Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

ORTLIEB, Eva: Die „Alten Prager Akten“ im Rahmen der Neuerschließung der Akten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien

Eva Ortlieb auffallend wenige Akten aus der Regierungszeit Kaiser Rudolfs II. erfasst.58 Die Quellen der APA beginnen jedoch weder mit dem Jahr 1575, noch bricht die Überlieferung 1612 ab. Das früheste bisher erfasste Stück stammt aus dem Jahr 1452, das späteste von 1766. Allerdings handelt es sich bei den Akten vor 1540 um mehr oder minder verstreute Einzelstücke zum Teil nicht eigentlich ,reichshofrätlicher’ Provenienz, beispielsweise Akten des Kammergerichts Kaiser Friedrichs III. Ein Großteil dieser Quellen wurde zwar in das in der Mitte des 19. Jahrhunderts gebildete Selekt ,Fridericiana’ umgelegt.59 Dennoch hat die Neu Verzeichnung eine ganze Reihe bei dieser Umlegung offenbar übersehener Stücke aus dem fraglichen Zeitraum erfassen können. Eine ähnliche Sonderrolle spielen die Akten aus der Zeit nach 1660. Auch hier sind in größerer Zahl nicht eigentlich dem RHR zuzuordnende Stücke festzustellen, etwa im Kontext der Neubesetzung von Stellen in der kaiserlichen Diplomatie oder Korrespondenzen mit diversen kaiserlichen Amtsträgern. Besonders fallen eine größere Anzahl von Schreiben aus den Jahren 1663 und 1684 auf, die dem Problemkreis der ,Türkenhilfe’ zuzuordnen sind und in denen verschiedene Reichsstände Hilfe zusagten, sich wegen ihrer ausbleibenden Beiträge entschuldigten oder um Maßnahmen im Hinblick auf Durchmärsche und Einquartierungen baten. Auch nach 1660 hat sich aber auch eindeutig ,reichshofrätliches’, allerdings überdurchschnittlich häufig der Gratialregistratur zuzuordnendes Material in den APA erhalten, etwa Bitten um Moratorien, Begnadigungen oder Privilegien. Zwischen 1540 und 1660 lässt sich von einer im Wesentlichen durchgehenden Überlieferung, freilich auf unterschiedlich hohem Niveau, sprechen. Die Anzahl der bisher bearbeiteten Vorgänge bleibt nach 1612 bis 1617 konstant vergleichsweise groß, während sich zwischen 1618 und 1625 nur wenige Verfahren in den APA erhalten haben. Vermehrt Akten finden sich aus den Jahren 1628-1631, in geringerem Ausmaß auch 1644-1647, 1653/54 und 1659. Mit Ausnahme der Jahre 1644-1647 handelt es sich bei den angegebenen Zeiträumen um Phasen einer offensichtlich generell hohen Inanspruchnahme des RHR, die 1653/54 - ebenso wie die große Zahl von Akten aus dem Jahr 1570 - auf den Reichstag zurückzuführen sein dürfte.60 Auf der Suche nach einer Erklärung für die vor dem Hintergrund der Bestandsgeschichte erstaunliche zeitliche Erstreckung der APA bis weit ins 58 Das haben die Vorbereitungen einer Analyse der Inanspruchnahme des RHR ergeben, die auf den Datenbanken ,RHR’ (der elektronischen Version des Wolfschen Repertoriums, vgl. den Projektbericht von Gert Polster in diesem Band) und ,APA’ beruht und derzeit von Gert Polster und mir erarbeitet wird. 59 Auer, Leopold: Die undatierten Fridericiana des Haus-, Hof- und Staatsarchivs. In: MÖStA 27 (1974), S. 405-430; 29 (1976), S. 411-435; Groß: Reichsarchive (wie Anm. 20), S. 355-357. 60 Oben Anm. 58. 608

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