Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl den Handwerkern mit fester Anstellung wurden die zwei geschicktesten Sattler und der fähigste Riemer ausgewählt, die als Altgesellen Schwertner bei der Aufsicht unterstützen sollten. Die reformierte Hofsattlerei nahm ihren Betrieb stufenweise auf. Zu Beginn des Monats März war die Hofsattlerei bereits mit den nötigen Werkzeugen ausgestattet, um einen großen Teil der bisher von auswärtigen Handwerkern erledigten Reparaturarbeiten selbst durchzuführen.69 Zusätzlich kam die Aufgabe hinzu, Reitzeuge und Geschirre herzustellen. Einen ihrer zentralen Tätigkeitsbereiche konnte die Hofsattlerei allerdings erst nach einer Anlaufzeit von mehr als einem Jahr übernehmen: Den Bau von Hofwägen.70 Wenn hier die Rede davon ist, dass die Wägen für den Wiener Hof ab 1821 in der Hofsattlerei erzeugt wurden, so bedeutet dies keineswegs, dass man fortan alle Wagenbestandteile dort verfertigte beziehungsweise dass ausschließlich am Hof angestellte Gesellen am Bau beteiligt waren. Die Verkürzung ist aber deshalb zulässig, weil nun zumindest sämtliche Sattler- und Riemerarbeiten in der Hofsattlerei erledigt wurden. Vor allen anderen Handwerkern hatten die Sattler eine zentrale Rolle beim Bau eines Fahrzeugs inne: Sie waren nicht nur für die textile Ausstattung und Polsterung des Wagenkastens zuständig, sondern koordinierten auch die Zusammenarbeit der übrigen Handwerker und waren darüber hinaus für das Gesamtdesign der Fahrzeuge verantwortlich.71 Zahlreiche Arbeiten wurden aber nach wie vor an Hoflieferanten vergeben, wie etwa jene Schmiedearbeiten, mit denen die wenigen in der Hofsattlerei beschäftigten Wagenschmiedgesellen überfordert waren,72 oder - zumindest teilweise - die Herstellung von Rädern.73 Außer Haus wurden weiters Tätigkeiten 69 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Prag 1820 Mai 20, HHStA, OStA, C, 111, ZI. 1 174 aus 1834, unfol. 70 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 12, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, unfol. 71 „Gewöhnlich wird der Wagenbau von Sattlern unternommen, obschon diese nur die eigentliche Ausmachung des Wagens besorgen, sich daher mit der Wagner-, Schmied- und Schlosserarbeit persönlich nicht befassen, wohl aber den letztgenannten Professionisten die beliebige Form, welche dem Wagen gegeben werden will, bezeichnen. Hieraus dürfte folgen, daß ein gelernter Sattler am füglichsten berufen sei, den technischen Teil der Sattlerei zu leiten.“ Ebenda. Siehe auch Auer, Erwin M(aria): Sattler als Wagenbauer. In: Österreichische Lederwaren 2 (1950), S. 105 f. Zu den verschiedenen Aufgabenbereich der am Wagenbau beteiligten Professionisten siehe Koppen, Thomas: Die Vermittlung von Fachwissen im Fahrzeugbau des 17. bis 19. Jahrhunderts. In: Wackemagel: Staats- und Galawagen der Wittelsbacher, Bd. 2, S. 315-322, hier S. 315. 72 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 12, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 73 Für die Anfangszeit der erweiterten Hofsattlerei gibt es noch Hinweise auf die Herstellung von Rädern in Eigenregie; aus späteren Jahren ist hingegen der Ankauf eines Vorrates an Wagenrädern für die Hofsattlerei überliefert. Oberststallmeister Trauttmansdorff an das Obersthofmarschallamt, Wien 1822 Juni 14, HHStA, OStA, B, 33, ZI. 895 aus 1822, unfol.; HHStA, OStA, A, 25, ZI. 1 900 aus 1837, unfol. 130

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