Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Dieser Raum war hoch und erstreckte sich über eine Länge von vier Fensterachsen.88 Eine kleinere, mit zwei Essen ausgestattete Werkstätte war für die Wagenschmiede und Schlosser bestimmt (Abb. 2, Buchstabe b) und ein dritter Raum wurde schließlich den Wagnern zugewiesen (Abb. 2, Buchstabe c).89 Der Fahrzeugstand der Hofsattlerei - darin sind sämtliche Gala-, Dienst-, und Lastwägen, Fahrzeuge für die Stadt und für Reisen, weiters, wenn auch in geringer Zahl, Schlitten, Sänften, Tragsessel, Tragstangen und Tragpölster inbegriffen - schwankte zwischen der Reform der Hofsattlerei im Jahr 1820 und der Jahrhundertmitte nur geringfügig zwischen 502 und 557.90 Vor allem im ersten Jahrzehnt des Bestehens der erweiterten Hofsattlerei wurde ein großer Teil des Fuhrparks erneuert. Allein zwischen 1. November 1822 und 1. November 1829 wurden in der Hofwerkstätte 115 Fahrzeuge neu hergestellt,91 im nachfolgenden Zeitraum bis Ende Oktober 1842 waren es insgesamt nur 57 Stück.92 Daneben wurden auch alte, unbrauchbar gewordene Wägen versteigert beziehungsweise zerlegt, damit die brauchbaren Bestandteile wiederverwertet werden konnten. Manche Fahrzeuge wurden umgebaut, um sie so für andere Zwecke einsatzbereit zu machen. Beim größten Teil der von Grund auf neu gebauten Wägen handelte es sich um Dienst- und Gebrauchsfahrzeuge, die keine Funktion bei repräsentativen Auffahrten zu erfüllen hatten, sondern für den täglichen Gebrauch der Hofstaatsangehörigen bereitstanden. Galawägen waren in ausreichender Zahl vorhanden und wurden nur Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof Im Jahr 1832 wurde die Hofsattlerei als „die weite und hohe Sattlereiwerkstatt“ beschrieben. Oberststallmeisteramt an das Obersthofmeisteramt, Wien 1832 April 1, HHStA, OStA, B, 53, ZI. 786 aus 1832, unfol. Bis zu diesem Jahr waren zwei der vier gegen die heutige Burggasse gerichteten Fenster zugemauert. Kurz bevor die blinden Fenster wieder ausgebrochen und mit Glasscheiben versehen wurden, um in der Werkstätte für bessere Lichtverhältnisse zu sorgen, wurde diskutiert, ob die Mehrzahl an Fenster in Richtung Straße nicht auch die Diebstahls- und Brandgefahr vergrößere. Schließlich gelangte man aber zur Ansicht, dass dieses Risiko bei vier Fenstern nicht größer sei als bei zwei. Oberststallmeisteramt an Oberstkämmerer und Obersthofmeisterstellvertreter Czemin, Wien 1832 Juli 12, HHStA, OStA, B, 53, ZI. 1 854 aus 1832, unfol.; Oberststallmeisteramt an Hofarchitekt Aman, Wien 1832 Dezember 22, HHStA, OStA, B, 54, ZI. 3 669 aus 1832, unfol. 89 Oberststallmeister Wrbna an Kaiser Ferdinand I., Wien 1842 November 25, HHStA, OStA, C, 116, ZI. 2 511 aus 1843, unfol. 90 Siehe Anhang. 91 Siehe Anhang. Ignaz Grill, Kanzleidirektor des Oberststallmeisteramtes, übertrieb im September 1829 in einem Schreiben an den Kaiser die Leistungen der Hofsattlerei. Er schrieb, dass derzeit 395 „Wägen zum Gebrauche“ existierten. Davon stammten 165 Stück aus der Zeit vor 1820, 229 Wägen seien seit der Reform der Hofsattlerei neu gebaut worden und einen Wagen habe man angekauft. Oberststallmeisteramt Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 12, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, unfol. Auf diese Zahlen war Grill gekommen, weil er zu den neu hergestellten Wägen auch alle für neue Zwecke adaptierten Fahrzeuge zählte. 92 Siehe Anhang. 135