so ist es Ihre und des Amtes Sache, solches zu untersagen und nicht zu dulden.106 In der Praxis war die Lage der Tagelöhner aber nicht ganz so prekär, wie vom Kaiser gefordert. Tatsächlich waren mehrere von ihnen über viele Jahre hinweg in Taglohn von 48 kr. C.M., die vier Schmiedgesellen 56 kr. C.M., der einzige Schlosser 1 fl. 4 kr. C.M., einer der vier Wagner ebenfalls 1 fl. 4 kr. C.M. und die übrigen drei Wagner 48 kr. C.M. Beilage zu Schreiben von Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill, Wien 1830 Mai 24, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 103 Oberststallmeister Wrbna an Kaiser Ferdinand 1., Wien 1841 November 24, HHStA, OStA, C, 115, einliegend ZI. 5 101 aus 1841, unfol. Im Jahr 1841 wurde der Taglohn auf 54 kr. C.M. erhöht, was auf das Jahr umgerechnet 328 fl. 30 kr. C.M. ergibt. Ebenda. 104 „Die in der Hofsattlerei verwendeten Aushilfssattlergesellen wurden stets aus den vorzüglichsten Gesellen der hiesigen bürgerlichen Sattlerwerkstätte gewählet. Nach sicheren Erhebungen sind die vorzüglicheren Sattlergesellen in Wien viel besser von ihren Meistern, als die Aushilfsgesellen in der Hofsattlerei bezahlt [...].“ Ebenda. 105 Vermutlich handelte es sich bei diesen Personen um in Not geratene Sattlermeister, die dringend Geld benötigten. Um eine Aushilfssattlerstelle bewarben sich zum Beispiel die bürgerlichen Sattlermeister Adolph Schönfeld und Karl Martiny. HHStA, OStA, A, 9, ZI. 1599 aus 1821, unfol.; HHStA, OStA, A, 34, ZI. 5 227 aus 1846, unfol. 106 Kaiser Franz I., Baden 1830 Juli 31, HHStA, OStA, A, 18, ZI. 2 293 aus 1830, unfol. 138