Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

ORTLIEB, Eva: Die „Alten Prager Akten“ im Rahmen der Neuerschließung der Akten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien

Eva Ortlieb zuordnen. Obwohl nicht eigentlich .reichshofrätlich’, wird dieses Material in die Neuverzeichnung einbezogen und in der Datenbank als eigener Datensatz unter Zugrundelegung des Kategoriensystems erfasst. Auf diese Weise sollen unverzeichnete .Inseln’ innerhalb eines grundsätzlich bearbeiteten Bestands vermieden, aber auch offene Forschungsfragen - zu denen die Entstehung und frühe Tätigkeit des RHR zweifellos zu rechnen ist - keinesfalls vorentschieden werden. Die Anwendung des Kategorienschemas ist bei diesen Vorgängen nur analog zu verstehen. Bei der unter der Rubrik 5/Kläger bzw. Antragsteller eingetragenen Person handelt es sich nicht um einen Antragsteller vor dem RHR, sondern entweder um den Absender des betreffenden Schriftstücks oder die Person, um die es in dem Schreiben geht. Mitunter schwer fällt die Entscheidung über die zu berücksichtigenden Angaben auch bei völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Einzelstücken. Hier lässt sich auf der Basis des in den APA überlieferten Materials oft noch nicht einmal entscheiden, wer in dem fraglichen Verfahren als Kläger und wer als Beklagter aufgetreten ist - oder ob und wie eine Angelegenheit überhaupt vor den RHR kam. Auch wenn Aufschluss über solche Fragen unter Umständen aus in anderen Serien erhaltenen Akten zu gewinnen wäre, wird auf solche Nachrecherchen zumindest zunächst verzichtet, um die Neuverzeichnung nicht über Gebühr zu verlangsamen. Auch in diesen Fällen gilt, dass die in der Datenbank festgehaltenen Angaben auf der Basis des in den APA überlieferten Materials sinngemäß erfolgen und nicht unbedingt über die tatsächliche Eigenschaft der betroffenen Person als Kläger oder Beklagter Auskunft geben. Ein dritter Problemkreis ergibt sich aus der Eigenart des RHR etwa im Vergleich zum RKG. Vor allem in seiner Frühzeit, in der der Schwerpunkt der Überlieferung der APA liegt, war der kaiserliche Hofrat bzw. RHR nicht nur Gericht, sondern auch kaiserliche Behörde und als solche mit den verschiedensten an den Kaiser gerichteten Bitten befasst. Viele dieser Bittsteller strebten keinen eigentlichen Prozess vor dem RHR an, sondern wollten sich in einem bestimmten Zusammenhang - bei der Eintreibung von Schulden, im Vorfeld von Geschäftsreisen oder im Umgang mit territorialen Behörden bzw. Gerichten - die kaiserliche Unterstützung sichern. Dazu kommt, dass der RHR - anders als das RKG - zum kaiserlichen Hof gehörte und über keine eigene Kanzlei verfügte, sondern mit der RK zusammenarbeitete. Die vom RHR bearbeiteten Eingaben waren durchweg an den Kaiser adressiert. Zumindest bevor sich ein geregelter Geschäftsgang für das Einreichen von Eingaben direkt beim RHR herausgebildet hatte, handelt es sich dabei durchaus nicht um eine reine Formsache. Vielmehr erhielt der RHR die von ihm bearbeiteten Anträge in vielen Fällen zugeteilt - in der Regel durch den Reichsvizekanzler.90 Auch in 90 Ehrenpreis, Stefan: Der Reichshofrat im System der Hofbehörden Kaiser Rudolfs II. (1576-1612). Organisation, Arbeitsabläufe, Entscheidungsprozesse. In: MÖStA 45 (1997), S. 187-205. 618

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